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Anmerkungen zu Text und Übersetzung
Оглавление1a „Die Worte des Amos“: Durch den Eigennamen wird auch das davor stehende Nomen im status constructus determiniert, also „die Worte“ und nicht „Worte des Amos“.
1b Das zweimalige אשׁר (ʾašær) bezieht sich im ersten Fall eindeutig auf den Namen „Amos“ („der unter den Schafzüchtern … war“). Die zweite Verwendung ist hingegen formal nicht so eindeutig. Auch hier könnte man auf „Amos“ beziehen: „der über Israel schaute / der Visionen über Israel hatte“.1 Aber dann müsste man das Verb „schauen“ ohne direktes Objekt konstruieren, was ganz ungewöhnlich ist (allein Ps 11,4 käme als Analogie in Frage – mit Jhwh als Subjekt –, sonst hat „schauen“ als Verb immer ein direktes Objekt, vgl. Ex 24,11; Num 24,4.16 u. ö.). Besonders deutlich sind verschiedene Überschriften über oder in Prophetenbüchern. Hier ist auch die Vorstellung belegt, dass neben der „Vision“ oder „Schauung“ (Jes 1,1; Ez 12,27) auch das „Wort“ (Jes 2,1; Mi 1,1) oder der „Spruch“ (Jes 13,1; Hab 1,1) Gegenstand des Schauens sein können. Folglich bezieht sich der zweite Relativsatz in Am 1,1 nicht wie der erste auf „Amos“, sondern auf „die Worte des Amos“.
1c „über Israel“: Die Präposition על (ʿal) kann auch mit „gegen“ wiedergegeben werden. Aufgrund der anschließenden synchronen Datierung nach Königen von Juda und Israel muss hier das Nordreich gemeint sein. Die Septuaginta liest „Jerusalem“ statt „Israel“ und gibt damit ihrer gesamten Amosübersetzung eine neue Stoßrichtung. Es geht nicht mehr um das zur Zeit der Übersetzung längst untergegangene Nordreich, sondern um das gegenwärtige Gottesvolk, für das Jerusalem als sein Zentrum steht.2
2a V. 2a (nach wajjōmar) bildet einen zusammengesetzten Nominalsatz.3 Aus diesem Grund habe ich in der Übersetzung das – in der Terminologie der traditionellen Grammatik sogenannte – Subjekt an den Anfang gezogen: „Jhwh (ist es, von dem gilt): von Zion brüllt er ...“ Jhwh ist die bekannte Größe, von der nun im „Prädikat“ des Nominalsatzes Neues ausgesagt wird. Der Gottesname steht betont am Anfang.
2b Die erste Satzhälfte hat Imperfekte, die zweite perfecta consecutiva. Damit ist eine Folge angezeigt.4 Das Imperfekt bezeichnet weder ausschließlich die Vergangenheit (so die Septuaginta) noch ausschließlich die Zukunft (so die Vulgata und in ihrem Gefolge Luther und die Zürcher Bibel), sondern ist überzeitlich zu verstehen und am besten mit dem zeitlosen Präsens wiederzugeben (so NRSV).
2c „Da verdorren die Weideplätze“: Das Hebräische hat zwei homonyme Wurzeln 1אבל (ʾābal) = „trauern“ und 2אבל „vertrocknen, verdorren“. Wegen des Parallelismus mit יבשׁ (jābēš) liegt hier die Bedeutung „vertrocknen“ nahe. Dennoch liegen auch die Septuaginta und die Vulgata nicht falsch, wenn sie mit πενθέω bzw. lugeo = „trauern“ übersetzen.5 Sie wissen, dass das Wort אבל noch einmal in Am 8,8; 9,5 vorkommt, wo es „trauern“ heißt, weil „die Bewohner der Erde“ sein Subjekt sind. Auch diese Wiedergabe hat ihr Recht. Wir stoßen hier zum ersten Mal auf das Phänomen, dass sich im Amosbuch neue Sinndimensionen erschließen, wenn man es „von hinten“ liest.