Читать книгу 15 Jahre länger leben - Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk - Страница 15
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WARUM EUNUCHEN LÄNGER LEBEN
Weibliche Geschlechtshormone sind echte Anti-Aging-Wirkstoffe. Bei den Androgenen ist nicht ganz so eindeutig, ob sie Männern neben mehr Lebensqualität auch mehr Lebensjahre schenken.
GESÜNDER »OHNE«?
Jeder Veterinärmediziner wird es Ihnen bestätigen: Ein Ochse (ein kastrierter Bulle) lebt länger als ein Stier, ein Kapaun (ein kastrierter Hahn) länger als der stolze Gockel. Wenn Sie Ihren Kater oder Rüden frühzeitig kastrieren lassen, berauben Sie ihn zwar manch schöner Erfahrung, schenken ihm aber ein bis zwei Jahre zusätzliche Lebenszeit.
Das Ganze hat wieder einmal mit Fortpflanzungsstrategien zu tun. Androgene optimieren Gesundheit und Fitness im Hinblick auf die Fortpflanzung. Doch das »biologische Investment« erbringt nicht unbedingt eine hohe Dividende für das Alter. So erhöht Testosteron zum Beispiel die Aggressivität. Um Weibchen zu erobern und Rivalen zu vertreiben, ist das durchaus nützlich. Allerdings fordern ständige »Hahnenkämpfe« auch ihren Tribut. Alphamännchen zu sein ist ein Stressjob.
»Alphamänner« sterben oft früher
Auch bei der Gattung Homo sapiens sehen wir, dass aggressives und autoaggressives Verhalten bei den Hodenträgern deutlich ausgeprägter sind als bei den weiblichen Vertretern der Spezies. Das erhöht nicht unbedingt die Lebenserwartung. Todesfälle durch Gewalttaten, Sport- und Verkehrsunfälle schlagen bei Männern deutlich höher zu Buche als bei Frauen. Sogar die Selbstmordrate ist beim männlichen Geschlecht dreimal so hoch. Sollte man deshalb die Kastration als lebensverlängernde Maßnahme empfehlen? Die Studienlage lässt eine solche Empfehlung nicht unbedingt zu. Vor allen Dingen deshalb, weil es hierzu keine sogenannten Humanstudien gibt. Kastrationen von Männern zu reinen Untersuchungszwecken werden wohl kaum den Weg durch die Ethikkommission schaffen. Freiwillige melden sich für solche Selbstversuche auch nicht.
Geschlossene Gesellschaft
Trotz alledem gibt es hierzu wissenschaftliche Publikationen. Im Jahr 2012 wurde in dem Fachjournal »Current Biology« eine umfangreiche Arbeit mit dem Titel »The lifespan of Korean eunuches« veröffentlicht. Untersucht wurde dabei die Lebensspanne von 81 koreanischen Eunuchen, die im 18. Jahrhundert am dortigen Königshof beschäftigt waren. Die »geschlossene Gesellschaft« des Königshofes bot für eine vergleichende Untersuchung hervorragende Voraussetzungen, da die anderen männlichen Angestellten unter sehr ähnlichen Bedingungen lebten. Das Ergebnis war spektakulär: Die Eunuchen lebten im Schnitt zwölf Jahre länger. Das war sogar der Bild-Zeitung eine Schlagzeile wert, doch auch das führte nicht dazu, dass die Kastration zur populären Anti-Aging-Therapie wurde. Schließlich geht es beim Anti-Aging ja darum, nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität zu erhöhen.