Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 55

Hermaphroditos’ Verweiblichung

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Später erhörte Aphrodite Hermes, den Argosbezwinger. Sie zeugten den Hermaphroditos, in dessen Gesicht sich Mutter und Vater spiegelten. Er wurde von den Nymphen des Ida erzogen, durchstreifte als Jüngling Kleinasien und konnte sich nicht satt sehen an all den Flüssen, Quellen und Seen. So kam er nach Karien zur Quelle Salmakis.58 Dass er die gleichnamige Nymphe antraf, war kein Zufall. Im Gegensatz zu ihren Geschwistern verabscheute sie Artemis’ Jagdleidenschaft; und anstatt Wild zu erlegen, pflegte, salbte und kämmte sie sich, den ganzen Tag ihr Spiegelbild im Wasser betrachtend. Ein Geräusch schreckte sie auf. Sie hob den Blick, und was sie sah, verschlug ihr den Atem: Aphrodites Zartheit und Sanftheit vereint mit verführerisch männlichen Zügen. Begehren rötete ihr Antlitz, sie ordnete schnell die Falten ihres Umhangs, die Locken ihres Haares und tänzelte zu dem Jüngling:

»O göttliche Erscheinung«, rief sie, »selig die Mutter, die dich geboren, beglückt die Amme, die dir ihre Brüste gereicht. Sie können sich mehr preisen als deine Braut, wenn du eine dir würdig erachtest. Gibt es eine, so schenke ihr Recht in dieser Nacht mir.«

Verlegen wandte der Knabe den Kopf, denn von Liebe wusste er noch nichts. Salmakis drängte sich dicht heran, schlang die Arme um seinen herrlichen Hals und suchte ihm Küsse, unschuldige Schwesternküsse, wie sie versicherte, zu rauben.

»Genug. Wenn du nicht aufhörst, gehe ich«, wehrte er ab.

»Nein, Teuerster, verlass mich nicht. Ich belästige dich nicht weiter, aber bleib! Schau, wie herrlich das klare Wasser sprudelt. Als sei es nur geschaffen, um deinen Körper zu erquicken. Ja, spring hinein, und damit du dich nicht weiter zierst, ziehe ich mich zurück.« Mit diesen Worten ging die Nymphe und blickte sich oftmals um.

Der Knabe prustete unbeschwert im Wasser. Doch plötzlich fühlte er sich umklammert. Salmakis hatte sich hinter dem nächsten Strauch verborgen und mit gierigen Blicken Hermaphroditos’ makellosen nackten Körper verschlungen, sich die Kleider vom Leib gerissen und war mit den Worten »Jetzt bist du mein!« ins Wasser gesprungen.

Schamhaft wehrte sich der Göttersohn, aber Salmakis schlang sich um seinen anmutigen Leib und flehte: »Nichts soll uns jemals trennen.«

Die Götter erhörten ihre Bitte und ließen beide zu einer Gestalt verschmelzen; so wurde Hermaphroditos zu einem Hermaphroditen. Seither verweiblicht diese Quelle jeden Mann, der ihre Wasser berührt.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

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