Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 49
Minos und das Monster Minotauros
ОглавлениеEuropas Sohn Sarpedon wanderte nach Lykien aus, wo die Götter seine Lebenszeit verdreifachten. Rhadamanthys erwies sich als so gerechter Gesetzgeber, dass er nach dem Tode zusammen mit Aiakos und seinem Bruder Minos als Richter der Verstorbenen im Hades wirken durfte.
Minos war aber zu Lebzeiten ein mächtiger König und beherrschte von seiner Residenz Knossos nicht nur Kreta, sondern weite Teile Griechenlands.
Noch bevor die Griechen hellenischen Boden betraten, blühte auf Kreta tatsächlich die sogenannte »Minoische Kultur«, die, gestützt auf Seeherrschaft, weite Teile des ägäischen Raumes kontrollierte. Auf diese Vergangenheit besinnt sich der Mythos.
So war auch Athen verpflichtet, alle neun Jahre einen Tribut von sieben Jungfern und Jünglingen als Blutopfer für den Minotauros nach Knossos zu liefern, bis Theseus dem ein Ende setzte. Doch wie war es zu dem blutrünstigen Ungeheuer gekommen?
Da Minos ein gottgefälliger Mann war, hatte er einst die Herrschaft auf Kreta gewonnen. Eines Tages versprach der König, seinen schönsten Stier dem Poseidon zu opfern. Der Erderschütterer prüfte die Wesensart des Herrschers und ließ einen strahlend weißen Stier aus dem Meer steigen. Minos’ Besitzgier siegte über seine Gläubigkeit; er versteckte den Stier in seiner Herde und opferte statt dessen eine Kuh. Doch solchen Frevel pflegten die Götter hart zu bestrafen. Jener Stier sollte erst seine Ehe und später sein Land zerstören; denn er verwüstete ganz Kreta, bis schließlich Herakles ihn einfing.
Minos war mit der Heliostochter Pasiphaë glücklich verheiratet und erfreute sich an seinen Kindern Katreus, Phaidra und Ariadne. Aber als Rache für seine Hybris weckte Aphrodite bei Minos’ Angetrauter Begierde nach diesem Stier. Pasiphaë kümmerte sich nun weder um ihre Familie noch um ihren Ruf, sondern allein darum, den Stier zu verführen; doch was immer sie anstellte, der Hornochse ignorierte sie. Was konnte sie tun? Schließlich vertraute die Königin ihre Gelüste dem erfindungsreichen Daidalos an, der für Minos arbeitete.
Der Kunsthandwerker hatte Erbarmen mit der Frau – oder wollte er Minos nur eins auswischen? – und fertigte eine hölzerne Kuh von solcher Natürlichkeit, dass der Stier sie besprang und die in ihm hockende Pasiphaë begattete.
Ungeheuerlicher als die Geilheit erwies sich die Frucht derselben, die Missgeburt Minotauros, ein Mensch mit Stierkopf. Sein »Stiefvater« Minos entsetzte sich bei dessen Anblick derart, dass er Daidalos beauftragte, die Schande zu verbergen. Der Meisterschmied baute das unentrinnbare Labyrinth51, in dem Minotauros52 gefangengehalten wurde und wo man ihm die Menschenopfer aus Athen darbrachte.