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Einleitung
ОглавлениеDie neun Kapitel umfassende Amosschrift ist im hebräischen Kanon die dritte des Zwölfprophetenbuches; in der griechischen Übersetzung nimmt sie die zweite Stelle ein. Damit stehen an der Spitze der Zwölfersammlung mit Hosea und Amos zwei Propheten, die ausweislich der Überschriften zur Zeit des israelitischen Königs Jerobeam, des Sohnes Joaschs – in der Geschichtswissenschaft als Jerobeam II. bezeichnet – wirkten, der 786–746 v. Chr. regierte. Beide Propheten sind die einzigen, die sich fast ausschließlich an den Nordstaat Israel richten, der mit der assyrischen Eroberung Samarias 722 v. Chr. an sein Ende kam. Das Zwölfprophetenbuch, das im Prinzip chronologisch angeordnet ist, markiert mit Hosea und Amos zugleich das Ende einer Geschichtsepoche. Danach kann Prophetie nur noch in Juda weitergehen.
Die judäische Perspektive zeigt sich bereits in den Überschriften zu Hosea und Amos, indem deren Wirken mit den Herrschaftsperioden judäischer Könige synchronisiert wird. Bei Amos ist dies Usija (786–736), bei Hosea folgen auf Usija noch Jotam, Ahas und Hiskija. Da Hiskija bis 697 v. Chr. regierte, ergibt sich, dass Hosea jünger als Amos ist, was durch den zeitgeschichtlichen Hintergrund der beiden Schriften bestätigt wird. Zugleich umfasst gemäß der Überschrift die Wirkungszeit Hoseas sowohl die des Amos als auch die des Micha (vgl. die Erwähnung von Jotam, Ahas und Hiskija in Mi 1,1).1
Darüber, warum der jüngere Hosea entgegen der prinzipiell chronologischen Abfolge vor dem älteren Amos steht, lässt sich nur mutmaßen. Wahrscheinlich wurde der Grundbestand der Hoseaschrift früher als der Grundbestand von Amos formuliert.2 Möglicherweise standen beide Bücher sogar bereits auf einer Zweiprophetenrolle, in der die prophetische Kritik am Nordreich Israel zusammengestellt war.3 Hinzu mögen inhaltliche Gründe kommen, wonach die Botschaft Hoseas als die umfassendere gedeutet wurde.4 Letztlich aber muss es bei der Feststellung von Franz Xaver Sedlmeier bleiben: „Die Frage, wieso das Buch Hosea das Zwölfprophetenbuch eröffnet, ist eine Quaestio disputata und bleibt eine solche ...“5