Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 28

Der ziegenfüßige Pan

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Obwohl ein Gott, weidete Hermes einst die Schafe des sterblichen Dryops; denn er sehnte sich nach dessen schöngelockter Tochter. Nach der Hochzeit gebar diese einen seltsamen Sohn: bocksfüßig, doppelgehörnt, stets lachend und lärmend. Als die Mutter das wilde, bärtige Antlitz gewahrte, sprang sie schreiend auf und verließ ihr Knäblein. Doch Hermes war glücklich, wiegte seinen Sohn im Arm und brachte ihn zum Sitz der Himmlischen. Alle Götter fanden Gefallen an ihm, aber keiner mehr als Dionysos, und sie nannten ihn Pan, da ›alle‹, was pan heißt, sich seiner freuten.

Pan liebte es, in seiner arkadischen Heimat die weiten Gebirge zu durchstreifen und sich mit Nymphen zu tummeln. Auf weichen Wiesen, wo Hyazinthen und Krokus dufteten, spielte er schönere Lieder, als je ein Vogel im Frühling sang. Die Bergnymphen umtanzten ihn im innigen Reigen, und der struppig behaarte Gott mit dem rötlichen Luchsfell tollte und jauchzte in ihrer Mitte.

Ursprünglich war Pan ein Hirtengott. Wie ein geiler Bock besprang er die Ziegen und gewährte den Herden Fruchtbarkeit. Doch war er nicht nur der Freudvolle, sondern brachte auch Schrecken, wenn er in der Mittagshitze plötzlich die ruhenden Tiere aufscheuchte oder gar jemanden mit seinem fürchterlichen Schrei in kopflosen Schrecken, also in Panik, versetzte. Die Zahl seiner Liebschaften war groß und seine Begierde unersättlich. Weder Nymphen noch schöne Hirtenknaben waren vor seinen Nachstellungen sicher.

Wie so viele andere verliebte sich Pan in die Dryade Syrinx. Die Baumnymphe war bereits häufig lüsternen Satyrn entschlüpft, sie täuschte selbst Götter, so sehr glich sie Artemis, die sie in allem nachahmte. So weigerte sich Syrinx auch, ihre Keuschheit an den borstigen Pan zu verlieren und floh vor dessen Liebesschwüren. Doch Pan setzte ihr nach und erreichte die Fliehende am sandigen Strand des friedlichen Ladon, dessen Wasser ihre Flucht stoppten.

In höchster Not bat sie ihre Schwestern, die Schändung abzuwenden; und die Wassernymphen erbarmten sich ihrer. Als Pan bereits meinte, Syrinx gefasst zu haben, hielt er anstatt ihres biegsamen Leibes nur Schilf in den Händen. Lange beklagte der Gott, dass sich die Geliebte ihm durch Verwandlung für immer entzogen habe; doch als ein Windhauch über das Schilfrohr strich, hörte er ein sanftes Klagen. Berührt von ihrer zarten Stimme rief Pan:

»Was du mir flüsterst, wird mir bleiben!«

Er schnitt das Röhricht in verschiedener Länge, fügte es mit Wachs zusammen und nannte seine Flöte – also die Panflöte – Syrinx. Doch Pan galt nicht als Patron der Flötenmusik, sondern Marsyas, mit dem Pan oft verwechselt wird. Der Silen Marsyas hatte die Doppelflöte entweder selbst er- oder sie wenigstens gefunden. Denn Athena hatte sie zuvor voller Abscheu von sich geschleudert.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

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