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2. Vorsorge, Entschädigung, Hilfe und Förderung
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In diese klassische Dreiteilung ließen sich neuere Sozialrechtsgesetze nicht einfügen. Das betrifft namentlich den Familienlastenausgleich, das Wohngeldrecht und die Ausbildungsförderung. Von den neueren Systematiken hat vor allem die von Zacher[2] vorgeschlagene Einteilung Bedeutung erlangt. Zacher unterscheidet zwischen Vorsorgesystemen, Entschädigungssystemen und Ausgleichssystemen; Ausgleich erfolgt durch Hilfe und Förderung, deshalb werden statt des Begriffs Ausgleich inzwischen diese Begriffe verwendet[3]. Im Vordergrund dieser Systematik steht die Funktion der jeweiligen Sozialleistung.
a) Die Kategorie der sozialen Vorsorge deckt sich im Wesentlichen mit der Kategorie der Sozialversicherung nach dem klassischen Schema. Soziale Vorsorgesysteme zielen darauf ab, einen abgegrenzten Kreis von Personen insbesondere gegen die Einkommensausfälle und Aufwendungen auf Grund typischer sozialer Risiken (Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Alter, Invalidität, Tod Unterhaltspflichtiger, Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit) abzusichern. Die kollektive Vorsorge beruht dabei im Wesentlichen auf den Beiträgen der Versicherten.
b) Die soziale Entschädigung dient der Sicherung gegen schädigende Ereignisse, gegen die eine Vorsorge nicht möglich oder nicht tunlich ist, und die im Verantwortungsbereich der Allgemeinheit liegen (wie zB Krieg, Katastrophen, lebensrettendes Eintreten für andere). Hierher gehört das Recht der Kriegsopferversorgung, die Entschädigung für Impfschäden und der Opfer von Gewalttaten, die Entschädigungstatbestände der sog. unechten Unfallversicherung (Rn 278, 291 ff) oder das Recht der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts.
c) Die Kategorie der Ausgleichsleistungen (Hilfe und Förderung) passt für Leistungen, die auf den Ausgleich besonderer Belastungen oder besonderer Leistungsschwächen gerichtet sind (zB Wohngeld). Im Hinblick auf Entfaltungshilfen zur Herstellung von Chancengleichheit wie die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder die Förderung von Ausbildung und Weiterbildung nach dem SGB III passt sie dagegen nicht so gut, wenn man auch davon sprechen kann, dass etwa durch Berufsausbildungsförderung der Mangel an Mitteln zur Finanzierung einer bestimmten Ausbildung ausgeglichen wird. Heute wird diese Kategorie mit den Begriffen der sozialen Hilfe und der sozialen Förderung präziser erfasst. Sozialer Ausgleich durch Hilfe und Förderung bezweckt die Gewährleistung einer menschenwürdigen sozialen Existenz oder die Angleichung der sozialen Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen an seine Bedürfnisse, insbesondere an gesellschaftlich „normale“ oder sonstwie erwünschte Standards. Hierzu gehören als besondere Hilfs- und Förderungssysteme das Recht der Ausbildungs- und Berufsförderung, das Wohngeldrecht, das Kindergeldrecht[4] und das Recht der Jugendhilfe. Das allgemeine (subsidiäre) Hilfs- und Förderungssystem wird durch das Sozialhilferecht und die Grundsicherung für Arbeitsuchende verkörpert. Die Entfaltungshilfen mit dem Ziel größerer Chancengleichheit unterfallen dabei dem Aspekt der sozialen Förderung, das Basissystem der Sozialhilfe dem Aspekt der Hilfe.
Dem Sprachgebrauch in Rechtsprechung und Schrifttum liegt die eine oder die andere Strukturierung zu Grunde. Dieses Lehrbuch folgt der auf Zacher zurückgehenden Einteilung in Vorsorge, Entschädigung, Hilfe und Förderung.
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Zusammenfassende Übersicht:
2. Teil Bedeutung, System und internationale Dimension des Sozialrechts › § 5 Systemstrukturen des Sozialrechts › II. Weitere strukturgebende Gesichtspunkte