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Neun

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Von da an nutzen sie jede Gelegenheit, sich heimlich zu treffen. Josef Wiegler war verrückt nach dieser Frau. Noch nie hatte ihn jemand so geliebt. Dabei machte er seiner Frau keine Vorwürfe. Verlässlichkeit war eine der Eigenschaften, die er an ihr so schätzte. Den Kindern war sie immer eine gute Mutter, führte den Haushalt geradezu vorbildlich. Nur im Bett, da überließ sie stets ihm das Handeln. Sie hatte sich ihm noch nie verweigert. Stets löschte sie das Licht, wenn er zu ihr kam, legte sich auf den Rücken und ließ ihn gewähren. Auch sonst stellte sie keine Ansprüche. Sie schien mit sich und der Welt total zufrieden zu sein. Häkeln und Sticken waren ihre großen Leidenschaften.

Einen Urlaub außerhalb ihrer vier Wände hatten sie sich bisher nicht leisten gekonnt. Eines Tages jedoch war Josef Wiegler von der Arbeit nach Hause gekommen, er war Sachbearbeiter bei der Stadtverwaltung, hatte ein großes Paket aus dem Kofferraum der Familienkutsche geladen und auf die Frage seiner Frau, was es enthalte, kurz und bündig geantwortet: „Unseren nächsten Urlaub.“

„Lass die Späße, Josef, seit wann fahren wir in den Urlaub?“

Er hatte nicht geantwortet, das Paket in der Mitte des Wohnzimmers auf den Teppich gelegt und begonnen es auszupacken.

„Ein Zelt!“, hatte Maria Wiegler erstaunt ausgerufen, als sie das Bild auf dem Leinensack gesehen hatte. „Josef, was soll das?“

„Komm einmal her, Maria.“ Er hatte sie bei der Hand genommen, zog sie mit sich hinunter auf den Fußboden. Beide knieten sie vor dem Zeltsack. Josef hatte aus der auf den Sack genähten Plastiktasche ein dünnes Heft gezogen. Aufbauanleitung stand unter dem Bild des großen Hauszeltes.

So begeistert hatte Maria Wiegler ihren Josef noch nie reden gehört. Sogleich hatte er ihr die Zeltaufteilung erklärt: Da gäbe es drei Schlafkabinen, eine große für sie beide und zwei kleine für die Kinder, die ja schließlich nicht mehr zusammen schlafen könnten. In der Mitte gäbe es eine Art Innenhof, groß genug für einen Tisch mit vier Stühlen drum herum, in einem giebelähnlichen Vorbau Platz für die Küche.

„Ich hab das alles genau durchdacht, Maria. Unser Kombi bietet für alles notwendige Gepäck ausreichend Platz.

Der Kollege Rumpert, du weißt, mein neuer Abteilungsleiter, hat letztens so begeistert über seinen Urlaub auf Sardinien gesprochen, dass ich gedacht habe, das wäre auch etwas für uns.“

Alles hatte so harmonisch begonnen. Der schöne Platz, direkt oberhalb des Strandes, in der kleinen Bucht. Nur wenige Nachbarn insgesamt und das nette Paar im Wohnwagen nebenan. Dann der Abend, als sie Brüderschaft getrunken hatten. Einen winzigen Augenblick nur hatte Jennifer Hallers Zunge seine Lippen berührt, doch lang genug um ihn völlig außer Fassung geraten zu lassen. Doch er hatte sich in der Gewalt gehabt, sich nichts anmerken zu lassen. Niemand würde etwas bemerkt haben, hoffte er.

Die Hallers besaßen ein Paddelboot, einen Zweisitzer. An einem Nachmittag saß man zusammen zum Kaffee. Maria Wiegler hatte mit der italienischen Kaffeekanne, Espresso zubereitet. Dafür hatte Jennifer Haller für Gebäck gesorgt. Die Kinder waren unterwegs.

„Was machen wir heute?“, fragte Jennifer Haller in die Richtung ihres Mannes.

„Keine Ahnung.“

„Wir könnten ein bisschen paddeln, vielleicht eine neue Bucht entdecken.“

„Jennifer, bitte nimm es mir nicht übel, das Boot war deine Idee, ich für meinen Teil würde viel lieber einfach nur relaxen. Frag doch mal den Josef.“

Der blickte, anscheinend gelangweilt, aber innerlich total aufgewühlt, fragend zu seiner Frau hin.

„Für mich wär das auch nix, aber wenn du Lust hast.“

Da hatte sie das richtige Wort gesagt, dachte Josef Wiegler. Laut meinte er: „Na gut, Jennifer, wenn es denn sein soll.“

Josef Wiegler hatte hinter ihr Platz genommen, da musste sie den Paddeltakt vorgeben. Die verschiedenen Farben des Wassers, die Inseln am Horizont und die weißen Segel der in der Ferne vorbeifahrenden Boote, all das sah er nicht. Jennifers Rücken, die tiefe Furche, die zwischen ihre Pobacken mündete, welche durch das Paddeln in Bewegung geraten waren, das war es, was seinen Blick fesselte.

„Lass uns noch eine Bucht weiterfahren“, meinte sie, als sie um eine Landspitze herum waren und diese Bucht nicht menschenleer fanden. In der Nächsten fanden sie, was sie suchten – Einsamkeit. Das Boot ans Ufer gezogen, ausgestiegen, umarmten sie sich, entledigten sich gegenseitig der Badesachen. Sie stiegen ins Wasser, gingen ein paar Schritte, bis sie bis zur Brust im Wasser standen. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, glitt an ihm hoch, umklammerte mit ihren Beinen seine Hüften …

Später lagen sie, noch ein wenig außer Atem, ausgestreckt auf weißem Sand, alles um sich herum vergessend.

„Wir müssen wieder, Josef, sonst schöpfen sie noch Verdacht“, beendete Jennifer den paradiesischen Zustand.

Ausstand

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