Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 43

Das Geschlecht des Agenor Zeus liebt Io und verwandelt sie in eine schöne Kuh

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Zeus, wieder von einem Liebespfeil getroffen, verkündete den verdutzten Olympiern, jeder Gott dürfe neben seiner himmlischen Gemahlin auch eine Sterbliche beglücken. Da Hera abwesend war, ging der Göttervater sofort mit gutem Beispiel voran und buhlte um Io, die Tochter des Flussgottes Inachos. Kurz bevor Hera beide ertappte, verwandelte Zeus rasch die reizende Io in eine schneeweiße Kuh und beteuerte, das Hornvieh nicht begehrt zu haben.

Bereits vielfältig getäuscht, misstraute Hera ihrem Gatten, ließ sich die Kuh ausliefern und unter der Obhut des hundertäugigen Riesen Argos nach Mykene bringen. Am Tage ließ Argos sie weiden, doch nachts band er sie am Hals fest. Sie fraß das Laub von den Bäumen und bittere Kräuter, trank von schlammigen Flüssen und bettete sich statt auf ein Polster auf die Erde. Io hob flehend die Hufe empor, klagte ihr Leid, doch sie vermochte nur zu muhen und erschrak dabei vor der eigenen Stimme.

Immer wieder lief Io zum väterlichen Ufer des Inachos, wo sie früher mit ihren Schwestern spielte. Doch weder Vater noch Geschwister erkannten sie, streichelten und bewunderten lediglich das herrliche Tier. Als Inachos der Kuh ein Büschel saftiger Kräuter vorhielt, leckte sie die Hand des Vaters, küsste deren Innenfläche und ließ ihre Tränen fließen. Da sie nicht mit Worten ihren Namen zu nennen vermochte, schrieb sie ihn in den Sand.

»Wehe mir«, klagte der Vater, umschlang den schneeweißen Nacken, küsste die Hörner, »bist du die Tochter, nach der ich alle Lande durchforsche? In welchem Elend finde ich dich! Ahnungslos rüstete ich bereits für die Hochzeit, hoffte auf prächtige Enkel, aber nicht auf blökende Kälber. Keine Worte kannst du mit mir, deinem Vater, wechseln, zu meinen lediglich muhen.«

Argos riss das Kind vom weinenden Vater, trieb die Kuh auf den Gipfel eines Berges, um von dort nach allen Seiten zu spähen. Während je ein Paar seiner hundert Augen ruhte, lauerten die anderen. Selbst wenn er Io den Rücken kehrte, wachten die Augen seines Hinterkopfes über das verwandelte Mädchen. Doch der Göttervater ertrug das nicht länger und beauftragte den Schelm Hermes, Argos zu überlisten. Mit dem Heroldsstab versenkte der Maiasohn den Riesen in einen nie gekannten Tiefschlaf und tötete ihn.

Hera schmückte später mit dessen Augen die Schwanzfedern ihres Lieblingstieres, des Pfaus. Der Io aber schickte sie unverzüglich eine Bremse. Io floh vor deren peinigenden Bissen zuerst zum nach ihr benannten Ionischen Meer, suchte Prometheus auf und wurde dann bis nach Ägypten getrieben, wo Zeus sie sowohl von der Bremse wie von der Kuhgestalt erlöste.

Das Fell wie die Hörner schwanden. Ihre Augen verengten sich, das Maul schrumpfte, die Hufe teilten sich fünffach zu Fingern und Nägeln. Von dem Rinde blieb nur der Glanz seiner Schönheit. Darum besorgt, wie eine Kuh zu muhen, scheute Io sich anfangs zu reden.

Doch damit fanden ihre Leiden ein Ende. Dem Zeus gebar sie den Epaphos, der später König von Ägypten wurde.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

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