Читать книгу Verteidigung im Revisionsverfahren - Reinhold Schlothauer - Страница 75
I. Rechtsgrundlagen
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Der Spezialitätsgrundsatz ist in Art. 14 EuAlÜbK und § 83h IRG verankert. Er bedeutet, dass eine ausgelieferte oder aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebene Person wegen einer vor der Auslieferung begangenen anderen Tat als derjenigen, die dem Auslieferungsersuchen bzw. dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde lag, weder verfolgt noch verurteilt werden darf.
Bei einer Auslieferung auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls begründet die Spezialitätsbindung nach inzwischen vorherrschender Meinung allerdings kein Verfahrenshindernis, sondern allein ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen.[62] Der Strafverfolgung sowie der Verurteilung steht der Spezialitätsgrundsatz nicht entgegen.[63] Die Einbeziehung einer entspr. Strafe in eine Gesamtstrafe ist jedoch nicht möglich.[64] Mit der Revision angegriffen werden kann somit allein ein Gesamtstrafausspruch, der eine wegen des Spezialitätsgrundsatzes nicht vollstreckbare Strafe enthält.[65]
In den Art. 14 EuAlÜbK unterliegenden Fällen besteht dagegen ein Verfahrenshindernis.[66] Der Spezialitätsgrundsatz schließt in diesen Fällen nicht nur die Festsetzung selbständiger Strafen für andere Taten als die Auslieferungstat aus, sondern auch deren Mitbestrafung auf dem Wege der Erhöhung der für die Auslieferungstat verwirkten Strafe. Dies schließt jedoch nicht aus, den Strafrahmen eines festgestellten Qualifikationstatbestandes der Verurteilung wegen der Auslieferungstat auch dann zu Grunde zu legen, wenn diese Feststellungen mittels Beweiserhebungen zu einer verfahrensfremden Tat getroffen wurden. Der Spezialitätsgrundsatz schließt es ferner nicht aus, Umstände, die eine Straftat darstellen, auf die sich die Auslieferung nicht erstreckt, bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft der Auslieferungstat als Indiz zu berücksichtigen.[67]
Ist der Ausgelieferte mit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils auf freien Fuß gesetzt worden, entfällt die Spezialitätsbindung gem. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk dann, wenn er – obwohl er über die Rechtsfolgen dieser Vorschrift informiert worden ist und die Möglichkeit einer Ausreise hatte – nicht innerhalb von 45 Tagen die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat oder wenn er nach dem Verlassen Deutschlands dorthin zurückgekehrt ist.[68]
Die Verurteilung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ist nicht ausgeschlossen, sofern ihr derselbe Sachverhalt zugrunde liegt.[69]
Grundlage der Überprüfung, ob ein Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz vorliegt, ist der Vergleich des abgeurteilten Vorwurfs mit dem dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Vorwurf auf der Grundlage des prozessualen Tatbegriffs.