Читать книгу Ausstand - Reiner Kotulla - Страница 10
Sieben
ОглавлениеIrgendwie waren sie erleichtert, als sich Jonas Bogner verabschiedet hatte. So ein Studierter, wie ihn Maria Wiegler nannte, konnte ganz schön anstrengend sein. Ständig musste man darauf achten, was man sagte. Fußball und Camping schienen ihn nicht sonderlich zu interessieren.
„Was er schreibt, wüsste ich schon gerne“, meinte Jennifer Haller. Sie war aufgestanden und an den Rand des Lichtkreises getreten, den die Vierzig-Watt-Birne verbreitete.
„Schau, wie das Meer das Mondlicht spiegelt“, sagte sie halblaut. Josef Wiegler verstand die Aufforderung, neben sie zu treten. Dieter Haller hatte sich schon verabschiedet, er sei müde, hatte er gemeint. Maria Wiegler war gegangen, Torben und Patrizia von der Disco abzuholen. Im Urlaub gaben sich die Eltern weniger streng. Da durften die Kinder länger unterwegs sein, zumal man wusste, wo sie sich aufhielten. Es gab nur den einen Ort, der für Jugendliche am Abend attraktiv war, wo man unter sich war. Offiziell wurde dort kein Alkohol ausgeschenkt.
Im Wissen, nicht viel Zeit zu haben, griff Josef Wiegler nach ihrer Hand, hielt sie, und fühlte ihr Einverständnis. Er zog sie aus dem Lichtkreis und nahm sie in seine Arme, spürte ihren warmen Körper unter dem dünnen Stoff. Jennifer umfing ihn, ließ ihre Hände auf seinem Hintern ruhen und schmiegte sich an ihn, spürte seine Erregung an ihrem Bauch. Jede Vorsicht außer Acht lassend, zerrte er an ihrem Kleid.
„Nicht jetzt, Josef, sie können jeden Moment zurückkommen. Es gibt ein Waschhaus, das noch nicht geöffnet ist, am selben Weg wie unseres, ein Stück bergan. Wer zuerst dort ist, wartet zehn Minuten.“
Und schon hörten sie die Stimmen der beiden Kinder. Gerade noch rechtzeitig konnten sich Jennifer und Josef in gehörigem Abstand an den Tisch setzen. Als Mutter und Kinder näherkamen, unterhielten sich Jennifer Haller und Josef Wiegler über die Qualität der Speisen im platzeigenen Restaurant. Nicht lange, dann verabschiedete sich Jennifer Haller. Sie sei müde, log sie.
Auf dem Gelände gab es mehrere Waschhäuser, mit Toiletten- und Duschkabinen, Handwaschbecken, Möglichkeiten für die kleine Wäsche und zum Geschirrspülen. Diese Einrichtungen wurden, um Reinigungspersonal einzusparen, je nach Platzbelegung geöffnet. Das Haus, das Jennifer Haller als Treffpunkt vorgeschlagen hatte, würde erst im August, dem italienischen Hauptreisemonat, in Betrieb genommen werden. Die Eingänge waren mit Planen zugehängt, die sich aber zur Seite schieben ließen.
Als ginge sie zum Zähneputzen ins Waschhaus, hatte sich Jennifer Haller lediglich einen Bademantel angezogen. Vor dem kleinen Waschhaus, das sie täglich benutzten, blieb sie kurz stehen, vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete. Sie betrat die Sanitäranlage, durchquerte sie, um sie auf der Rückseite wieder zu verlassen. Völlige Dunkelheit umfing sie, doch hatten sich ihre Augen bald daran gewöhnt. Sie kannte den Weg.
Als sie sich als Nachbarn bekannt gemacht hatten, wusste sie, dass sie ihn wollte, registrierte erfreut seine kurzen, begehrlichen Blicke. Später inszenierte sie eine Testsituation.
Als Josef Wiegler einmal vor dem Zelt saß und hinaus aufs Meer blickte, nahm sie eine Decke, lief hinunter zum Strand und legte sich zum Sonnen so, dass er zwischen ihre leicht geöffneten Schenkel schauen konnte. Er schaute nicht nur, er starrte. Nachträglich noch beglückwünschte sie sich zum Kauf des neuen roten Bikinis.
„Sehen Sie“, hatte die Verkäuferin gesagt, „hier die Doppelnaht, durch die ein Gummizug verläuft, das rüscht und betont die Poform – ein Hingucker, Sie werden sehen. Die Frau hatte recht behalten.
Sie wollte diesen Mann. Ihr Dieter war zu einem Reinfall auf der ganzen Linie geworden. Das waren ihre Worte gegenüber ihrer besten Freundin gewesen, der sie sich anvertraut hatte. Wenn sie hier am Strand einen Mann beobachtete, der ins Wasser rannte, sich mit einem Hechtsprung in die Fluten stürzte, um sich im Kraul- oder Delfinstil etwa zehn Meter durchs Wasser zu wühlen, dachte sie an Dieter. So war der im Bett.
Fünf Minuten etwa musste sie warten, bis sie ihn herankommen sah. Sie lief ihm entgegen und sie fielen sich in die Arme, küssten sich innig. Jennifer ergriff seine Hand, zog ihn zum Eingang, schob die Plane zur Seite, dass sie eintreten konnten. Weiter zerrte sie ihn hinter sich her, bis zu einer Duschkabine, öffnete die Tür, um sie sogleich hinter ihnen wieder zu schließen. Hier konnten sie sich sicher fühlen.
Kein Vorspiel. Jennifer wandte sich um, stützte sich mit beiden Armen an der gekachelten Wand ab und streckte ihm ihren Hintern entgegen.
Als sie später die Wohnwagentür öffnete, registrierte sie beruhigt Dieters Schnarchen.