Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 48

Zeus verführt Europa

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Zeus verliebte sich in Europa und befahl Hermes, das Vieh ihres Vaters Agenor zur Küste nahe Tyros zu treiben. Dort pflückte die Schöne mit ihren Gespielinnen Blumen. Zeus selbst mischte sich als prächtiger Stier, weiß wie Schnee, unter die Herde, trabte mit dreifarbig glänzendem Fell und moschusduftend heran. Voller Bewunderung näherte sich Europa. Der Stiernacken strotzte von Muskeln, seine Hörner waren zwar klein, aber leuchteten wie Edelsteine. Er blickte friedlich, wirkte stolz, aber zutraulich. Europa, von seiner Kraft und Würde beeindruckt, streichelte ihn – war es etwa eine überirdische Erscheinung? Dann bot sie ihm Blumen. Der Verliebte küsste die Hände des Mädchens, tänzelte spielerisch und legte sich auf den Sandstrand. Europa klopfte ihm die Brust und band Girlanden um seine Hörner. Nun überwand sie alle Scheu und wagte sich sogar auf seinen Rücken. Doch auf diesen Augenblick hatte der verwandelte Göttervater nur gewartet. Der Stier stand gemächlich auf, schritt zum Ufer und galoppierte übers Wasser. Europa blickte angstvoll zur Heimat zurück, umklammerte mit der rechten Hand ein Horn des Stieres und suchte mit ihrer linken auf dessen Rücken Halt. Ihr Kleid bauschte sich im Winde. Zeus überquerte das Meer, ohne dass auch nur ein Wasserspritzer Europas wehendes Gewand benetzte.

In Gortyn auf Kreta ging Zeus an Land und soll Europa unter der immergrünen Platane mit Gewalt genommen haben. Oder gab sie – von seiner Stärke gebannt – sich ihm gar willig hin? Was wissen wir wirklich? Ob der Kronide Scham empfand, ist nicht überliefert, wohl aber sein Bemühen, das vermeintliche Unglück der Entführten in Glück zu verwandeln. Zeus machte sie mit Minos, Rhadamanthys und Sarpedon zur Stammutter eines blühenden Geschlechts. Und der Name Europa schmückt für alle Zeiten einen Kontinent.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

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