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11. November 1970

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Sarah und ich sprachen eine ganze Weile nicht mehr über dieses Erwachsenenthema. Das zweite Schuljahr nahm uns ziemlich in Anspruch und auch die Freizeit war mit Ballettunterricht und Chor gut ausgefüllt. Zusätzlich brachte ich mindesten aller vierzehn Tage Marcell auf den Reiterhof, wo ich aber einen großen Bogen um die Koppel machte, aus Angst, noch einmal zwei Pferden beim Liebemachen zusehen zu müssen.

Ich wusste gar nicht, ob man das bei Pferden auch so nennt, doch noch immer gefiel mir der Begriff, weshalb ich eines Tages Sarah und Mathéo davon erzählte, was Emma und Clemént manchmal in meinem Kinderzimmer anstellten. Mathéo hatte auch zu reiten begonnen, weshalb wir uns wieder öfter sahen, und bestätigte, dass einige Pferde einen solchen Schlauch am Bauch hatten, mit dem sie pinkelten. Sarah aber interessierte sich mehr dafür, wie ich meine Puppen beim Liebemachen aufeinander legte, um Vater und Mutter zu spielen.

Sie hatte ein Buch in der Nachttischschublade ihrer Mutter gefunden, in dem auch solche Puppen abgebildet waren, die ähnlich wie Emma und Clemént miteinander Turnübungen machten. Dabei saß die Mädchenpuppe auf einigen Bildern auf der Jungenpuppe, dann wieder wechselte das Bild und der Junge lag mit seinem Gesicht zwischen den Beinen des Mädchens, die auf der nachfolgenden Abbildung das Gleiche bei dem Jungen machte. Auf anderen Bildern standen die Puppen hintereinander oder das Mädchen bückte sich, um vermutlich etwas aufzuheben, wobei der Junge sie von hinten festhielt, damit sie nicht falle.

Sarah und ich fanden diese komischen Turnübungen lustig und stellten sie mit Emma und Clemént nach, bis Mathéo fragte, ob die jetzt in dem Buch auch alle Liebemachen. So hatten wir das noch gar nicht gesehen und wunderten uns, wie das mit dem Schwangerwerden denn gehen solle, wenn die Mädchenpuppe mit dem Kopf auf dem Schoß des Jungen liegen würde, der wiederum ihren Bauch im Gesicht hatte. Das konnte auch Mathéo nicht erklären und so spielten wir den ganzen Nachmittag zu dritt Vater-Mutter-Kind, bis ich fand, dass Emma sich ausruhen müsse.

Es war ziemlich kalt draußen geworden. Regen fiel und der Wind trieb loses Heu über den Hof. Meine Großmutter hatte den Kamin angeschürt und rief uns Kinder runter in die gute Stube, damit wir uns bei Kakao und Keksen aufwärmen konnten. Gemeinsam saßen wir an einem kleinen Tisch beim Feuer und spielten T’en fais pas, ein Spiel, was wir später in Deutschland Mensch-ärgere-dich-nicht nannten. Marcelle und ihr Stoffhase Chap spielten mit, doch als meine kleine Schwester zwei Runden hintereinander verloren hatte, verschluckte sie vor Wut einen der Würfel, weshalb wir aufhören mussten. Meine Mutter brachte sie zur Strafe ins Bett und auch meine Freunde verabschiedeten sich nach Hause.

Sarah hatte versehentlich ihr Buch mit den Turnübungen bei mir im Zimmer vergessen, weshalb ich abends noch ein wenig darin blätterte. Oft lagen die Puppen nur nebeneinander am Boden, hatten mal das eine, mal das andere Bein von sich gestreckt, ähnlich wie wir es beim Aufwärmen im Ballettunterricht auch machten, nur eben jeder für sich. Auf einigen Bildern aber bildeten das Mädchen und der Junge ein solches Knäul, dass ich anhand der Beine und Arme nachzählen musste, wer wohin gehörte. Noch immer war mir unklar, wozu das gut sein mochte, und ich nahm mir vor, bei unserer nächsten Ballettstunde ein paar von den Übungen mit Sarah nachzumachen.

In dieser Nacht hielt ich Mr. Bee mit meinen Beinen fest umschlungen, so wie es das Puppenmädchen in Sarahs Buch auf vielen Bildern mit dem Puppenjungen tat.

Anaïs Tagebuch

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