Читать книгу 15 Jahre länger leben - Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk - Страница 18
ОглавлениеMEIN PERSÖNLICHER TIPP
Es gibt sie immer wieder: diese Nächte, in denen man erst sehr spät ins Bett kommt und dennoch am nächsten Tag früh rausmuss, um gleich wieder volle Leistung zu bringen. Hier kann die Einnahme von Melatonin in einer Dosierung von 5 mg beim Zubettgehen sowohl das sofortige Einschlafen fördern als auch den Tiefschlaf unterstützen. Aus einer kurzen Nachtruhe wird so ein echter »Power Nap«.
WACHSTUMSHORMON (HGH)
Vor allem in der US-amerikanischen Anti-Aging-Medizin gilt das Wachstumshormon (englisch: Human Growth Hormone, HGH) als das Anti-Aging-Königshormon. Wer sich einmal die Mühe macht, bei einer Internetsuchmaschine den Begriff »HGH« einzugeben, wird schnell sehen, welche Bedeutung dem Wachstumshormon jenseits des Atlantiks zugemessen wird. Ganze Kliniken haben sich dort darauf spezialisiert, alternde Menschen auf dieses Hormon einzustellen. Allerdings mehren sich die Zweifel, ob dies tatsächlich eine sinnvolle Maßnahme ist.
Gebildet wird Wachstumshormon von der Hypophyse, der hormonellen Steuerungszentrale unseres Gehirns. Wie der Name bereits sagt, ist HGH hauptsächlich für Wachstumsprozesse zuständig. Daher ist seine Konzentration im Kindes- und Jugendalter auch am höchsten. Sehr selten gibt es bei Kindern eine Erkrankung, die dazu führt, dass sie das Wachstumshormon nicht oder nicht ausreichend bilden. Diese Kinder werden unbehandelt niemals eine normale Körpergröße erreichen. Heute kann man diese Erkrankung jedoch frühzeitig erkennen und sie durch die Gabe von HGH vermeiden. Die Behandlung dieses »hypophysären Zwergwuchses« ist auch das klassische Einsatzgebiet von Wachstumshormon.
Der HGH-Hype
Seit gut 20 Jahren wird in den USA allerdings nicht nur wachstumsgestörten kleinen Kindern, sondern auch vom Alter gezeichneten erwachsenen Männern Wachstumshormon gespritzt. Ende der 1990er-Jahre erschien in einer renommierten medizinischen Fachzeitschrift eine erste Studie von David Rudman, der das Wachstumshormon auf seine Anti-Aging-Effekte untersuchte. Die Gruppe der untersuchten Männer war zwar relativ klein. Dafür waren sie von den Folgen der Behandlung umso begeisterter. Ihr Bauchfett wurde weniger, die Muskelmasse nahm zu. Auch Libido und Leistungsbereitschaft stiegen. Was kann man sich als alternder Mann Schöneres vorstellen? Rudmans Studie brachte einen Stein ins Rollen, der schnell eine Lawine auslöste. »Grow young with HGH« – »Jung werden durch Wachstumshormon« war einer der frühen Bestseller der amerikanischen Anti-Aging-Bewegung. Auch die entsprechenden Hersteller freuten sich: Wurden zuvor jährlich nur ein paar Hundert Kinder mit Wachstumshormon behandelt, so verlangten plötzlich Zehntausende Anti-Aging-Patienten nach dem Wunderhormon gegen das Altern.
Risiken von HGH
Der Hype war durchaus nachvollziehbar. Denn mit Wachstumshormon werden ja nicht nur irgendwelche Risikofaktoren beeinflusst, die man allenfalls laborchemisch nachweisen kann. Vielmehr bemerkten Männer, die sich Wachstumshormon spritzten, auch spürbare und sichtbare Veränderungen. Die Zunahme der Muskelmasse bei gleichzeitiger Abnahme des Fettgewebes gehört zu den gut gesicherten Wirkungen von HGH. Gleichzeitig nimmt auch die Knochendichte zu. Das ist sicherlich ein schöner Effekt. Er zeigt aber vor allem, dass HGH ein potentes Anabolikum (eine gewebeaufbauende Substanz) ist. Zu einer wertvollen, bedeutenden Anti-Aging-Substanz wird es dadurch noch nicht.
Schauen wir uns die Wirkungen von HGH auf der molekularen Ebene an, so kommt man sogar eher zum gegenteiligen Eindruck. Wachstumshormon wirkt sich ungünstig auf den Glukose- und Insulinstoffwechsel aus. Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, steigt. Wie jedes Anabolikum stimuliert auch HGH ganz allgemein das Wachstum von Zellen. Bei jungen Menschen ist dies zumeist unproblematisch. Je höher allerdings das Lebensalter wird, umso höher ist auch die Gefahr, dass dieser proliferative Effekt nicht nur gutartige, sondern auch bösartige Zellen wachsen lässt. Das Risiko für die Krebsentstehung nimmt also durch die Gabe von HGH ebenfalls zu. Dieser Verdacht wird nicht zuletzt dadurch erhärtet, dass Wachstumshormon seine Wirkung nicht direkt entfaltet, sondern vor allem durch ein Stoffwechselprodukt namens Insulin-Like Growth-Factor (IGF-1), das in der Leber entsteht. Erhöhte IGF-1-Spiegel gelten schon lange als Risikofaktor für unterschiedliche Krebserkrankungen.
Auch eine letzte unerwünschte Nebenwirkung der Wachstumshormontherapie sei an dieser Stelle nicht verschwiegen: Langfristig kann sich Armut einstellen. Die Behandlungskosten liegen nämlich bei 300 bis 500 Euro pro Monat. Die Krankenkassen übernehmen diese hohen Kosten selbstverständlich nicht. Nach allem, was wir inzwischen wissen, tun sie auch gut daran.
Echter Mangel ist selten
Bevor wir das Wachstumshormon nun allerdings völlig aus unserem Blickfeld verbannen, müssen wir uns noch einmal eine goldene Regel der Endokrinologie ins Gedächtnis rufen. Diese lautet: Es gibt keine guten oder schlechten Hormone. Jeder Botenstoff hat eine naturgegebene spezifische und wichtige Aufgabe in unserem Körper. Negativ kann er sich erst dann auswirken, wenn seine Konzentration entweder zu hoch oder zu niedrig ist. Aus diesen Gründen ist es sicherlich nicht sinnvoll, Wachstumshormon zu Anti-Aging-Zwecken über den altersentsprechenden Normbereich hinaus zu verabreichen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es nicht auch einen Wachstumshormonmangel bei Erwachsenen geben kann. Selbstverständlich muss dieser dann ausgeglichen werden. Zu seinen klinischen Zeichen gehören Muskelabbau, Zunahme des Bauchfetts, Knochenschwund und Leistungsminderung. In den meisten Fällen sind diese Symptome allerdings eher Ausdruck eines ungesunden Lebensstils mit falscher Ernährung und zu wenig Bewegung als Anzeichen eines HGH-Mangels. Im Zweifel bringt eine laborchemische Untersuchung Klarheit.
Wie messen?
Die Ausschüttung von HGH unterliegt einer ausgeprägten zirkadianen Rhythmik, also starken tageszeitlichen Schwankungen. Die höchste Menge wird vor allem in der ersten Tiefschlafphase kurz nach Mitternacht ausgeschüttet. Die direkte Messung ist daher im klinischen Alltag wenig praktikabel. Die besten Informationen über die Konzentration von HGH bekommt man, wenn man seinen Hauptmetaboliten, das IGF-1, misst (siehe >). Die Normwerte für einen 50-jährigen Mann liegen bei ca. 200 ng / ml.
Wie therapieren?
Liegt ein tatsächlicher Wachstumshormonmangel beim Erwachsenen vor, ist die Substitution von HGH erforderlich. Sie muss in Form von täglichen subkutanen Injektionen erfolgen – ähnlich wie bei einem insulinpflichtigen Diabetiker.
Die Formen zur oralen Einnahme sind sämtlich unwirksam. Wie Insulin ist das Wachstumshormon ein langkettiges Eiweißhormon, das bei oraler Gabe sofort im Magen zerlegt wird wie ein Schnitzel.
Es gibt jedoch Lebensstilmaßnahmen, mit denen sich die HGH-Spiegel steigern lassen. Hierbei geht der Anstieg des HGH nie über den altersgemäßen Bereich hinaus und führt somit zu keinen Gefährdungen. Wie wir es schon bei Testosteron gesehen haben, lässt sich auch HGH durch Sport, insbesondere durch Muskeltraining und hoch intensives Intervalltraining, stimulieren. Besonders effektiv ist zudem das Dinner-Cancelling (siehe >).