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1. September 1969

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Noch heute erinnere ich mich, wie aufgeregt ich vor meinem ersten Schultag war. Die Nacht davor lag ich wach in meinem Bett und malte mir aus, wie ich am nächsten Morgen mit meiner neuen Schuluniform, der weißen Bluse, dem blauen Röckchen, den weißen Söckchen in den ebenfalls blauen Schuhen zusammen mit meiner Mutter in meine Klasse gehen würde, um neben Sarah zu sitzen und endlich zu den großen Kindern zu gehören. Die Wochen davor hatten Sarah, ich und Clara lesen geübt, wobei Clara die gestrenge Lehrerin spielte.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, da stand ich schon fertig angezogen, mit meiner Schultasche auf dem Rücken und Mr. Bee im Arm bereit und wartete ungeduldig, dass meine Eltern wach werden würden. Es dauerte aber noch gute zwei Stunden, bis wir endlich los kamen und ich die anderen Kinder auf dem Schulhof traf. Sarah war schon da und winkte mir aufgeregt, kaum dass sie mich kommen sah. Auch sie hatte kein Auge zugetan und fragte mich bei jeder Frau, die den Schulhof betrat, ob das unsere neue Lehrerin sei. Ich wusste es nicht und sah mich nach den anderen Kindern in unserer Klasse um.

Da waren die Zwillinge Marie und Babette, Francis, der Sohn des Bürgermeisters, Claude, Vivette und Pascal und viele andere, mit denen wir den Sommer über gespielt hatten oder im Weiher baden waren. Alle strahlten und redeten aufgeregt durcheinander bis der Schuldirektor kam und unsere Eltern für Ruhe sorgten. Ich drückte Mr. Bee fest an meine Brust und hoffte, dass unsere Lehrerin nicht so streng sein würde.

Madam Dutroux war ungefähr im Alter meiner Mutter und nicht besonders streng. Sie leitete zusammen mit Sophie den Schulchor und organisierte alljährlich das Krippenspiel in unserer Pfarrei. Sie war schon ein paar Mal bei uns zu Besuch gewesen und hatte mir Süßigkeiten oder Weihnachtsgebäck mitgebracht. Sie und ihr Mann lebten in einem kleinen Häuschen am Rande des Dorfes, wo Monsieur Dutroux Pferde züchtete und Reitunterricht gab. Sie hatten einen älteren Sohn, den ich aber nur vom Sehen kannte.

Am ersten Schultag mussten wir mit Buntstiften unsere Familie auf ein weißes Blatt malen und dann den anderen Kindern von uns erzählen. Ich malte meine Eltern, Marcelle und meine Großmutter, wie sie eine Kuh fütterte. Großvater hingegen arbeitete im Stall, weshalb man ihn nicht sehen konnte. Den Stall aber malte ich neben unser Haus, aus dem Rauch aufstieg und ich aus meinem Zimmer im oberen Stockwerk winkte.

Ein Junge in der Bank neben mir, Maurice, lachte mich aus, weil mein Haus viel zu klein für so viele Menschen wäre. Doch Madam Dutroux kam mir zu Hilfe und erklärte, dass es darauf gar nicht ankäme, sondern wir uns nur kennenlernen sollen. Ich streckte Maurice die Zunge heraus, er aber lachte nur und zeigte mir seine Zahnlücke, mit der er ziemlich verwegen aussah.

Zuhause erzählte ich meiner Mutter haarklein alles, was wir in der Schule erlebt, gesprochen oder erfahren hatten. Berichtete von den anderen Kindern und wie nett Madam Dutroux wäre. Auch wollte ich unbedingt in den Schulchor und freute mich, dass Sarah und ich zusammen sitzen konnten. Schließlich erzählte ich noch von Maurice und dass er mich ausgelacht hatte. Meine Mutter lächelte und meinte, dass ich doch wirklich schon genug Verehrer hätte. Ich aber verstand nicht, was sie meinte.

Anaïs Tagebuch

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