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Marseille, Mittwoch, 18. Mai

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Nach all den Strapazen wollte Jerôme sich richtig ausschlafen und hatte seinen Wecker auf 10:00 Uhr gestellt, früh genug, um pünkt­lich zur Besprechung am Mittag zu erscheinen. Trotz Müdigkeit und Erschöpfung erlebte er die Nacht vom Dienstag zum Mittwoch als sehr unruhig. Sein Schlaf in kurzen Etappen war wenig erholsam.

Er ist wieder wach, als es draußen hell wird, wälzt sich im Bett, fin­det keine bequeme Position, um wieder einzuschlafen. Dazu kom­men sorgenvollen Gedanken die um die Familie und das Ge­sche­hen in Gabun kreisen. Erst nach einer endlos scheinenden Zeit fin­det er wieder in den Schlaf. Dann träumt er wirres, Angst erregen­des Zeug, wacht erschreckt auf und grübelt weiter. Dieses Wech­selbad zwischen Albtraum und Gedankenschleifen setzt sich fort, bis der Wecker schließlich klingelt.

Er ist müde und fühlt sich vollkommen zerschlagen. Es scheint, als ob alle Belastungen und Ängste der letzten Tage sich in dieser Nacht verdichtet haben und seinen Schlaf und seine Kraft als Tribut gefordert haben.

Mühsam steht er auf und geht etwas taumelnd zur Toilette. Nichts geht ihm zügig von der Hand, weder die Morgentoilette, das Anklei­den noch die Zubereitung eines kärglichen Frühstücks, dass er ohne Appetit herunterwürgt. Dann ist Eile geboten.

Er packt seine Reisetasche, verstaut darin Geld, Papie­re, seine Waffe mit Munition, die Festplatte des Rechners sowie Hygiene-Ar­tikel und ein paar Sachen zum Anziehen. Zuletzt steckt er die Origi­nal CDs ins Jackett.

Ein Taxi bringt ihn zunächst zum Busbahnhof, wo er seine Reiseta­sche in einem Schließfach deponiert. Diese Sachen will er nicht mit in die Firma nehmen.

Einige Minuten später erreicht er das große, futuristische Gebäude in der Avenue du Prado, den Hauptsitz der Laboratoires Biochiques Trouvaille SAR.

Es ist ein asymmetrisch aus Stahlbeton und Glas gestalteter, acht­geschossiger Bau. In den bläulich gefärbten Scheiben spiegelt sich die Mittagssonne, die um diese Zeit erhebliche Wärme ausstrahlt. Jerôme eilt durch die großzügig angelegte Lobby, vorbei am Emp­fang, zeigt der Empfangsdame seinen Firmenausweis - eigentlich unnötig, denn beide kennen sich. Sie begrüßt ihn freundlich mit den Worten:

„Hallo, Dr. Jarcol, schön Sie zu sehen, man erwartet Sie bereits oben …“, mehr kann Jerôme nicht hören, denn nachdem er ihren Gruß flüchtig beantwortet hat, befindet er sich bereits im Aufzug.

„Oben“ bedeutet das achte Stockwerk oder „der Olymp“, wie man die Etage mit den Vorstandsbüros im Firmenjargon bezeichnet.

Der Konferenzraum dort ist eigenartig eingerichtet. Helle, gespach­telte Wände, davor eine Konstruktion aus alten Holzbalken und Ver­strebungen, angeordnet in der Art eines Fachwerkbaus. Acht gedie­gene bequeme Ledersessel, gruppiert um einen großen hölzernen Konferenztisch, dessen Platte aus dem Material eines sehr alten Scheunentores besteht. Es ist sorgfältig bearbeitet. Eine Glasplatte, deckt die Oberfläche ab und lässt Maserung, Riefen und andere Zeitspuren sichtbar bleiben.

Diese rustikale Einrichtung steht in Kontrast zu den schräg geneig­ten gläsernen Außenwänden, die im Winkel von etwa einhundertundzwanzig Grad zueinanderstehen. Dadurch ist der trapezförmi­ge Raum den ganzen Tag von Licht durchflutet. Die im Seitenbereich freistehende, moderne Rechner- und Medien­wand mit groß dimensionierten Flachbildschirmen und mannshohen Lautsprecherboxen bietet hervorragende Voraussetzungen für Prä­sentationen, Filmdarbietungen und Fernsehübertragungen. Damit wird der Kontrast zur übrigen rustikalen Gestaltung zusätzlich ver­stärkt. Aus diesem Grund trägt dieser Raum auf dem „Olymp“ den Spitznamen „Glasscheune“. Man hat ein Buffet mit kleinen Appetithäppchen, diverse Säfte, Weinflaschen in Kühlbehältern und Gläser bereitgestellt.

Jerôme schaut auf seine Uhr. Er ist um fünf Minuten verspätet. Das ist ihm unangenehm, da Pünktlichkeit hier als oberstes Gebot gilt.

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