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2.


München Pullach, Außenstelle des MAD, Gegenwart

„Eine außergewöhnliche Frau“, murmelte der Mann im schwarzen Anzug, der auf Blankenstein den Eindruck eines „Man in Black“ machte und ihm in einem schweren Ledersessel gegenübersaß. „Sie haben hinsichtlich der Fähigkeiten von Frau Lenz nicht übertrieben“, stellte er nüchtern fest.

„Wir haben unser Bestes getan, um Diana Lenz auf diesen Stand zu bringen.“

„Ihr Arzt, Doktor Rech?“

„Hat nicht bemerkt, dass er Frau Lenz anstatt eines Sedativum Ihr Mittel verabreicht hat. Monika, seine Sprechstundenhilfe, steht auf unserer Gehaltsliste, aber ich habe sie nicht darüber unterrichtet, was der Doc Frau Lenz verabreicht hat. Das wissen nur Sie, ich und wahrscheinlich ein ausgewählter Kreis derer, die mit Ihnen zusammenarbeiten.“

„Und dabei soll es auch bleiben“, lächelte der Mann in Schwarz.

„Wir haben es tatsächlich geschafft“, sagte General Blankenstein und steckte sich eine Lucky Strike an.

„Wir hatten ja auch eine extrem lange Vorlaufzeit. Manchmal frage ich mich wirklich, ob es nicht doch irgend so etwas wie eine Vorsehung gibt“, sinnierte sein Gegenüber.

„Sie haben mir zwar damals, als wir das Projekt in Angriff genommen haben, einen groben Überblick verschafft, aber den genauen Inhalt des Kodex haben Sie mir nicht verraten.“

„Oh, dass hätte ich fast vergessen“, antwortete der Mann in Schwarz und griff in die Innentasche seines Jacketts. Er holte ein DIN-A4-Blatt heraus und reichte es Blankenstein.

„Wenn Eissing damals nicht die Grabung in Nag Hammadi durchgeführt hätte, wäre die ganze Geschichte trotz allem passiert oder ist das nur geschehen, weil wir in den Strom der Zeit eingegriffen haben? Das meinte ich mit meiner Bemerkung bezüglich der Vorsehung.“

Blankenstein nahm das Blatt Papier an sich und legte es vor sich auf seinen Schreibtisch.

„Wir wissen es nicht und werden es auch nie erfahren. Gott sei Dank konnten wir aufgrund der fortgeschrittenen Technik auf Nummer sicher gehen. Was haben sie nun mit Frau Lenz vor? Soll sie weitere Aufgaben übernehmen?“

„Wir haben die einmalige Chance, uns einen genauen Überblick über unsere Vergangenheit zu verschaffen. Es wäre fahrlässig, wenn wir nicht die Möglichkeit nutzen, die geschichtlichen Abläufe zu beobachten und notfalls darauf einwirken. Sicher birgt das die Gefahr eines Zeitparadoxons, aber Frau Lenz hat eindrucksvoll bewiesen, dass sie damit verantwortungsvoll umgehen kann. Aus ihren Gedanken haben wir viele Glücksmomente empfangen und sie hat es anscheinend richtig bedauert, dass sie die Welt Constantins verlassen musste. Ich glaube fast, dass sie gar nicht wieder zurück wollte.“

Blankenstein hatte da so seine Zweifel und sah sein Gegenüber skeptisch an, der sich nun von seinem Platz erhob.

„Das Experiment ist auf jeden Fall zunächst erfolgreich verlaufen. Aber sicher kann man nie sein. Das wird die Zukunft entscheiden.“

Blankenstein dachte zurück an das erste Treffen mit ihm, das sehr lange zurücklag, genauer gesagt: fast fünfundzwanzig Jahre. Damals bekleidete er den Rang eines Polizeirats bei der Münchener Kriminalpolizei, als eines Tages ein Mann in seinem Büro erschien und ihm das Dossier einer jungen Frau vorlegte.

„Mein Name ist Heinz Müller“, stellte er sich Blankenstein vor, der natürlich genau wusste, dass das niemals sein richtiger Name war. Gleichzeitig mit dem Dossier reichte er ihm seinen Ausweis, der ihn als Angehörigen des MAD auswies.

„Ich möchte ohne große Umschweife direkt zur Sache kommen. Das Dossier, das Sie in den Händen halten, stammt von Diana Lenz. Sie ist die Schwester von Oberstleutnant Georg Lenz, der ebenfalls in unseren Diensten steht. Frau Lenz ist gerade in den Polizeidienst eingetreten, und ich möchte, dass Sie ihr in zwei Jahren ein Angebot unterbreiten, in die Dienste des MAD zu treten.“

Blankenstein hatte den Mann verwundert angeschaut.

„Und warum sollte ich das tun?“

„Weil diese Frau unser aller Leben in ihren Händen hält.“

Verständnislos starrte Blankenstein ihn an.

„Im Jahr 1972 wurde eine archäologische Grabung von der Freien Universität Berlin in Ägypten finanziert, genauer gesagt: bei einem Ort namens Nag Hammadi, die unter der Leitung von Professor Harald Eissing stand und sich mit der Ausgrabung einer frühchristlichen Kirche befasste. Als man die Fundamente des Gebäudes freilegte, fand man einen kleinen Tonkrug, der sich unter dem damaligen Boden des Gebäudes befand, sozusagen eine Art Grundstein. Und in diesem Krug fand Eissing ein Pergament, dessen Text so brisant war, dass er ihn sofort persönlich nach Deutschland brachte, ohne jemanden über dessen Inhalt in Kenntnis zu setzen. Dieser Text stammte eigenhändig von Julia Helena, der Mutter Kaisers Constantins des Großen, von der wir wissen, dass sie in ihren späten Jahren die heiligen Stätten in Jerusalem besucht hat. Scheinbar hat sie sich ebenfalls in Ägypten aufgehalten, da auf ihr Wirken hin diese Basilika errichtet wurde. Der Inhalt dieses Textes besagt, dass Helena die Kapelle einer Frau gewidmet hat, die ihr einmal sehr nahegestanden hat. Der Name der Frau war Diana Lenz und in dem Text wird beschrieben, dass sie aus der Zukunft stammte und zwar aus dem Jahre 2770, römischer Zeitrechnung versteht sich. Das entspricht unserem Jahr 2017. Sie hat wohl an dem großen Feldzug teilgenommen, den Constantin gegen seinen Widersacher Maxentius führte und ihn dabei unterstützt. Das Pergament geht dabei noch mehr ins Detail, aber Sie können sich vorstellen, welchen Schock Eissing erlitt, als er diese Zeilen gelesen hatte. Eine Fälschung war unmöglich, da der Topf gerade aus den Schuttbergen freigelegt worden und das Siegel unversehrt war.“

„Und die Frau aus ihrem Dossier ist zweifelsfrei ...?“

„Die Diana Lenz, von der Helena in ihrem Pergament berichtet. In dem Dokument wird auch ihr Bruder Georg erwähnt, sodass wir sicher sind, die richtige Person gefunden zu haben. Diana Lenz muss die bestmögliche Ausbildung erhalten und dafür haben sie Zeit bis zum Jahre 2017.“

Blankenstein schwirrte der Kopf. „Aber wie ist sie in diese Epoche gelangt?“, fragte er seinen Besucher.

„Das wissen wir nicht; noch nicht. Aber wir haben noch über zwanzig Jahre Zeit uns mit diesem Phänomen zu beschäftigen“, lächelte er. „Unnötig zu sagen, dass Sie ihr Führungsoffizier im Rang eines Oberst des MAD sein werden.“

*


Zwei Jahre später trat Diana Lenz in die Dienste des MAD und Blankenstein lernte eine junge Frau kennen, deren Ruhe und Ausgeglichenheit ihn vom ersten Augenblick an faszinierte. Im Laufe der Zeit entwickelte sie sich zu seiner besten Agentin und ihm wurde klar, dass nur sie mit der Frau aus dem Pergament gemeint sein konnte.

Die Wissenschaft, gerade auf dem Gebiet der Datentechnik, war inzwischen soweit fortgeschritten das man in der Lage war, Gehirnströme eines Menschen in Bilder umzuwandeln und so war man auf den Tag X vorbereitet. Als Diana Lenz nach der Sitzung mit Dr. Rech in einen katatonischen Zustand gefallen war, hatte man das Experiment gewagt und es erwies sich als voller Erfolg.

Dianas Geist und Körper wurde ständig von Monitoren und Geräten überwacht und man konnte manchmal sogar schemenhaft erkennen, welche Ereignisse sie gerade durchlebte.

Der General widmete sich nun dem Schreiben, das er von Müller bekommen hatte und studierte dessen Inhalt.

Helenas Vermächtnis

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