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Synchrone Betrachtung 1. Der Gesamtcharakter des Amosbuches

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Die Überschrift über das Amosbuch präsentiert den Propheten, seine Herkunft sowie Ort und Zeit seines Auftretens. Weder die Überschrift noch der weitere Text nennen einen Verfasser. Die Überschrift behauptet nicht, dass Amos selbst den Text geschrieben habe. Was sie behauptet, ist nur, dass das Folgende „die Worte des Amos“ wiedergibt. Wir haben es also mit einer anonymen Schrift zu tun, die sich als Sammlung von Amosworten ausgibt.6

Tatsächlich ist das nach Amos benannte Buch eine Sammlung prophetischer Aussprüche – bis auf wenige Ausnahmen. Diese Ausnahmen allerdings sind von großem Gewicht. Gleich der erste Vers nach der Überschrift beginnt nämlich mit einem Narrativ: „Er sagte: ...“ (1,2). Damit übergibt der anonyme Autor des Amosbuches das Wort an den Propheten. Dieser behält es bis 7,9; darauf, dass er oft hinter die Autorität seines Gottes zurücktritt, indem er seine Worte mit der Formel „So spricht Jhwh“ einleitet, ist gleich noch zurückzukommen.

Erst in 7,10 meldet sich der Erzähler wieder zu Wort, indem er in 7,10–17 eine Erzählung wiedergibt, innerhalb derer die Worte von Amos’ Widersacher Amazja und seine eigenen jeweils eigenständig eingeleitet werden (für Amos in 7,14). Danach aber redet der Prophet bis zum Ende des Buches weiter.

Einen Text, in dem im Wesentlichen eine oder mehrere Figuren reden, nennt man herkömmlich ein Drama. So kann man das Amosbuch in der Tat als „a kind of drama“ bezeichnen.7 Da die Figurenrede von Amos (und Amazja) narrativ eingeleitet wird – und nicht als Paratext, der nicht mitgelesen oder -gesprochen wird, wie im modernen Drama –, ist es präziser, von einer „epischen Erzählung im dramatischen Modus“ zu sprechen;8 in ihr dominiert die Figurenrede („die Worte des Amos“), aber diese ist narrativ eingefasst.

Ausgehend von der Deuterojesaja-Exegese hat Klaus Baltzer die These vertreten, dass ein solcher dramatischer Text auch zur Aufführung gelangt sein könnte.9 Helmut Utzschneider und Stefan Ark Nitsche haben diese Spur weiterverfolgt und erwogen, dass beim lauten Lesen (oder Auswendigsprechen) eines prophetischen Textes der Vortragende Elemente der Performanz verwendet hat.10 Dies ist ein wichtiger Einspruch gegen die Vorstellung, Prophetenbücher seien „eine Sorte Literatur für geschlossene Zirkel“,11 möglicherweise „von Anfang an für das Schriftstudium in gelehrten und frommen Zirkeln“ geschaffen.12 Eine andere Frage ist, inwieweit sich Hinweise auf die „Aufführung“ in den Texten selbst finden lassen. Doch selbst wenn man da wenig fündig wird und auf die kreative Phantasie angewiesen bleibt, versteht es sich, dass jede gute Lesung performative Elemente (Stimmmodulation, Lautstärkevarianz, Mimik, Gestik) enthält.13

Amos

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