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b) Willkürliche Annahme der Zuständigkeit
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Die Revision ist ausnahmsweise dann begründet, wenn das Gericht höherer Ordnung seine Zuständigkeit ohne sachlich rechtfertigenden Grund bejaht und der Angeklagte dadurch willkürlich seinem gesetzlichen Richter entzogen wird.[9] Dies gilt auch dann, wenn das höherrangige Gericht nicht auf Grund einer Verweisung durch ein Gericht niedrigerer Ordnung (§ 270 StPO), sondern durch eine Übernahmeentscheidung nach § 225a Abs. 1 S. 2 StPO mit der Sache befasst wurde.[10]
Von Willkür[11] kann etwa dann die Rede sein, wenn für den Richter leicht erkennbar ist, dass bei einer Anklage zum Landgericht unter keinen Umständen eine höhere Freiheitsstrafe als 4 Jahre zu erwarten ist[12] und auch die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG offensichtlich fehlen.[13] Vergleichbar ist der Fall einer Anklage zum und Verurteilung durch das Schöffengericht wegen Beleidigung eines Richters.[14] Ähnliches gilt, wenn z.B. die Vorraussetzungen für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens nicht vorliegen.[15] Ein Fall der willkürlichen Entziehung des gesetzlichen Richters ist auch gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 270 Abs. 1 S. 2 StPO für eine Verweisung der Sache an das Schwurgericht nach Beginn der Hauptverhandlung nur deshalb nicht vorlagen, weil der Angeklagte bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung den Einwand der funktionellen Unzuständigkeit nicht erhoben hatte und die an sich unzuständige Strafkammer von Rechts wegen (funktionell) zuständig geworden ist. Das gilt selbst dann, wenn Umstände, die der Zuständigkeit der allgemeinen Strafkammer entgegenstanden, erst nach dem in § 6a S. 3 StPO bezeichneten Zeitpunkt hervortreten.[16] Rechtswidrig und, wegen Einbeziehung der normativen Kriterien des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG, willkürlich ist ein nach Eröffnung des Verfahrens vor dem Gericht niedrigerer Ordnung ergangener Verweisungsbeschluss gem. § 270 StPO (z.B. Annahme eines besonderen Umfangs der Sache nach Scheitern von Verständigungsgesprächen beim Amtsgericht[17]).
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Unklar ist, ob die willkürliche Annahme der Zuständigkeit ein Verfahrenshindernis[18] darstellt oder „nur“ den Entzug des gesetzlichen Richters zur Folge hat, der zur Urteilsaufhebung führt. Der BGH hat in mehreren Fällen kein Verfahrenshindernis angenommen, sondern einen Verfahrensfehler, der zur Aufhebung und Zurückverweisung an das zuständige Gericht führt.[19]
Ein Verfahrenshindernis wird nur dann angenommen werden können, wenn die Annahme der sachlichen Zuständigkeit auf unsachlichen, sich von den gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen beruht und unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar erscheint.[20]
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Unklar ist ferner, ob bei willkürlicher Annahme der Zuständigkeit das Revisionsgericht ein mögliches Verfahrenshindernis auf die Sachrüge von Amts wegen oder nur auf eine entspr. Verfahrensrüge hin prüft. Nach der Auffassung des 4. Senats des BGH ist die Prüfung bei Erhebung einer Sachrüge von Amts wegen vorzunehmen.[21] Dagegen verlangen der 1. und 5. Senat in nicht tragenden Erwägungen eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entspr. Verfahrensrüge.[22]
Es empfiehlt sich daher, eine Verfahrensrüge zu erheben![23]