Читать книгу 15 Jahre länger leben - Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk - Страница 13
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ZEITLICHE FENSTER
Östrogene schützen die Blutgefäße, das ist vielfach belegt. Es gilt jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen.
ZÜNGLEIN AN DER WAAGE: DAS LEBENSALTER
Vor den Wechseljahren, also mit normal hohen Östrogenspiegeln, bekommen Frauen so gut wie niemals einen Herzinfarkt. Danach steigt das Infarktrisiko steil an. Östrogene senken die Cholesterinspiegel, weiten die Blutgefäße und wirken antioxidativ – alles Mechanismen, die vor Arteriosklerose und Herzinfarkt schützen. Warum haben dann die Patientinnen in der WHI-Studie (siehe >) nicht weniger, sondern mehr Herzinfarkte bekommen? Die Antwort fand man erst in den letzten Jahren: Ganz allgemein schützen Östrogene die Blutgefäße. Sind die Blutgefäße jedoch schon massiv verändert und weisen ausgeprägte arteriosklerotische Plaques (Ablagerungen an den Innenseiten der Gefäßwände) auf, so kommt ein neuer Aspekt hinzu. Werden nun Östrogene gegeben, dann neigen diese Plaques zur Instabilität. Sie brechen nun leichter auf und werden dann als Thrombus zum Herz oder in die Lunge verschleppt, wo sie einen Infarkt auslösen. Frauen mit bereits deutlich geschädigten Blutgefäßen profitieren hinsichtlich des Herzinfarktschutzes also nicht mehr von einer Hormonersatztherapie. Im Gegenteil: Ihr Risiko erhöht sich, vor allem wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen. Solche Risikofaktoren sind in erster Linie Rauchen, Übergewicht, hoher Blutdruck und – natürlich – ein höheres Lebensalter. Dies waren nun unglücklicherweise genau die Merkmale der Gruppe von Patientinnen, die an der WHI-Studie teilgenommen hatten.
Die Hälfte der untersuchten Frauen war stark übergewichtig und rauchte. Das Gravierendste aber war, dass ihr Durchschnittsalter bei 65 Jahren lag.
Normalerweise beginnt man eine Hormonersatztherapie mit Eintreten der Wechseljahre, also mit etwa 50 Jahren. Die Therapie wird dann über einen Zeitraum von 5, eventuell auch 10 oder 15 Jahren durchgeführt. Bei einer 65-jährigen, rauchenden, übergewichtigen Frau kann man davon ausgehen, dass ihre Blutgefäße bereits massiv geschädigt sind. So erklärt sich die erhöhte Rate von Herzinfarkten und Lungenembolien in dieser Gruppe.
Gefäße im Blick
Aus dieser Beobachtung entstand die Theorie der zeitlichen Fenster (windows of opportunity). Östrogene sind nicht allgemein gut oder schlecht für die Gefäße. Sie sind gut, wenn die Gefäße weitgehend gesund sind. Sie sind schlecht, wenn diese bereits massiv geschädigt sind. Der Hauptrisikofaktor hierfür ist ein höheres Lebensalter.
Diese Theorie lässt sich in der Praxis belegen, und zwar anhand der Daten der WHI-Studie selbst. Diese wurde inzwischen detailliert untersucht. Betrachtet man dabei lediglich die Frauen zwischen 50 und 59, so stellt man klar fest, dass in dieser Altersgruppe das Herzinfarktrisiko nicht steigt, sondern sinkt. Das Wissen um das zeitliche Fenster sollte also unbedingt bei der Verschreibung von Hormonen berücksichtigt werden.
Wie messen?
Die Messung von Östrogen und Progesteron während der eigentlichen Wechseljahre bringt in den meisten Fällen keinen großen Erkenntnisgewinn. In dieser Zeit schwanken die Geschlechtshormone stark, sodass sich von einem Tag auf den anderen völlig andere Werte ergeben können. Prinzipiell lässt sich aber eine Tendenz feststellen. Das β-Östradiol, das wichtigste der drei Östrogene, sinkt allmählich ab. Gleichzeitig steigt das follikelstimulierende Hormon (FSH) der Hirnanhangdrüse an. Übersteigt die Konzentration von FSH die von Östradiol, so ist das »Kreuz der Menopause« erreicht. Bei einer Hormonersatztherapie versucht man die Estradiolspiegel auf niedrig-normale Werte einzustellen, anzustreben sind Serumwerte von 30 bis 60 pg / ml.
Wie therapieren?
Es gibt seit einigen Jahren eine »Renaissance der Hormonersatztherapie« unter veränderten Vorzeichen. Wichtig ist immer, die Hormoneinnahme gemeinsam mit dem Arzt in Ruhe zu planen.
1. Dosisreduktion
In früheren Jahrzehnten wurden Hormonersatzpräparate häufig überdosiert. Für Hormone gilt jedoch nicht die Devise »Viel hilft viel«. Vielmehr lautet das Motto: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
2. Individualisierung
Unterschiedliche Frauen müssen auch unterschiedlich behandelt werden. In den Wechseljahren allen Patientinnen das gleiche Präparat in gleicher Zusammensetzung und Dosierung zu verordnen, wird der Individualität und Komplexität des weiblichen Organismus nicht gerecht. Die moderne HRT ist keine Standardtherapie, sondern eine auf die persönlichen Bedürfnisse der Frau maßgeschneiderte Behandlung.
3. Transdermale Östrogengabe
Östrogene sollten möglichst nicht in Form von Tabletten, sondern stets über die Haut in Form von Pflastern, Gelen oder Sprays zugeführt werden. Gele und Sprays sind dabei zu bevorzugen, da sie eine noch individuellere Dosierung ermöglichen. Durch die Zufuhr über die Haut wird der Stoffwechselweg über die Leber umgangen. Damit unterbleibt die Stimulation gerinnungsfördernder Substanzen in der Leber. Das Thromboserisiko sinkt deutlich.
4. Verwendung bioidentischer Hormone
Um das zu ersetzen, was der Körper zuvor selbst hergestellt hat, sollten synthetisch veränderte Produkte keine Rolle spielen. Leider wurde dieser Grundsatz in der Vergangenheit selten berücksichtigt. Die neueren Studien zeigen eindeutig, dass vor allem die Kombination von Östrogenen mit synthetisch veränderten Gestagenen für ein gesteigertes Brustkrebsrisiko verantwortlich ist. Bei Verwendung des körperidentischen Progesterons zeigt sich dieses höhere Risiko nicht. Es kann sowohl oral als auch vaginal zugeführt werden. Die Zufuhr über die Haut führt zumeist nicht zu Serumspiegeln, die für den Schutz der Gebärmutterschleimhaut ausreichend sind.
5. Berücksichtigung zeitlicher Fenster
Siehe > und Buchtipp »Entspannt durch die Wechseljahre«, >.