Читать книгу Ausstand - Reiner Kotulla - Страница 8
Fünf
Оглавление„Sie waren eingeladen, und sollten doch nichts mitbringen“, meinte Maria Wiegler und tat vorwurfsvoll, bemächtigte sich aber sofort der beiden Flaschen und deponierte sie im Zeltinneren. Dann beorderte sie ihn an die Tafel, zu der man drei Campingtische aneinandergereiht hatte.
„Darf ich vorstellen“, wandte sie sich an das Paar, das dort schon Platz genommen hatte. „Das ist Jonas Bogner, unser Schriftsteller und das sind Jennifer und Dieter Haller, unsere Nachbarn.“
Die beiden Vorgestellten hatten sich erhoben, und man gab sich artig die Hände. Dieter Haller setzte sich wieder, während seine Frau anscheinend unschlüssig stehen blieb. Jonas Bogner wunderte sich, dass die Nachbarin noch in Badebekleidung war.
„Dann will ich mir mal etwas anziehen“, sagte sie in einem Ton, als sei sie nackt. Jonas Bogner riskierte einen zweiten Blick. Ein roter Bikini bedeckte sowohl ihre Brüste als auch die Scham nur notdürftig. Mit ihrer Bemerkung hatte sie alle Blicke auf sich gezogen, registrierte Jonas Bogner. Man schaute ihr hinterher, als sie sich in Richtung Wohnwagen entfernte.
Ein raffiniert geschneidertes Höschen. Dessen Rückteil war im Verlauf ihrer Hinternspalte leicht gerafft, was ihren Po noch runder erscheinen ließ und die Kerbe verstärkte.
Mit einer Ausnahme kehrten alle Blicke wieder zurück. Josef Wiegler brauchte etwas länger, um sich von dem zugegebenermaßen geilen Abgang der Frau Haller zu lösen.
Jonas Bogner sah sich eher in der Rolle eines Zuhörers. Man sprach über die von ihnen besuchten Stellplätze auf dem Weg nach Livorno. Die Wieglers kamen aus dem schweizerischen Basel, während die Hallers in Karlsruhe zu Hause waren. „Einen Sprung nur voneinander entfernt“, bemerkte Josef Wiegler. Weiter tauschte man sich über die verschiedenen Fährpreise aus, darüber, ob es günstiger sei, von Livorno nach Olbia oder nach Golfo Aranci überzusetzen. Wo man am günstigsten einkaufen und essen gehen könnte. Die beiden halbwüchsigen Kinder der Wieglers führten eher flüsternd ein eigenes Gespräch, verzogen sich bald. Die Animation wollten sie nicht versäumen, begründete Patrizia Wiegler.
Jonas Bogner fiel auf, dass Dieter Haller ohne süddeutschen Dialekt.
„Keinen Hunger!“, meinten die beiden Kinder gleichzeitig, als Frau Wiegler ihnen nachrief, dass es bald ans Grillen ginge. Das war das Stichwort für Herrn Wiegler, der sogleich den Gasgrill in Betrieb setzte, einen sogenannten Holländergrill, wie er erklärte, der Grillrenner überhaupt. Sofort begann eine Diskussion darüber ein, welches wohl das Beste unter den Bratgeräten sei.
„Kann ich helfen?“, rief Jennifer Haller schon von Weitem. Wieder richteten sich alle Blicke auf sie. Ein knallrotes Wickelkleid hatte sie sich um den Körper gewunden. Frau Wiegler, die eine Art Kittelschürze mit Blümchenmuster trug, schaute missbilligend drein, während Herrn Wiegler die Augen übergingen. Jonas Bogner, der sich schon vorgenommen hatte, es bei diesem Besuch zu belassen, änderte seine Meinung, als er Josef Wieglers Blick registrierte. Das könnte noch spannend werden und Stoff für den Unterhaltungsteil seiner Geschichte liefern. Die Sache würde er im Auge behalten, zumal auch er nicht umhin konnte, die Attraktivität der Frau Haller zu bewundern. Zum Essen setzte er sich so, dass er Josef Wiegler und Jennifer Haller im Blick hatte.
Es gab Schnitzel, die, wie Maria Wiegler kundtat, von hiesigen halbwilden Schweinen stammten, die sich noch von den Früchten der Korkeichen ernährten.
Alle sprachen sowohl dem Grillgut als auch dem Bier zu. Deutsches, noch aus den mitgebrachten Beständen, wie Dieter Haller betonte. Man wisse ja nie, vom Wein verstünden sie ja was, die Italiener, jedoch vom Bier …
Da war Jonas Bogner froh, Wein und nicht das hiesige Ichnusa-Bier mitgebracht zu haben, das inzwischen von einer Brauerei produziert wurde, die zu einem deutschen Bierkonzern gehörte. Als er sein Wissen darüber zum Besten gab und bedauerte, dass nun auch der Biergeschmack der Globalisierung zum Opfer fiele, meinte Dieter Haller: „Von bayerischen Bierbrauern können die Italiener noch lernen.“
Jonas Bogner ersparte es sich, an dieser Stelle den letzten deutschen Kaiser zu zitieren: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Wobei er sich eingestand, dass der Vergleich an dieser Stelle etwas hinkte.
Als es ans Abwaschen ging, begrüßten beide Frauen seinen Vorschlag, dabei zu helfen. Prompt entband Maria Wiegler ihren Mann und Haller und Frau von Haller von dieser Arbeit. Als sie dann an der Spüle standen, hätte Jonas Bogner sonst was darum gegeben, heimlich nach den Zurückgebliebenen zu schauen.
Als Jonas zurück war, waren Josef Wiegler und Jennifer Haller dabei, die Stühle um einen Tisch zu ordnen, weil man nun zum gemütlichen Teil des Abends überzugehen gedenke. Jonas Bogners Mitbringsel stand schon geöffnet auf dem Tisch, dazu die passenden Gläser. Man saß im Rund um den Tisch. Bald bewegten sich die Gespräche auf einer ähnlichen Ebene, wie vor dem Essen. Die beiden anderen Männer diskutierten über die Chancen von Bayern München bei der anstehenden Champions League.
Frau Wiegler zeigte Frau Haller die ersten Ergebnisse ihrer Häkelarbeit. Gelangweilt, schloss Jonas Bogner aus dem Blick der Frau Haller, hörte die zu.
Da er zu beiden Gesprächsthemen nichts beizusteuern wusste, beschränkte er sich aufs Beobachten. Das fiel Frau Wiegler bald auf und sie fragte ihn nach dem Stand seiner Romanarbeit. Da sei alles noch im Stadium der Recherche, meinte er: „Ich muss noch viel lesen, muss Leute befragen und mir noch einiges einfallen lassen, Beobachtungen anstellen“, erklärte er.
„Ist das so etwas Ähnliches wie eine Stoffsammlung?“, wollte Maria Wiegler wissen.
So könne man das verstehen, bestätigte er.
Josef Wiegler wollte es genauer wissen. „Was meinen Sie mit Beobachtungen anstellen?“
Schon ärgerte er sich, das erwähnt zu haben, als ihm Jennifer Haller aus der Patsche half: „Ist doch klar, die Typen, die er beschreibt, muss er doch kennenlernen, ihr Handeln, ihren Charakter und so.“ Dabei sah sie Jonas Bogner an, als erwarte sie eine Bestätigung ihrer Worte. Er kam ihrem Wunsch nach: „Genau so ist es, Frau Haller.“
Josef Wiegler hatte wohl zugehört, schlug nun vor, das Siezen zu lassen und fand allgemeine Zustimmung.
Die Weingläser wurden aufgefüllt. Alle standen auf und stellten sich im kleinen Kreis gegenüber auf. Man stieß die Gläser gegeneinander und trank einen Schluck. Unschlüssig stand man, bis die Frauen die Initiative ergriffen und den fremden Männern einen Kuss gaben. Also Maria Wiegler dem Dieter Haller und ihm und Jennifer Haller ihm und Josef Wiegler. Bei den Letzteren sah er genau hin und glaubte zu bemerken, dass sich deren Münder länger berührten.
Zum Glück schienen sie an Jonas Bogner das Interesse verloren zu haben, sprachen wieder über Belangloses. Man trank Wein und war in gelöster Stimmung. Inzwischen war es dunkel geworden. In der Nähe des Tisches am Ast eines wilden Olivenbaumes spendete eine Lampe ausreichendes Licht.
Jonas Bogner gegenüber saßen Jennifer Haller und Josef Wiegler nebeneinander. Schon dachte er, dass alles nur Einbildung gewesen sei, als er sah, dass sich unter dem Tisch die nackten Füße der beiden trafen, für Sekunden nur in der Berührung verharrten.
Also doch, dachte Jonas Bogner, die Recherche konnte fortgesetzt werden. Immer öfter sah er jetzt auf seine Armbanduhr, in der Hoffnung, dass es bald zehn Uhr wurde, Zeit für ein Treffen mit Vera im Innenhof vor ihren Apartments.