Читать книгу Helenas Vermächtnis - Rainer Keip - Страница 26

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6.


Die Tage vergingen, ohne dass irgendetwas Besonderes passierte. Arminius hatte zusammen mit Quintus ein neues Katana für Diana geschmiedet, da ihre alte Waffe auf dem Grund des Tibers lag. Aufgrund ihrer Erfahrungen während ihres ersten Aufenthaltes hatte sie ihn gebeten, ein Wakizashi, ein Kurzschwert, anzufertigen, welches in der Form dem Katana glich, jedoch in der Klinge um einiges kürzer war, sodass sie jetzt mit der typischen Bewaffnung der Samurai ausgestattet war. Zudem besaß sie wieder fünf Wurfsterne, die sie an ihrer Rüstung mit einem Lederband befestigt hatte. Aus dem Fundus der Legion hatte sie sich mit einer Lederrüstung ausstaffiert, über die sie eine geschuppte leichte Brünne trug und ein langer, weiter Rock aus schwarzgefärbter Baumwolle vervollständigte ihre Kleidung.

Helenas Abreise nach Rom mit dem gesamten Hofstaat stand bevor und langsam musste sie sich wieder in Form bringen. Dianas Rang als COMES DOMESTICORUM hatte ihr das Kommando über Helenas persönliche Leibwache eingebracht, die aus einhundert ausgesuchten Soldaten bestand und mit denen sie ein tägliches Konditions- und Waffentraining durchführte.

Am ersten Tag, als Helena ihnen ihre neue Vorgesetzte vorstellte, nahmen die Elitesoldaten sie nicht sonderlich ernst und als Diana ihnen befahl, nur mit einer Tunika und festem Schuhwerk auf dem Exerzierplatz zu erscheinen, stahl sich den meisten ein Grinsen ins Gesicht. Aber nachdem sie die Umgebung von Augusta Treverorum bei einem Fünfzehn-Kilometer-Lauf kennenlernen durften, verging ihnen das Lachen, zumal Diana vorneweg lief und das erweiterte Zirkeltraining selbst anführte. Danach gab sie ihnen eine halbe Stunde Zeit, sich in ihre Rüstungen zu zwängen und bestellte sie zum Appell.

Das, was sie sah, erfüllte sie allerdings mit Befriedigung. Man konnte merken, dass es sich hier um eine Elitetruppe handelte, die lediglich ein bisschen Kalk in den Knochen angesetzt hatte.

„Ich hoffe, euch hat unser morgendlicher Spaziergang etwas Spaß bereitet“, sagte sie mit einem spöttischen Grinsen auf den Lippen. „Als Erstes werden wir die Lorica Segmentata gegen eine Lederrüstung eintauschen und ihr erhaltet ein Kettenhemd, so wie ich es trage. Dies hat den Vorteil der Beweglichkeit, auf die ich sehr viel Wert legen werde. Auch die üblichen genagelten Sandalen sind ab heute für euch passé. Ihr werdet nur noch bequeme Stiefel tragen, die für einen festen Stand sorgen. Weiterhin werdet ihr in den nächsten Tagen eine völlig andere Kampftaktik lernen, als ihr sie bisher gewohnt seid. Das Bilden des Schildkrötenpanzers und ähnliche Verteidigungen überlassen wir den Legionssoldaten. Ihr seid eine Elitetruppe, die wendig, schlagkräftig und flexibel reagieren soll. An euren Waffen will ich nichts ändern, da ihr diese gewohnt seid zu führen. Aber ich werde euch neue Kampftechniken und taktisches Verhalten beibringen, die euch von allen Elitetruppen des Reiches abheben wird. Du da, wie ist dein Name?“

„Annius, Herrin.“

„Du greifst dir jetzt ein Übungsschwert und attackierst mich.“

Der Mann griff sich einen hölzernen Gladius und schaute verdutzt zu Diana, die ihm waffenlos entgegentrat und er zögerte, sie anzugreifen.

„Nun mach schon. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, rief sie ihm entgegen.

Mit einer wirbelnden Attacke stürmte er auf Diana zu, die seinen Schlägen geschickt auswich. Als sie eine Lücke in seinem Schlaghagel erkannte, rammte sie ihm ihren Ellenbogen gegen die Schläfe und setzte ihn mit zwei weiteren Pressurschlägen auf den Hals außer Gefecht. Der Mann fiel wie ein Klotz um und rang auf dem Boden nach Luft, während Diana ihm gelassen das Schwert aus seiner kraftlosen Hand nahm.

„Das, meine Herren, verstehe ich unter Nahkampf“, rief sie und half dem Soldaten wieder auf die Beine. „Alles gut?“, raunte sie ihm dabei unhörbar für die anderen zu und er nickte mit einem gequälten Lächeln.

„Und das werde ich versuchen, euch in der nächsten Zeit beizubringen, jedenfalls in den Grundzügen. Wir werden ab heute jeden Morgen das Training von heute wiederholen, sodass ihr für eure Aufgaben gewappnet seid“, wandte sie sich wieder den Männern zu, die dem Ganzen fassungslos gefolgt waren.

„Für heute soll es erst einmal reichen. Ab morgen werden wir mit dem richtigen Training beginnen.“

*


Crispus stand auf einem Balkon des kaiserlichen Palastes und schaute den Legionären zu, die unter den Anweisungen der Centurionen ihre Übungen verrichteten. In einer Ecke des großen Übungsplatzes erblickte er eine Gruppe von Soldaten, deren Training sich völlig von denen der anderen Gruppen unterschied.

Er erkannte die Standarte der Leibwache Helenas und sein Blick schweifte weiter auf eine Person, welche die Aktivitäten der Männer genau beobachtete und ihnen hin und wieder Kommandos zurief. Er war insofern erstaunt darüber, dass der Kommandeur der Garde wohl eine Frau war und wurde neugierig. Crispus begab sich auf den Übungsplatz, um sich das Ganze aus der Nähe anzuschauen.

„Servilius, mehr in die Knie gehen, wenn du deinen Angreifer schultern willst. Auf die Schläfe Tullius, nicht auf den Wangenknochen. Ich zeige es euch noch einmal. Ihr beiden. Greift an.“

Crispus sah, wie die beiden Männer die Frau attackierten und sich einen Augenblick später im Staub des Platzes wiederfanden.

„Es ist ganz einfach: Immer den Schwung des Angreifers zur eigenen Attacke nutzen“, rief sie und schüttelte sich den Staub von ihrer Lederrüstung, während ihre Männer mit ihren Übungen fortfuhren. Crispus schaute in das Profil der Frau, die ihm seltsam bekannt vorkam. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und genauso plötzlich fielen ihm die Worte Faustas ein, die ihn in ein Wechselbad der Gefühle tauchten. Dieser Frau hatte er sein Leben zu verdanken, aber ihr Auftauchen stellte ein wirkliches Problem für seine Pläne dar.

„Ich grüße dich Crispus. Wir haben uns lange nicht gesehen, Herr“, lächelte sie ihm zu.

Sie hat sich nicht verändert, dachte er erstaunt bei sich und rief seine Erinnerung an Diana ab.

„Diana. Du bist es wirklich“, sagte er leise und umarmte sie. „Und lass das blöde ‚Herr‘ weg. Du hast mein Leben gerettet und dafür bin ich dir ewig dankbar. Unter Freunden gibt es keine Herren.“

Diana musterte Crispus, der sich zu einem stattlichen Mann entwickelt hatte. Aber sie begegnete ihm mit Vorsicht. Die Tatsache, dass er sie so herzlich begrüßt hatte, bedeutete nicht, dass er ihr vertrauen konnte. Es hatte schon so viele Judasküsse in der Geschichte gegeben und daher war sie auf der Hut.

„Dein Vater setzt große Hoffnungen in dich und deine Erfolge in der Schlacht können sich sehen lassen“, sagte sie, „aber ich wähnte dich bei ihm in Macedonia.“

„Von dort komme ich auch. Vater hat mich abkommandiert, um die Schiffe zu begleiten, die Helena und Fausta nach Rom bringen sollen. Die Überfahrt sollte eigentlich problemlos verlaufen, aber ganz ungefährlich ist sie dennoch nicht.“

„Helena hat kein Wort davon erwähnt, dass sie per Schiff nach Rom reisen wird“, antwortete Diana erstaunt.

„Das wusste sie auch nicht, aber Vater meinte, der Landweg wäre für eine Frau ihres Alters etwas beschwerlich. Ich weiß, damals seid ihr auch über die Alpen gezogen aber ...“

„... sie wird nicht jünger, obwohl sie auf mich immer noch einen unverwüstlichen Eindruck macht“, ergänzte Diana mit einem Grinsen den angefangenen Satz von Crispus.

Er nickte und musste gleichsam grinsen. „Die alte Dame war nicht besonders begeistert, da sie die Seefahrt hasst. Aber letztendlich hat sie zugestimmt. Und wie ich gehört habe, wirst du sie begleiten.“

„Ja, als Kommandeur ihrer Leibwache. Sie hat mich wieder in meinen alten Rang versetzt und nach unserer Ankunft habe ich vor, direkt zu Constantin zu reisen.“

„So lautet auch mein Befehl. Vater wird staunen, dich wiederzusehen. Aber sag, wo hast du dich all die Jahre herumgetrieben?“

Sie erzählte ihm die Geschichte, die sie Fausta ebenfalls aufgetischt hatte, da er mit Sicherheit mit ihr in Kontakt stand.

„Davon hat er mir nie erzählt. Er hat immer behauptet, du seist im Kampf gegen Maxentius ums Leben gekommen.“

„Das war so abgesprochen. Ich habe eine weite Reise unternommen und war lange Zeit am Hofe des Kaisers im Reich der Serer, einem Mann namens Shi, in dessen Beraterstab.“

„Dann sprichst du diese Sprache?“, fragte er verwundert und Diana bejaht seine Frage in reinstem Mandarin. Er schaute sie verdutzt an und brach in schallendes Gelächter aus.

„Das soll eine Sprache sein?“, fragte er belustigt.

„Eine Uralte sogar, genau wie die Kultur, der sie angehört. Das Reich des Shi steht dem der Römer in Nichts nach und ich habe wundersame Dinge gesehen und kennengelernt.“

Sie dankte innerlich für die ausführliche Schulung durch Doktor Esters, der ihr nicht nur die spätrömische Geschichte, sondern auch die der anderen Hochkulturen dieser Zeit nahegebracht hatte.

„Und wie ich sehe, wendest du nun deine neuen Erkenntnisse an der Garde an.“

„Ja. Es sind die Grundzüge, die jeder Soldat dort von der Pike auf erlernt“, gab sie ausweichend zu. Sie nahm sich vor, ihre Truppen von nun an außerhalb der Reichweite des Hofes auszubilden, da ansonsten der Überraschungseffekt verpuffen würde.

„Nun gut. Ich habe mich gefreut, dich wiederzusehen und ich hoffe, dass du deine Sangeskunst in all den Jahren nicht verloren hast. Dein Lied von damals habe ich immer noch in meinem Kopf.“

Diana lachte. „Wir werden, wie ich hoffe, noch genug Zeit zusammen verbringen“, sagte sie und Crispus verabschiedete sich. Diana schaute ihm noch lange nachdenklich nach, ehe er in einem der Eingänge des Palastes verschwand.

Sie mochte Crispus Caesar und daher bedauerte sie die Vorherbestimmung des Schicksals des jungen Mannes, welches ihn in nicht allzuferner Zukunft beschieden sein würde.

Die Historiker waren sich über die Person des Crispus und dessen für ihn verhängnisvoller Rolle in der Geschichte nie einig gewesen. Die einen waren der Ansicht, dass er von Fausta in der Art denunziert worden war, sodass er sie daraufhin sexuell bedrängt hatte und Constantin an ihm ein Exempel statuieren musste. Auf Ehebruch stand zu dieser Zeit der Tod, von dem lediglich Schankmädchen ausgenommen waren. Dies, so vermuteten die Historiker, deshalb, weil Helena eine gewöhnliche Schankmagd gewesen sein soll und ihr Sohn sie praktisch von ihren Sünden reinwaschen wollte. Die andere Version war die, dass Crispus den Thron seines Vaters usurpieren wollte, bevor ihm einer seiner legitimen Halbbrüder zuvorkommen würde.

Nachdem, was sie von Helena erfahren hatte und ihren eigenen, hier gewonnenen Erkenntnissen traf wohl eher die zweite Version zu. Fausta war fast doppelt so alt wie er und sie hatte dafür gesorgt, dass in der Person Helena der Jüngeren eine ihrer Schachfiguren an seiner Seite stand. Aber das waren nicht ihre Probleme, von denen sie wusste, dass sie sich in zwei Jahren von selbst erledigen würden, jedoch musste sie weiter auf der Hut sein.

In den folgenden acht Tagen widmete sie sich weiter dem Drill der ihr untergebenen Soldaten und ihre Arbeit begann, Früchte zu tragen.

Der anfänglichen Skepsis gegenüber ihrem Training wich allmählich einer Art Begeisterung bei ihren Schützlingen, weil sie ihnen völlig neue Taktiken in der Kriegsführung einbläute und von den starren Formationen gänzlich abwich. Allmählich fühlte sich jeder als eine Art Einzelkämpfer mit gleichzeitiger Bindung an seine Kameraden. Diana stärkte ihr Selbstbewusstsein, etwas Besonderes zu sein und so diszipliniert verhielten sie sich auch.

Helenas Vermächtnis

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