Читать книгу 15 Jahre länger leben - Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk - Страница 8

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CHRONISCH NIEDERSCHWELLIGE ENTZÜNDUNGEN: GEFÄHRLICHER SCHWELBRAND

Die Fähigkeit, Krankheitserreger durch entzündliche Reaktionen unschädlich zu machen, hat das Überleben des Menschen über Jahrzehntausende hinweg gesichert. Entzündungen können aber auch das Leben verkürzen.

Überleben ist ein ewiger Kampf ums Dasein. Unsere Vorfahren lebten ständig mit der Gefahr, ihr Leben durch Hunger, Kriege und Kämpfe, durch wilde Tiere oder Naturkatastrophen zu verlieren. Die größte Gefahr aber ging von den kleinsten Lebewesen aus: von Bakterien, Viren und Parasiten, die unterschiedliche Erkrankungen hervorrufen – häufig auch solche mit tödlichem Ausgang. Im Zeitalter vor der Einführung von Impfungen, Antibiotika und verbesserter Hygiene – also noch vor wenig mehr als 100 Jahren – waren Infektionskrankheiten mit Abstand die häufigste Todesursache überhaupt. Allein durch die Grippeepidemie des Jahres 1918 starben in Europa mehr Menschen als zuvor in vier Jahren Weltkrieg.

Doch unser Organismus verfügt auch über Schutzmechanismen. Gegen die unterschiedlichen Mikroben hat er ein ausgeklügeltes System der Immunabwehr entwickelt.

Das Eindringen fremder Keime löst umgehend eine Entzündungsreaktion aus. Weiße Blutkörperchen und eine Vielzahl unterschiedlicher Abwehrmoleküle stürzen sich auf die Krankheitserreger. Glücklicherweise geht unser Abwehrsystem in den meisten Fällen auch als Sieger hervor.

SCHATTENSEITE EINES ÜBERLEBENSPRINZIPS

Seit einigen Jahren stellt sich zunehmend heraus, dass die Fähigkeit unseres Körpers zur Entzündung auch eine Schattenseite hat. Entzündungsreaktionen haben eine Tendenz, sich zu verselbstständigen und auf einem niederschwelligen Niveau zu persistieren. Vergleichen kann man das mit einem Feuer, das nicht völlig erlischt, sondern lange Zeit weiter vor sich hin schwelt. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr: Derartig chronische niederschwellige Entzündungsprozesse stellen für unseren Körper eine große Belastung dar. Genauer gesagt: Sie lassen ihn altern.

Arterienverkalkung: auch ein entzündlicher Prozess

Zuerst hat man dies in den 1990er-Jahren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen. Bis dahin hatte man gedacht, das Verkalken einer Arterie sei ein passiv ablaufender Prozess, ähnlich wie bei einer Wasserleitung. Heute wissen wir, dass die Arteriosklerose sehr viel komplexer verläuft und eine Vielzahl entzündlicher Reaktionen beinhaltet. Die genauen Mechanismen sind im Kapitel »Arteriosklerose – der lautlose Killer« ab > beschrieben.

Im Wesentlichen betrachtet man heute die Arteriosklerose als eine chronische Entzündung der Gefäßwand. Inzwischen weiß man außerdem, dass derartige Entzündungsprozesse nicht nur für die Arterienverkalkung verantwortlich sind. Vielmehr bilden sie die Grundlage fast aller altersabhängigen Erkrankungen wie Diabetes, Krebs oder Demenz. Altern ist nicht zuletzt eine Entzündung.

Woher kommen Entzündungen?

Das führt uns bereits zur nächsten Frage. Woher kommen diese Entzündungen? Zum einen können sie tatsächlich Folge einer akuten Entzündung sein, die nur unvollständig abgeheilt ist. Nicht selten sind dies Herde im Mund- oder Rachenraum wie etwa chronische Zahnwurzelentzündungen oder Zahnfleischentzündungen (siehe >).

Eine entscheidende Rolle bei chronisch niederschwelligen Entzündungsprozessen spielt aber auch das Fett – und zwar sowohl das Fett, das wir über die Nahrung aufnehmen, als auch das Fett, das wir als Energiespeicher mit uns herumtragen.

Fangen wir mit den Nahrungsfetten an. Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, über welche Substanzen die chronischen Entzündungsprozesse in unserem Körper überhaupt ausgelöst werden. Hauptursache sind sogenannte Zytokine. Dabei handelt es sich um Gewebshormone, die noch vor wenigen Jahren kaum nachzuweisen waren. Bei diesen aus Fettsäuren aufgebauten, die Zellen beeinflussenden Stoffen unterscheidet man zwischen proinflammatorischen (entzündungsfördernden) und antiinflammatorischen (entzündungshemmenden) Zytokinen. Nach allem, was wir bereits besprochen haben, ist auch klar, wer in diesem Spiel die »good guys« und die »bad guys« sind:

 Proinflammatorische Zytokine fördern chronisch niederschwellige Entzündungsprozesse. Sie lassen uns alt und krank werden.

 Antiinflammatorische Zytokine hemmen diese Entzündungsprozesse. Sie sind die Schutzfaktoren im Kampf gegen das biologische Altern.

Gute Fettsäuren und nicht so gute …

Gebildet werden die Zytokine aus Fettsäuren. Gesättigte und einfach ungesättigte Omega-6-Fettsäuren produzieren hauptsächlich proinflammatorische Zytokine. Aus den mehrfach ungesättigten und Omega-3-Fettsäuren entstehen die schützenden antiinflammatorischen Zytokine. Womit auch bereits schlüssig erklärt ist, warum es »gute« und »schlechte« Fette gibt. Über die Art von Fetten, die wir mit der Nahrung zuführen, haben wir es also in der Hand, das »inflammatorische Milieu« in unserem Körper selbst zu steuern. Führen wir überwiegend Omega-6-Fettsäuren zu, die vor allem in Margarinen und tierischen Fetten enthalten sind, so fördern wir Entzündungen. Überwiegen in der Nahrung die Omega-3-Fettsäuren, die hauptsächlich in Fischöl sowie in einigen kalt gepressten Pflanzenölen enthalten sind, so dominieren die antiinflammatorischen Effekte.

Wichtig ist daher das Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis. Es sollte höchstens 4 : 1 betragen. In vielen westlichen Ländern liegen die Werte aber bei 15 : 1 oder sogar darüber. In Japan dagegen, wo traditionell sehr viel Fisch gegessen wird, verschiebt sich das Verhältnis zugunsten der Omega-3-Fettsäuren. Viele Forscher sehen darin einen entscheidenden Grund, dass Japan die höchste Lebenserwartung der Welt aufweist.

Körperfett als »Brandstifter«

Eine weitere wichtige Rolle für die Entstehung chronisch entzündlicher Prozesse spielt das Körperfett. Früher einmal galt Fettgewebe als reines Speicherdepot für übermäßig zugeführte Kalorien. Wir wissen inzwischen, dass Fettgewebe ein hochaktives endokrines, also hormonproduzierendes Organ ist. Vor allem produziert es reichlich proinflammatorische Zytokine wie Interleukin-6 (IL-6) oder Tumornekrosefaktor Alpha (TNF-alpha). Wer übergewichtig ist, trägt also einen permanenten Entzündungsherd in sich. Das begünstigt Krankheiten und verkürzt die Lebenserwartung – was sich schnell belegen lässt, wenn man sich die Gesundheit und Lebenserwartung stark übergewichtiger Personen anschaut.

Eine besondere Quelle proinflammatorischer Zytokine stellt das Bauchfett dar, die charakteristische Fettansammlung beim (meist männlichen) Apfel-Typ. Wobei das innerhalb des Bauchraumes gelegene (intraperitoneale) Fett noch sehr viel gefährlicher ist als das reine Unterhautfettgewebe. Deutlich weniger problematisch ist dagegen das Fett im Bereich von Po, Hüften und Oberschenkeln, wie es häufiger bei Frauen anzutreffen ist (Birnen-Typ). Hier handelt es sich tatsächlich um reines Speicherfett, das der Körper vorsorglich vor allem für Schwangerschaft und Stillzeit anlegt. Es ist eher ein ästhetisches Ärgernis, die gesundheitlichen Auswirkungen sind bei diesem »Fortpflanzungsfett« dagegen gering.

Wie messen?

Es gibt einen herausragenden und auch einfach zu bestimmenden Laborwert für entzündliche Prozesse, das C-reaktive Protein (CRP). Für den Nachweis niederschwelliger Entzündungsprozesse sollte es in seiner hochsensitiven Form (hs-CRP) bestimmt werden.

 Normalwerte hs-CRP: <0,5 mg / dl

Spezialisierte Labore können inzwischen auch die wichtigsten proinflammatorischen Zytokine direkt nachweisen. Dies sind:

 Interleukin-6

 Tumornekrosefaktor alpha

 Interleukin-9

Sehr hilfreich, um die Ernährungssituation zu beurteilen:

 Omega-6 zu Omega-3. Idealwert: 4 : 1

Wie therapieren?

Als Erstes gilt es, chronische Entzündungsherde im Körper zu identifizieren und zu sanieren. Hierzu empfiehlt sich ein Besuch beim Zahnarzt mit einer professionellen Zahnreinigung und gegebenenfalls einer entsprechenden Parodontitisbehandlung. Chronische Entzündungsherde im Bereich der Stirnhöhlen, der Nasennebenhöhlen oder des Mittelohrs machen einen Termin beim HNO-Arzt nötig. Auch die Prostata neigt gelegentlich zu chronischen Entzündungen. Hier werden Männer nicht darum herumkommen, zur Abklärung einen Urologen aufzusuchen.

Antientzündlich essen

Sehr viele der sekundären Pflanzeninhaltsstoffe (siehe >) haben neben ihrer antioxidativen auch eine antiinflammatorische Wirkung. »Five a day« – fünfmal täglich eine Portion Gemüse oder Obst hilft also nicht nur, die oxidative Belastung zu minimieren. Es unterdrückt auch inflammatorische Prozesse. Die stärkste antiinflammatorische Wirkung geht aber zweifellos von den Omega-3-Fettsäuren aus, die in optimal für uns verwertbarer Form und nennenswerter Menge nur in Meeresfischen enthalten sind. »Mehr Fisch auf den Tisch« ist definitiv eine Anti-Aging-Maßnahme. Wobei es vor allem die fettreichen Kaltwasserfische wie Hering, Makrele, Lachs oder Thunfisch sind, die reichlich Omega-3-Fettsäuren enthalten.

Letztlich zeigt aber die Erfahrung, dass nur wenige Menschen tatsächlich zwei- bis dreimal pro Woche fetten Seefisch essen. In diesem Fall sind Omega-3-Supplemente eine gute Alternative. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 1000 bis 2000 mg.

Medikamente gegen chronisch niederschwellige Entzündungen

Die effektivste Maßnahme besteht hier in der Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS), bekannt zum Beispiel als Aspirin®. ASS ist eines der ältesten und erfolgreichsten Medikamente der Welt. Seit mehr als 100 Jahren wird es gegen Fieber und Schmerzen eingesetzt. Erstaunlich ist dabei vor allem die Tatsache, dass ständig neue Indikationen für den Einsatz von ASS hinzukommen. So nehmen zum Beispiel Millionen von Menschen, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, Aspirin zur Blutverdünnung und damit zur Vorbeugung weiterer Herzinfarkte. Mehrere Studien zeigen darüber hinaus, dass ASS offenbar auch vor Darmkrebs schützt.

Was macht ASS nun zu einer solchen »medizinischen Allzweckwaffe«? Es ist seine Fähigkeit, Entzündungen zu hemmen. Da chronisch entzündliche Prozesse für eine derartige Vielfalt an Erkrankungen verantwortlich sind, ist es mehr als einleuchtend, dass ein antientzündliches Medikament eine so umfassende präventive Wirkung entfaltet. Inzwischen ist ASS das wohl gebräuchlichste Anti-Aging-Präparat im pharmakologischen Bereich.

Aber wie sieht es mit den Nebenwirkungen aus? Löst ASS nicht Magen-Darm-Blutungen aus? Das kann es in der Tat. Allerdings ist diese Nebenwirkung dosisabhängig. Bei der üblichen Schmerzbehandlung wird ASS in einer Dosierung von 500 mg bis zu viermal täglich gegeben. Dies kann für den Magen durchaus problematisch werden. Im Bereich der Prävention und der Anti-Aging-Medizin liegt die empfohlene Tagesdosis bei 70 bis 100 mg. Ein derartiges »Baby-Aspirin« wird fast immer problemlos vertragen.

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