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Dionysos kehrt nach Theben zurück

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Als Dionysos nach Theben heimkehrte, regierte Pentheus. Dessen Mutter Agaue war von Kadmos mit Echion, einem der Spartiaten, verheiratet worden; und der Stadtgründer, nunmehr ein Greis, hegte soviel Zutrauen zu seinem Enkel, dass er die Leitung des Staates in Pentheus’ Hände legte. Der junge Mann wurde dieser hohen Verantwortung gerecht, denn er regierte Theben sowohl mit Sachverstand als auch mit Umsicht und achtete die bewährten Götter.

In diese wohlgeordnete Stadt brach Dionysos mit seinem lärmenden Anhang ein, riss die Frauen in Raserei und verlangte göttliche Ehren. Der jugendliche Regent lehnte einsichtsvoll ab, den Sohn seiner Tante Semele als Gott zu verehren, und versuchte die Ausschweifungen der Frauen auf dem Berg Kithairon zu verhindern. Doch ohne Erfolg. Der greise Kadmos, der alte Seher Teiresias, sogar seine eigene Mutter Agaue gingen dionysisch aufgeputzt. Manche meinten, sie machten sich lächerlich. Um die Ordnung wieder herzustellen und zur Abschreckung, ließ der junge Herrscher die schwärmenden Frauen fangen und einsperren. Klug begründete er dem verwandelten Gott gegenüber lange Zeit sein Handeln. Aber Dionysos vertritt nicht die Logik, sondern das Wilde und Abgründige der Seele. Zuerst öffneten sich die Tore des Gefängnisses auf wunderbare Weise, dann traf der Gott mit seiner Frage Pentheus’ schwächste Stelle:

»Willst du sehen, wie es die Frauen im Gebirge treiben?«

Pentheus begehrte das Verbotene so sehr, dass er alle Vorsicht vergaß und sich in Frauenkleidern auf den Hochsitz einer Fichte schlich und die Ausschweifungen bestaunte. Aber seine Mutter und ihre Schwestern erspähten den Horcher. Trunken vom mainadischen Wahn und mit übermenschlichen Kräften begabt – zierliche Frauen waren imstande ausgewachsene Stiere zu zerreißen –, hielten die Thebanerinnen Pentheus für einen Löwen und zerfetzten ihn. Agaue trug dann voll Stolz den Löwenkopf nach Theben und prahlte mit der Trophäe, bis die dionysische Verblendung von ihr abfiel und sie in ihren Händen das Haupt ihres Sohnes gewahrte.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

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