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3. Buchübergreifende Redaktionen?

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Das Amosbuch ist erkennbar eine in sich geschlossene Größe. Auch seine Entstehungsgeschichte lässt sich als solche schreiben.58 Überliefert ist das Buch allerdings im Rahmen des Zwölfprophetenbuches. Die Forschungen der letzten Jahrzehnte haben zunehmend das Augenmerk auf Elemente gerichtet, die als Teil einer Redaktionsarbeit aufgefasst werden können, welche die einzelnen Schriften der Zwölf überschreitet. Für das Amosbuch kommt dabei der Studie von Aaron Schart über „Neubearbeitungen von Amos im Rahmen schriftenübergreifender Redaktionsprozesse“ – so der Untertitel – eine Pionierrolle zu.59

ÜberschriftenAuffälligstes Merkmal des Strebens nach Zusammenfassung sind die Überschriften. Dabei stehen sich die zu Hosea, Micha und Zefanja besonders nahe, weil sie alle mit „Das Wort Jhwhs, das an [Name des Propheten] erging“ beginnen, gefolgt von einer Datierung nach den Herrschaftszeiten judäischer (und israelitischer) Könige. Die Amos-Überschrift nennt auch den Propheten sowie Namen von Königen, zeigt aber noch eine ältere Form, weil Subjekt nicht „Das Wort Jhwhs“, sondern „Die Worte des Amos“ sind und eine weitere Datierung nach einem Erdbeben erfolgt. Trotz dieser Eigenheit lässt sich von den Überschriften darauf schließen, dass es als Vorstufe zur Sammlung der Zwölf einmal ein Vierprophetenbuch aus Hosea, Amos, Micha und Zefanja gab.

Die These eines Vierprophetenbuches ist so alt wie die Hinwendung zum Zwölfprophetenbuch als Ganzem seit den 1990er-Jahren. Bei James Nogalski und Aaron Schart steht der in ihren Augen deuteronomistische Charakter dieser Sammlung im Vordergrund.60 Eine ausführliche Beschreibung der Sammlung hat Rainer Albertz vorgelegt.61 Weitere Differenzierungen und Präzisierungen erfolgten durch Jakob Wöhrle, Jason Radine und Nicholas Werse, insbesondere in Bezug auf den deuteronomistischen Charakter der Sammlung.62 Allerdings blieb auch heftiger Einspruch nicht aus. Ob man mit Christoph Levin bereits einen exegetischen Nachruf verfassen muss, mag dahingestellt bleiben.63 Als Warnung vor allzu gewissen Thesenbildungen ist dieser Einspruch aber durchaus notwendig.

MotiveNeben den Überschriften finden sich einige Motive, die die vier Bücher schriftenübergreifend verknüpfen. Oben wurde das Exodus-Motiv als eines genannt, das die Amos-Texte zusammenbindet (Am 2,10; 3,1; 9,7). Dieses ist möglicherweise aus Hos 12,10.14; 13,4 übernommen und findet sich in mit den Amosstellen vergleichbarer Formulierung auch in Mi 6,4.64 Das Thema der Umkehr, das im Kehrversgedicht Am 4,6–12 im Mittelpunkt steht, ist so etwas wie ein „Leitthema“ des Zwölfprophetenbuchs.65 Besonders eng sind die Beziehungen ins Hoseabuch, das von Hos 1–3 über Kap. 11 bis zum Umkehrruf in 14,2–9 vom Thema geprägt ist. Der Theophanietext Am 4,13 hat eine wörtliche Paraelle in Mi 1,3. Der sogenannte Nichtigkeitsfluch, der ein wünschenswertes Tun für vergeblich erklärt, verknüpft Hos 4,10; Am 5,11; Mi 6,14–15 und Zef 1,13 miteinander;66 allerdings ist einschränkend zu vermerken, dass sich nur Am 5,11 und Zef 1,13 sprachlich nahestehen, während die Stellen in Hosea und Micha ganz anders formuliert sind. In der Sozialkritik hat jedes Buch der Vier sein eigenes Profil. Angleichungen bewegen sich bereits auf allgemeinerer Ebene – so sprechen sowohl Am 5,14f. als auch Mi 3,1f. von Gut und Böse als ethischen Kategorien und setzen diese mit dem Recht in Beziehung. Zu erwähnen ist auch die Kritik an der Fälschung von Maßen und Gewichten, die Am 8,5 mit Mi 6,10f. verbindet.67

So bemerkenswert motivliche und sprachliche Übereinstimmungen zwischen prophetischen Büchern sind, ihr argumentatives Gewicht wird dadurch eingeschränkt, dass sie meist nicht exklusiv sind, sondern sich auch in Prophetenbüchern außerhalb der Vier oder der Zwölf sowie in anderen biblischen Texten finden.68

Verknüpfungen mit Joel und ObadjaVerlässt man das hypothetische Vierprophetenbuch, fallen redaktionelle Verknüpfungen mit den Nachbarbüchern auf. So findet sich der Satz: „Jhwh – von Zion brüllt er und von Jerusalem erhebt er seine Stimme“ (Am 1,2) wörtlich gleich bereits in Joel 4,16, und das Thema der Umkehr verbindet Am 4,6–12 mit Joel 2,12–13. Der Amosschluss (9,13) enthält einen Satz, der bis auf die Zeitform des Verbs mit Joel 4,18 identisch ist („es triefen die Berge von Most“).69 Das an Amos anschließende Obadja-Büchlein entfaltet breit das Edom-Thema, das im Amosschluss anklingt (Am 9,12).70 Einschränkend ist anzumerken, dass dies nur für die masoretische Abfolge der Bücher gilt, während in der Septuaginta-Tradition Amos von Hosea und Micha gerahmt ist. Im Übrigen muss jeweils im Einzelfall geklärt werden, ob Amos der gebende oder nehmende Teil bei der redaktionellen Arbeit ist.71

Das Ausmaß bewusster redaktioneller Arbeit zur Formung eines Zwölfprophetenbuches bleibt strittig. Die Zwölf zeigen eine sinnvolle Abfolge, und einzelne redaktionelle Verbindungen sind nicht zu leugnen. Doch selbst wenn man eine zu weitgehende redaktionelle Arbeit nicht erkennen kann, bleibt die Möglichkeit, dass die Zwölf als Einheit gelesen wurden, wie John Barton festhält: „To be sure, it is possible that the Twelve were read as a unity, in such a way that people saw coherence and order in them, even if they were not redacted in relation to each other …“72

Amos

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