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2.2 Lagetypen von Städten

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Lage in der Kultur-/ Naturlandschaft

Eine seit Langem in der Stadtgeographie diskutierte Frage ist die nach typischen Lagen von Städten, aus denen sich evtl. Hinweise auf ihre Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte und ihre früheren und gegenwärtigen Funktionen ableiten lassen (vgl. SCHWARZ 1989b, S. 862ff.). Die Beschäftigung mit Lagetypen von Städten steht daher häufig im Zusammenhang mit historisch-genetischer Stadtforschung, kann aber auch für aktuelle wirtschaftsgeographische Untersuchungen wertvolle Hinweise geben. In der Stadtgeographie des 19. Jahrhunderts wurde überwiegend die Lage von Städten in der Naturlandschaft, häufig rein deskriptiv oder im Sinne eines sehr eng gesehenen Naturdeterminismus, thematisiert. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts trat gleichbedeutend daneben die Lage in der Kulturlandschaft in den Blickpunkt der Stadtforschung. In beiden Fällen unterscheidet man zwischen der „geographischen“ (großräumigen) Lage – z. B. im nationalen oder regionalen Maßstab – und der „topographischen“ (kleinräumigen, Orts-)Lage.

Lage als Funktionsbeschreibung

In der gegenwärtigen stadtgeographischen Forschung spielt die Lage von Städten vor allem dann eine Rolle, wenn sich aus ihr Erkenntnisse über ihre Funktionen, ihre Entwicklungsmöglichkeiten oder -hindernisse, ihre wirtschaftlichen Schwerpunkte u. Ä. ergeben. So können, um nur einige Beispiele zu nennen, Lagetypen von Städten von Bedeutung sein bei Fragen der Stadtwirtschaft (Küstenlage, Passlage, Fern- und Nahverkehrslage), des Städtetourismus (Lage in einer attraktiven natürlichen Umgebung oder in einem bestimmten kulturlandschaftlichen Umfeld, Lage an Transitrouten), der Industrie- und Gewerbeansiedlung (Lage zu Rohstoff- oder Absatzmärkten, zu Verkehrswegen, insbesondere zu Eisenbahn- oder derzeit eher zu Autobahnknotenpunkten, zu politischen Grenzen), der Verwaltungsgliederung eines Raumes (Mittelpunktslage einer Hauptstadt im Sinne guter Erreichbarkeit vom gesamten Territorium) usw.

Wichtige Lagetypen

Wichtige Lagetypen sind, ohne Vollständigkeit anzustreben, beispielsweise

 die Küstenlage, die – je nach dem Typ der Küste – günstige Voraussetzungen für einen Hafen und damit für außenhandelsorientierte Industrien (z. B. Containerhafen, Öl- oder Erzhafen) und Dienstleistungen oder auch für den Wassersport und den Tourismus bieten kann. Oft sind Städte in Küstenlage aus Häfen hervorgegangen und haben bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen später auch touristische Bedeutung erlangt (z. B. Segelhafen, Anlaufhafen für Kreuzfahrtschiffe).

 die Flusslage, eine sehr häufige Lage von Städten, die ihren Ursprung nicht selten der günstigen Möglichkeit einer Querung des betreffenden Flusses (Furtlage oder Brückenlage) oder aber der Verkehrsbedeutung als Binnenhafen an einem schiffbaren Fluss verdanken (Flusshafenlage). Wegen der im Vergleich zur Gegenwart ungleich größeren Bedeutung der Flussschifffahrt vor Beginn des Eisenbahnzeitalters spielte die Flusslage damals eine relativ große wirtschaftliche Rolle.

 die Tallage, eine bei älteren Städten eher seltene Lage in den Fällen, wo das Tal überschwemmungsgefährdet oder wegen Versumpfung seuchengefährdet war. Hier lagen die Städte meist in Talhanglage oder Schwemmfächerlage. In der Gegenwart werden verkehrs- oder gewerbebedingte Erweiterungen von Städten, deren Kern in Hanglage situiert ist, häufig in ebener Tallage geplant, da hier günstigere Bedingungen für die Errichtung von Verkehrsanlagen oder Industrie- und Gewerbebauten gegeben sind.

 die Insellage, die je nach der Gründungs- oder Entstehungsgeschichte der Stadt teils bewusst als Schutzlage, zum Teil aber auch aufgrund günstiger Fernverkehrslage in Bezug auf Schifffahrt und Außenhandel gewählt wurde (Flussinsel oder der Küste eines Binnensees oder des Meeres vorgelagerte Insel). Abbildung 2.2 zeigt die Stadt Lindau im Bodensee als Beispiel für eine Insellage in einem Binnensee. In der Gegenwart führt die Insellage von Städten bei Vorliegen geeigneter klimatischer Bedingungen und entsprechend ausgebauter Infrastruktur häufig eine Entwicklung zum Touristenzentrum herbei (z. B. Seebäder auf den Ost- und Nordfriesischen Inseln oder Touristenzentren auf den Kanarischen Inseln). Auch im übertragenen Sinn wird der Begriff verwendet, so wird die Insellage gelegentlich auch auf eine isolierte Stadtanlage in einem großen Waldgebiet („Rodungsinsel“) oder auf die Stadtanlage auf einer trockenen Erhebung in einem Moorgebiet angewandt. Zur Zeit der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg sprach man auch von der Insellage West-Berlins inmitten der DDR.


Abb. 2.2: Lindau im Bodensee als Beispiel für die Insellage einer Stadt (nach DIERCKE-WELTATLAS, 94. Aufl., 1957).

 die Gebirgsrandlage, die einer Stadt häufig wirtschaftliche Bedeutung als Ausgangspunkt des gebirgsquerenden Verkehrs verschaffte, insbesondere wenn es sich – im Fall von Hochgebirgen – um die Lage am Beginn einer Passstraße handelt (Passfußlage). In Gebirgsrandlagen entwickelten sich aber auch Städte als Verarbeitungszentren bergbaulicher oder holzwirtschaftlicher Produkte des Gebirges, vor allem durch das Vorkommen kostengünstiger Hydroenergie am Gebirgsrand. Schließlich konnten sich im 20. Jahrhundert Gebirgsrandstädte nicht selten zu Zentren des gebirgsbezogenen Sommer- oder Wintertourismus entwickeln (z. B. Innsbruck, Garmisch-Partenkirchen, Oberstdorf).

 die Gipfel- oder Akropolislage (nach dem Beispiel des antiken Athen), eine im Mittelmeerraum oft anzutreffende Lage von Städten, die als Schutzlage vor feindlichen Angriffen sowie vor Überschwemmungen und vor Seuchengefahren in den früher meist versumpften Tallagen gewählt wurde. Heute ist die Lage unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten nachteilig zu werten (häufig entwickeln sich neuere Stadterweiterungen am Fuß des Berges), während die Lage unter touristischen Aspekten positiv gesehen wird.

 die Meerengenlage, eine vor allem bei Kolonialstädten und sonstigen geplanten Stadtgründungen anzutreffende Lage wegen der Möglichkeit der leichten Querung eines Meeresarmes und der günstigen Bedingungen für die Schifffahrt bzw. der Kontrolle des Verkehrs durch die Meerenge. Singapur ist hierfür ein Beispiel.

 die Landengen- oder Isthmuslage, ebenfalls eine verkehrsgünstige Lage, da sich hier einerseits der Landverkehr bündelt, andererseits Schiffsverkehr häufig in zwei verschiedene Meeresgebiete möglich ist, so dass sich auf Landengen oftmals Städte als Verkehrszentren und Güterumschlagplätze entwickelt haben.

Variierende Lagebewertung

Generell gilt, dass die Bewertung der klein- wie der großräumigen Lage einer Stadt häufig regional differiert, sich aber auch im zeitlichen Verlauf durchaus ändern kann. Es lässt sich also nicht von vornherein z. B. von einer günstigen oder ungünstigen Lage einer Stadt – etwa in Bezug auf Verkehrsanbindung, Industrieansiedlung u. a. – sprechen. So kann beispielsweise die Lage an einer Flachküste mit Sandstrand unter dem Gesichtspunkt der Schiffbarkeit und des Außenhandels negativ bewertet werden, während sich die gleiche Lage zu einer anderen Zeit oder in einer anderen Region unter dem Aspekt einer sich entwickelnden Destination für den Bade- und Erholungstourismus als sehr vorteilhaft erweist. Die Lage in einem überschwemmungsgefährdeten Flusstal wird in der Regel zunächst einmal negativ gesehen werden, während sich die gleiche Lage nach einer eventuellen Regulierung, Eindeichung u. Ä. des Flusses unter dem Aspekt der Wasserkraftnutzung, der Flussschifffahrt, der industriellen Brauchwassergewinnung, der Brücken- und Verkehrsknotenfunktion usw. ausgesprochen positiv darstellt.

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