Читать книгу Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46 - Rainer Huhle - Страница 18
Die Schwierigkeiten mit dem Tatbestand „Verschwörung“
ОглавлениеFür diese Beweisführung waren allerdings die tatsächlich in Nürnberg vor Gericht stehenden Angeklagten nur bedingt geeignet. Sind sie wirklich die Anstifter und Rädelsführer, die Europa mit gewalttätiger Rechtlosigkeit überzogen haben?88 “Conspiracy” war erst im Frühjahr 1945 auf die Tagesordnung gekommen. Im erwähnten Memorandum vom 22. Januar 1945 wurde Präsident Roosevelt für die Jalta-Konferenz als Anklagepunkt die Beteiligung und Durchführung der Angeklagten an einem verbrecherischen Gesamtplan von Anfang an empfohlen. Vor allem die Franzosen wandten sich auf der Londoner Konferenz aber zunächst entschieden gegen dieses ihrer Rechtsordnung fremde Konzept.89 Nach heftigem Streit einigte man sich aber dennoch auf die Formulierung des Art. 6 des IMT-Statuts, die „Verschwörung“ zwar nicht als eigenen Anklagepunkt bzw. Straftatbestand aufführt, aber doch als Nachsatz zu den drei materiellen Anklagepunkten:90
„Anführer, Organisatoren, Anstifter und Teilnehmer, die am Entwurf oder der Ausführung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschwörung zur Begehung eines der vorgenannten Verbrechen teilgenommen haben, sind für alle Handlungen verantwortlich, die von irgendeiner Person in Ausführung eines solchen Planes begangen worden sind.“
“Conspiracy” bildete für Jackson die notwendige Klammer zwischen allen Angeklagten als „Nazi-Verschwörern“ und den einzelnen Personen, die mehr oder eben auch weniger mit dem Angriffskrieg zu tun hatten. Die Bedeutung des Begriffs war mehrschichtig. Zum einen sah man anfangs darin eine Möglichkeit, die Verbrechen der Nazis gegen die eigene Bevölkerung auch vor dem Krieg als Teil der Verschwörung mit zu erfassen. Zum andern schien der Punkt auch wichtig für die Anklage der NS-Organisationen als verschwörerischen kriminellen Vereinigungen für die Durchführung der NS-Verbrechen. Schon in London zeichnete sich allerdings ab, dass der Verschwörungsvorwurf nur auf das Verbrechen gegen den Frieden angewendet würde. Nach Jacksons emphatischer Betonung des Verschwörungstatbestands in seiner Eröffnungsrede verlor das Konzept, auch wegen des Desinteresses der übrigen Ankläger, immer mehr an Bedeutung und spielt auch im Urteil eine untergeordnete Rolle. Obwohl alle Angeklagten auch der Verschwörung beschuldigt wurden, verurteilte das Gericht am Ende nur acht der 21 Angeklagten deswegen.91