Читать книгу Deutsche Geschichte - Ricarda Huch - Страница 27

Die letzten Hohenstaufer

Оглавление

Was die Lan­go­bar­den, was die Ka­ro­lin­ger, was die star­ken Ot­to­nen und die her­ri­schen Sa­lier ver­ge­bens er­streb­ten, das schi­en nun den Stau­fen zu­zu­fal­len: die Herr­schaft in Ita­li­en. Das süd­li­che Reich, das im Be­sitz Grie­chen­lands ge­blie­ben war, das dann die Nor­man­nen er­obert und zur Ver­fü­gung des Paps­tes ge­stellt hat­ten, das hat­te Bar­ba­ros­sa an sei­nen Sohn ge­bracht. Eine neue mär­chen­haf­te Welt tat sich den Deut­schen auf, wo das Grab des großen Zau­be­rers Vir­gil und der Ein­gang zu den Höh­len des Ha­des wa­ren, wo die heid­nischen Sa­ra­ze­nen mit den Küns­ten des Ori­ents die christ­li­che See­le be­rück­ten. Vom Bal­ti­schen Mee­re bis zum Adria­ti­schen und zum Mit­tel­mee­re brei­te­te sich das Hei­li­ge Reich und schon wuchs es hin­über nach Afri­ka und nach Asi­en. Es ver­lor nicht im Nor­den, was es im Sü­den ge­wann, viel­mehr dehn­te es sich wei­ter und wei­ter nach dem Os­ten, und bald konn­ten sei­ne Kauf­leu­te, ohne frem­des Ge­biet zu be­rüh­ren, Bern­stein von der sam­län­di­schen Küs­te nach Pa­ler­mo füh­ren. In­mit­ten des mit­täg­li­chen Glan­zes, der wie ein Man­tel von Feu­er das Stau­fer­reich um­starr­te, lief zu­wei­len ein Schau­er über die See­le des deut­schen Vol­kes. War es das ah­nungs­vol­le Be­wusst­sein, dass es nicht gut ist, die Höhe er­reicht zu ha­ben, weil alle na­tür­li­chen Din­ge sich auf­lö­sen müs­sen und von der Höhe zur Tie­fe stre­ben? An der Mo­sel sah man auf schwar­zem Geis­ter­roß Diet­rich von Bern vor­über­glei­ten. Trieb den Un­be­sieg­ba­ren die Sor­ge um sein be­droh­tes Volk? Ein an­de­rer Schat­ten rühr­te sich im auf­ge­wühl­ten Ab­grund und stieg war­nend ans Licht: der An­ti­christ. Im­mer von Zeit zu Zeit be­un­ru­hig­te die­se apo­ka­lyp­ti­sche Ge­stalt die Ge­mü­ter; jetzt zog ihn das Ge­fühl des En­des her­bei, den man auch den En­de­krist nann­te. In dem Spiel vom An­ti­christ, das wahr­schein­lich am Ende des 12. Jahr­hun­derts in Deutsch­land auf­ge­führt wur­de, misch­te sich dies End­ge­fühl mit dem stol­zen Be­wusst­sein der durch den Kö­nig ver­wirk­lich­ten Wel­t­herr­schaft. Sei­nen Tri­umph, dem sich alle Mäch­te un­ter­ord­nen, den auch Frank­reich an­er­kennt, das auf die Nach­fol­ge Karls des Gro­ßen und die Wel­t­herr­schaft An­spruch er­hob, un­ter­bricht der An­ti­christ mit den Schick­sals­wor­ten: Mei­nes Rei­ches Stun­de ist ge­kom­men. Nicht die Reichs­fein­de füh­ren sei­nen Sturz her­bei, von der gott­ähn­li­chen Macht des Bö­sen um­garnt, steigt er selbst vom Thro­ne und legt sei­ne Kro­ne dem An­ti­christ zu Fü­ßen. Wie im ger­ma­ni­schen My­thos von der Göt­ter­däm­me­rung der Bruch des Rech­tes durch die Göt­ter das Ende her­bei­führt und recht­fer­tigt, so hier der Ab­fall des Kai­sers von Gott, da er das ver­larv­te Böse nicht mehr vom ech­ten un­ter­schei­det.

Die Nach­richt vom fer­nen Tode Bar­ba­ros­sas ging wohl wie eine Wol­ke über die Mit­tags­glut des Rei­ches; aber sie brann­te fort, ob­wohl der Um­stand, dass die Söh­ne der Hero­en ent­ar­tet zu sein pfle­gen, den Über­gang der Herr­schaft auf die Er­ben ei­nes Gro­ßen ge­fähr­lich macht. Alle Kin­der Fried­richs I., sei­ne fünf Söh­ne, wie sei­ne Töch­ter, star­ben jung; zwei von den Söh­nen al­ler­dings, Kon­rad, Her­zog von Sach­sen, und Phil­ipp, der jüngs­te, durch Mord. Hein­rich, schon zu Leb­zei­ten des Va­ters Mit­re­gent, ent­sprach äu­ßer­lich nicht dem Bil­de der Deut­schen von ih­rem Kai­ser; wohl war er schön von Ge­sicht, aber dun­kel und schmäch­tig. In der Kunst des Herr­schens glich er dem Va­ter, nur dass alle sei­ne Äu­ße­run­gen um eine Schwin­gung här­ter und schär­fer wa­ren. Ein Lie­bes­ge­dicht, das von ihm vor­han­den ist, zeigt, dass er sich rit­ter­li­che Bil­dung an­ge­eig­net hat­te, und deu­tet viel­leicht auf Stun­den des Spiels und der Schwär­me­rei, die ihm be­schie­den wa­ren; es be­glei­tet mit weh­mü­ti­gem Flug sei­nen blu­ti­gen Gang durch die Ge­schich­te.

Zwei Zie­le ver­folg­te Hein­rich VI.: das Kö­nig­tum in Deutsch­land erb­lich zu ma­chen und sich Sü­dita­li­en zu un­ter­wer­fen, auf das er durch sei­ne Hei­rat mit Con­stan­ze An­spruch hat­te, bei­des fast aus­sichts­lo­se Un­ter­neh­mun­gen. Be­denkt man, dass alle Kö­ni­ge die Erb­lich­keit der Kro­ne, wenn auch meist nur im ein­zel­nen Fal­le, an­ge­strebt hat­ten, und dass im­mer mehr von Fürs­ten und Papst ge­mein­sam der Grund­satz der Erb­lich­keit hef­tig be­kämpft wur­de, er­scheint es wie ein Wun­der, dass auf ei­nem Hof­ta­ge zu Würz­burg im Jah­re 1196 der jun­ge Kai­ser die An­nah­me des­sel­ben durch­setz­te. Wahr­schein­lich ver­zich­te­te er schon bald da­nach auf den er­lang­ten Er­folg, um die Stim­men wi­der­stre­ben­der Fürs­ten für die Wahl sei­nes Soh­nes zu ge­win­nen; eine Erb­mon­ar­chie in Deutsch­land hät­te auf die Dau­er wohl we­der die Ei­fer­sucht der Stäm­me noch die geo­gra­fi­sche Be­schaf­fen­heit Deutsch­lands ge­lit­ten. Auch in Un­ter­ita­li­en er­reich­te er, was er woll­te: nach grau­sa­mer Un­ter­drückung des Wi­der­stan­des muss­te sich Si­zi­li­en un­ter­wer­fen. Mit den un­ge­heu­ren Reich­tü­mern, die ihm aus dem Schatz der nor­man­ni­schen Kö­ni­ge zu­fie­len, si­cher­te er sich die An­hän­ger­schaft der deut­schen Fürs­ten und Rit­ter. Eine zwei­te au­ßer­or­dent­li­che Ein­nah­me ver­schaff­te ihm die Ge­fan­gen­schaft von Richard Lö­wen­herz, der sich nur durch ein großes Lö­se­geld die Frei­heit er­kau­fen konn­te. Den Papst ge­wann er da­durch, dass er das Kreuz nahm, ver­mut­lich ohne die Ab­sicht, selbst den Kreuz­zug an­zu­tre­ten. Die nüch­ter­ne Art, wie er, ein­zig den po­li­ti­schen Nut­zen im Auge, die Ge­bo­te der Rit­ter­lich­keit und zu­wei­len auch die der Ehre und Men­sch­lich­keit bei­sei­te ließ, miss­bil­lig­te man­cher Zeit­ge­nos­se; et­was Un­heim­li­ches lag in sei­ner Ver­bin­dung mit der Frem­den, die Mut­ter sei­nes Soh­nes war und als Ver­tre­te­rin ih­res Vol­kes ihn hass­te und, wie es hieß, ihn ver­gif­te­te. Wenn die trot­zi­gen deut­schen Fürs­ten kei­nen Wi­der­spruch ge­gen ih­ren schnei­di­gen Herrn wag­ten, wenn die Si­zi­lia­ner sich un­ter­war­fen und selbst das Glück an ihn ge­fes­selt schi­en, der Tod blies gleich­gül­tig das stol­ze Licht aus.

In Deutsch­land über­wog noch die An­häng­lich­keit an die stau­fi­sche Dy­nas­tie; aber in Ita­li­en war das Auf­schnel­len des Wi­der­stan­des umso hef­ti­ger, je straf­fer die Zü­gel ge­spannt ge­we­sen wa­ren. Nach­dem die Stau­fer nahe dar­an wa­ren, eine Erb­mon­ar­chie in Deutsch­land zu er­rich­ten, und Si­zi­li­en er­obert hat­ten, wa­ren die Päps­te ent­schlos­sen, sie zu ver­nich­ten. Zu die­sem Zweck ver­ban­den sie sich mit den lom­bar­di­schen Städ­ten. Wä­ren die deut­schen Kö­ni­ge Her­ren im Sü­den, Her­ren in der Lom­bar­dei und dazu noch Her­ren in der To­s­ka­na durch den Be­sitz der Mat­hil­di­schen Gü­ter, so konn­te Rom, von al­len Sei­ten ein­ge­schlos­sen, ih­nen nicht ent­ge­hen; sie wa­ren dann in Wahr­heit Kö­ni­ge von Ita­li­en. Das Ge­fühl, Rom zu sein, Ita­li­en zu sein, er­füll­te die Päps­te mit der Ener­gie na­tio­na­ler Lei­den­schaft. So we­nig wie einst die Lan­go­bar­den woll­ten sie jetzt die Deut­schen in Rom und Ita­li­en dul­den, wie einst der Fran­ken­kö­nig muss­te jetzt ein Fürst ge­won­nen wer­den, um Ita­li­en zu be­frei­en. Der tra­gi­sche Wi­der­spruch, dass der Papst schick­sals­mä­ßig Nach­fol­ger der Cäsa­ren ge­wor­den war und doch kein Schwert führ­te, viel­mehr durch sein Amt zum Frie­dens­fürs­ten be­stimmt war, macht das Dä­mo­ni­sche sei­nes Wü­tens ge­gen die Kai­ser, die er selbst ge­ru­fen und ge­salbt hat­te, ver­ständ­lich. Ohn­mäch­tig im welt­li­chen Sinn konn­te er nur durch Fluch und Bann, durch das Gift der Ver­leum­dung wir­ken.

Lo­thar von Seg­ni, der als In­no­cenz III., erst 37 Jah­re alt, Papst wur­de, er­klär­te sei­nen Stand­punkt, in­dem er sag­te, dem Fürs­ten wer­de die Macht auf Er­den, dem Pries­ter aber auch die Ge­walt im Him­mel ver­lie­hen, je­nem nur über den Leib, die­sem auch über die See­le. So viel die Wür­de der See­le die des Lei­bes über­ra­ge, eben­so über­ra­ge die Wür­de des Pries­ter­tums die des Kö­nig­tums. Ei­nen Ein­fluss auf die Kö­nigs­wahl habe der Papst zu be­an­spru­chen, weil das Reich ihm sei­nen Ur­sprung und sei­ne Vollen­dung ver­dan­ke, den Ur­sprung, weil er das Reich von Grie­chen­land nach Rom ver­pflanzt habe, die Vollen­dung, weil er dem Kö­nig die Kai­ser­kro­ne ver­lei­he. Die Stau­fer nann­te er ein Ge­schlecht von Ver­fol­gern der Kir­che; er wür­de, wenn er einen Stau­fer krö­ne, ei­nem Räu­ber Waf­fen ge­gen sich selbst in die Hand drücken. Die Fürs­ten in­des­sen, geist­li­che wie welt­li­che, be­strit­ten dem Papst in be­stimm­ten Aus­drücken das Recht zur Ein­mi­schung in die Wahl, und Hein­richs Bru­der Phil­ipp, ein lie­bens­wür­di­ger und be­lieb­ter Mann, hat­te sich all­ge­mei­ne Aner­ken­nung er­kämpft, als er von Otto von Wit­tels­bach, der sich von ihm be­lei­digt glaub­te, er­mor­det wur­de. Otto, Hein­richs des Lö­wen Sohn, den In­no­cenz als An­ge­hö­ri­gen ei­ner der Kir­che er­ge­be­nen Fa­mi­lie un­ter­stützt hat­te, trat als un­be­strit­te­ner Kai­ser so­fort in den un­ent­rinn­ba­ren Ge­gen­satz ein, in­dem er mit Nach­druck die Reichs­rech­te auf Ita­li­en gel­tend mach­te und sich zur Erobe­rung Si­zi­li­ens an­schick­te. »Es reut mich, den Men­schen ge­macht zu ha­ben«, sag­te In­no­cenz mit den Wor­ten Got­tes. Un­ge­fähr­li­cher als der rück­sichts­lo­se Wel­fe kam ihm der ju­gend­li­che Fried­rich vor, Hein­richs VI. Sohn, der als sein Mün­del in Si­zi­li­en auf­ge­wach­sen war und mit dem er in gu­tem Ein­ver­neh­men stand. Als der Acht­zehn­jäh­ri­ge ins Reich auf­brach und durch Rom kam, be­geg­ne­ten sich der mäch­ti­ge Papst und der stol­ze Stau­fer zum ers­ten und ein­zi­gen Male. In­no­cenz starb vier Jah­re spä­ter; vor­her hat­te er die Ge­nug­tu­ung, auf ei­nem Kon­zil im La­te­ran den auf­säs­si­gen Wel­fen ab­zu­set­zen. In der Kir­che hat er das mon­ar­chi­sche Prin­zip, das er im Reich so schnei­dend be­kämpf­te, ge­stärkt und in al­len Län­dern au­ßer Frank­reich die Bi­schö­fe von sich ab­hän­gig ge­macht.

Im 7. und 8. Jahr­hun­dert wie­sen es die Päps­te streng zu­rück, wenn sie als all­ge­mei­ne Bi­schö­fe an­ge­re­det wur­den, weil sie da­durch den üb­ri­gen Bi­schö­fen, ih­ren Brü­dern, zu nahe trä­ten. Sie woll­ten nicht mehr sein als die an­de­ren, nur wenn ei­ner sich ver­gan­gen hät­te, woll­ten sie sie zu­recht­wei­sen und in Fäl­len des Strei­tes oder der Un­ge­wiss­heit ent­schei­den dür­fen. In­no­cenz III. be­schränk­te ihre Rech­te, bis sie nicht viel mehr als Be­am­te des Paps­tes wa­ren. Der Geist Roms rich­te­te sich ge­bie­te­risch auf. Wozu ein­zel­ne Päps­te den Grund ge­legt hat­ten, das stand nun hül­len­los mas­siv da: die rö­mi­sche Wel­t­herr­schaft in der Hand der Päps­te. Wie­der­ge­kom­men war die Ver­göt­te­rung der Cäsa­ren, die einst die christ­li­che Kir­che als Blas­phe­mie der Hei­den ver­dammt hat­te. In­no­cenz III. sag­te, er sei we­ni­ger als Gott und mehr als die Men­schen und leg­te den Ton mehr auf das Er­ho­ben­sein des Sterb­li­chen in die Nähe der All­macht als auf den Zwi­schen­raum, der ihn noch von Gott trenn­te. Das­sel­be Ziel ver­folg­te Gre­gor IX. in an­de­rer Art. In­no­cenz war ein großer Or­ga­ni­sa­tor, um­sich­tig, im­mer sei­ner Zwe­cke be­wusst und sei­ne Mit­tel be­herr­schend mit der ru­hi­gen Si­cher­heit des rei­fen Man­nes. Gre­gor war alt, als er zur Re­gie­rung kam, und das Al­ter mil­der­te sei­ne Lei­den­schaft nicht, son­dern stei­ger­te sie zu äu­ßers­tem Un­ge­stüm. Er muss­te große Ta­ten in eine kur­ze Span­ne zwin­gen, muss­te mit dem Feu­er des Geis­tes die Ge­brech­lich­keit des Kör­pers er­set­zen. Der Stil der päpst­li­chen Ku­rie, der von je­her eine Mi­schung spät­rö­mi­schen Pom­pes und from­mer Rüh­rung ge­we­sen war, schwoll grell an. Gre­gor ent­zün­de­te einen ro­ten apo­ka­lyp­ti­schen Him­mel über Ita­li­en und Deutsch­land. Aber auch in das Kai­ser­tum drang rö­mi­scher Atem ein. Fried­rich I. zwar hat­te die rö­mi­schen Ide­en nur be­nützt, sich nicht da­von be­herr­schen las­sen; aber schon Hein­rich VI., vor dem, als er in Pa­ler­mo ein­zog, das Volk sich wie vor ei­nem Gott in den Staub warf, be­gann in Si­zi­li­en eine Herr­schaft auf­zu­rich­ten, de­ren zen­tra­lis­ti­scher Cha­rak­ter der deut­schen Auf­fas­sung wi­der­sprach. Fried­rich II. vollen­de­te den Be­am­ten­staat, den er un­um­schränkt wie ein De­spot re­gier­te, wie der Papst über die sterb­li­chen Men­schen in die Nähe der Gott­heit ent­rückt. Auch in Fried­richs Kanz­lei wur­de ein ge­bausch­tes Pa­thos üb­lich; zwei Mäch­te stie­ßen auf­ein­an­der, die sich be­wusst wa­ren, auf ei­ner Ebe­ne zu Häup­ten der Mensch­heit zu kämp­fen.

Fried­rich II. such­te sich im Be­ginn sei­ner Re­gie­rung mit In­no­cenz und des­sen Nach­fol­ger Ho­no­ri­us gut zu stel­len, in­dem er förm­lich ver­sprach, ers­tens sein Kö­nig­reich Si­zi­li­en nicht mit dem Rei­che zu ver­ei­ni­gen, son­dern es, so­wie er Kai­ser ge­wor­den wäre, sei­nem Soh­ne Hein­rich zu über­ge­ben, zwei­tens einen Kreuz­zug zu un­ter­neh­men. Nach­dem er im Jah­re 1219 zum Kai­ser ge­krönt war, blie­ben bei­de Ver­spre­chun­gen un­er­füllt. Die Vor­wür­fe des Paps­tes gab er zu­rück, in­dem er sag­te, dass Ho­no­ri­us schlecht qua­li­fi­zier­te nie­de­re Leu­te als Kreuz­zugs­pre­di­ger nach Deutsch­land schi­cke. Als Gre­gor Papst wur­de, ver­fin­gen die Aus­flüch­te nicht mehr. Fried­rich sol­le, sag­te er, sich von den Lüs­ten der Welt ab­keh­ren, dem Himm­li­schen zu. Ihm sei eine drei­fa­che Kro­ne ver­lie­hen: von Deutsch­land, der Mut­ter, er­hal­te er die Gna­den­kro­ne durch die freie Wahl der Fürs­ten, von der Lom­bar­dei, der Stief­mut­ter, die Kro­ne der Ge­rech­tig­keit, vom Paps­te, dem Va­ter, die Kro­ne des Ruh­mes, die ihm den Vor­rang vor al­len Ge­wal­ten der Welt gebe und das Reich mit Chris­tus, der eben­falls mit ei­nem drei­fa­chen Dia­dem ge­krönt sei. Kei­nen ge­rin­gen Rang ge­stand Gre­gor sei­nem Geg­ner mit die­sem pracht­vol­len Bil­de zu; er dach­te groß ge­nug, sich mit ei­nem Eben­bür­ti­gen mes­sen zu wol­len. Im Spät­som­mer des­sel­ben Jah­res schiff­te sich Fried­rich, um den Kreuz­zug an­zu­tre­ten, in Brin­di­si ein; aber plötz­lich wur­de er krank, wie er sag­te, und muss­te zu­rück­blei­ben. Das ent­fach­te den Streit von Neu­em. Ohne Un­ter­su­chung setz­te Gre­gor vor­aus, dass die Krank­heit des Kai­sers vor­ge­täuscht sei, und ex­kom­mu­ni­zier­te ihn, sich dar­auf stüt­zend, dass der Kai­ser selbst sich dem Bann ver­fal­len er­klärt hät­te, wenn er sein Ver­spre­chen nicht er­fül­len soll­te. Fried­rich be­ant­wor­te­te den An­griff da­mit, dass er al­len Kle­ri­kern, Or­dens- und Welt­geist­li­chen in Si­zi­li­en be­fahl, den Got­tes­dienst wie im­mer ab­zu­hal­ten, wid­ri­gen­falls er ihre Gü­ter ein­zie­hen wür­de, und dass er die an­ge­se­hens­ten rö­mi­schen Fa­mi­li­en zu sei­nen Va­sal­len mach­te, in­dem er ih­nen ihre Gü­ter ab­kauf­te und sie da­mit be­lehn­te. Dann un­ter­nahm er die Kreuz­fahrt und er­rang einen über alle Er­war­tung glän­zen­den Er­folg. Ohne Kampf, durch per­sön­li­ches Ver­han­deln und klu­ges Ein­ge­hen auf die Ei­gen­art der Sa­ra­ze­nen be­wirk­te Fried­rich, dass der Sul­tan ihm Je­ru­sa­lem, Beth­le­hem, Na­za­reth, die hoch­hei­li­gen Orte Pa­läs­tinas, dazu Ty­rus und Si­don über­ließ; ein­zig der Tem­pel des Herrn in Je­ru­sa­lem soll­te un­ter sa­ra­ze­ni­scher Be­wa­chung blei­ben, weil die Sa­ra­ze­nen dort zu be­ten pfleg­ten, aber den Chris­ten soll­te frei­er Zu­tritt zur Ver­rich­tung ih­rer An­dacht ge­währt sein. Ver­schie­de­ne an­de­re Ver­güns­ti­gun­gen ka­men dazu. Es war ein Er­folg, der ei­nem Wun­der glich und wie ein Got­tes­ur­teil zu­guns­ten des Kai­sers er­schi­en. Trotz­dem be­herrsch­te Fried­rich sich so weit, dass er sich zwar die Kro­ne in Je­ru­sa­lem auf­setz­te, aber einen Got­tes­dienst, weil er ge­bannt war, nicht ab­hal­ten ließ. Dass gleich dar­auf Ge­sand­te des Paps­tes er­schie­nen und in sei­nem Na­men die hei­li­gen Stät­ten mit dem In­ter­dikt be­leg­ten, hob das An­se­hen des Kai­sers; denn wäh­rend die­ser den Chris­ten des Hei­li­gen Lan­des Frie­den und Recht brach­te, stör­te je­ner den Frie­den und das Ge­bet. Die Tat­sa­che, dass der Kai­ser, der das Hei­li­ge Land ge­wann, vom Papst ge­bannt war, ließ nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in ei­nem Teil des Aus­lan­des den Kai­ser als einen Gläu­bi­gen, den Papst als einen Frie­dens­bre­cher er­schei­nen.

Dass Fried­rich eine so maß­vol­le Hal­tung be­wahr­te, war Ver­dienst des Deutschor­dens­meis­ters Her­mann von Salza, dem dar­an lag, die bei­den Häup­ter der Chris­ten­heit in ein gu­tes Ver­hält­nis zu brin­gen. Auf sei­nen Rat hör­te der Kai­ser wie sonst auf we­nig Men­schen, weil er ihn ach­te­te und fühl­te, dass er im­mer das je­weils Bes­te woll­te. Von dem nicht größ­ten, aber in­ter­essan­tes­ten al­ler Kai­ser ist wie vom Ze­bra schwer zu sa­gen, wel­ches die Grund­far­be sei­nes Cha­rak­ters war. Er war nicht, wie sein Groß­va­ter Fried­rich Bar­ba­ros­sa, der al­lem und al­len ge­gen­über un­er­schüt­ter­lich der glei­che war, aus Hei­ter­keit und Zorn im­mer wie­der in das Gleich­ge­wicht ru­hi­gen Erns­tes über­ge­hend. Fried­rich II. lieb­te es, mit den Din­gen zu spie­len, es gab nichts, was sei­ne ita­lie­ni­sche Skep­sis nicht be­nag­te; aber er selbst woll­te sehr ernst ge­nom­men sein, und das ge­hei­lig­te Fun­da­ment, auf das er sich stell­te, durf­te nicht an­ge­tas­tet wer­den. Er er­laub­te sich ke­cke Scher­ze über christ­li­che Glau­bens­sät­ze, be­ton­te aber zu­gleich sei­ne Recht­gläu­big­keit, ver­folg­te die Ket­zer und führ­te die Spra­che des bi­bel­fes­ten Be­ken­ners im wit­zi­gen Mun­de. Sein schar­fer Ver­stand durch­drang Din­ge und Men­schen, durch­schau­te alle Falsch­hei­ten und sah hin­ter hoch­tra­ben­den An­kün­di­gun­gen die nied­ri­gen Ab­sich­ten; das gab ihm ein Ge­fühl der Über­le­gen­heit und ließ ihn die Men­schen ver­ach­ten. Vor nichts hat­te er Ehr­furcht au­ßer vor sei­ner kai­ser­li­chen Wür­de. Er er­mahn­te sei­nen Sohn Kon­rad, eif­rig zu stu­die­ren, da­mit er tüch­tig und wei­se wer­de. Denn die Kö­ni­ge, schrieb er ihm, wer­den ge­bo­ren wie die üb­ri­gen Men­schen und ster­ben auch wie sie. Sie hör­ten auf, Kö­ni­ge zu sein, wenn sie die kö­nig­li­che Weis­heit ver­gä­ßen und sich von Pri­vat­in­ter­es­sen be­herr­schen lie­ßen. Dann aber sprach er von dem ed­len Blut der Fürs­ten, dem ein fei­ner und ed­ler Geist ein­ge­gos­sen sei, und er pfleg­te vom Blut der Stau­fer als vom Reichs­ge­blüt oder dem Blut der Gött­li­chen zu spre­chen. Sol­che Aus­füh­run­gen wa­ren zu­wei­len ein Re­de­prunk, den er für an­ge­mes­sen hielt und über den er in man­chen Au­gen­bli­cken viel­leicht lach­te, da er wirk­lich über­zeugt war, dass Kö­ni­ge Men­schen wä­ren wie alle Men­schen; zu­gleich aber fühl­te er sich hoch über al­len Men­schen so­wohl durch sei­ne Ab­kunft wie durch sei­ne Be­ga­bung und Per­sön­lich­keit. Er hat­te zu sei­nem küh­len Ver­stan­de und nüch­ter­nen Scharf­blick die Ve­he­menz des Ge­nies und das schmerz­lich se­li­ge Selbst­be­wusst­sein des Letz­ten ei­ner be­deu­ten­den Fa­mi­lie. Auch sei­ne äu­ßer­li­che Er­schei­nung war nicht ein­fach: man rühm­te sein schö­nes Ge­sicht und sein kö­nig­li­ches Auf­tre­ten, aber sei­ne Kurz­sich­tig­keit und früh ein­tre­ten­de Kahl­köp­fig­keit ver­an­lass­ten einen Ara­ber zu der Be­mer­kung, als Skla­ve wür­de er nicht viel ge­gol­ten ha­ben. Da er das Schil­lern­de sei­nes We­sens und das Viel­fach­ge­schlif­fe­ne sei­nes Geis­tes emp­fand, lieb­te er die schlich­ten, fest­ge­grün­de­ten, ein­fa­chen Men­schen wie Her­mann von Salza und Land­graf Lud­wig den Hei­li­gen von Thü­rin­gen; die­sen hat­te er durch Her­manns Ver­mitt­lung ken­nen­ge­lernt. Auch dar­in war er ita­lie­nisch, dass ihm Freund­schaft der Män­ner mehr galt als Lie­be der Frau­en. Er war vier­mal ver­hei­ra­tet und hat­te Lie­bes­ver­hält­nis­se mit meh­re­ren Frau­en, ohne dass eine je­mals Ein­fluss auf ihn ge­habt zu ha­ben scheint. Die Söh­ne, die aus den flüch­ti­gen Ver­bin­dun­gen her­vor­gin­gen, lieb­te er mehr als die recht­mä­ßi­gen. Auch die Na­he­ste­hen­den sah er zu­wei­len mit den Schlan­gen­au­gen an, die sei­ne Fein­de ihm zu­schrie­ben, voll bö­ser Käl­te, und doch konn­te er rück­halt­los ver­trau­en und warm­her­zi­ge edle Män­ner an sich fes­seln.

Her­mann von Salza ver­stand den schwer zu durch­drin­gen­den ita­lie­ni­sier­ten Stau­fer in sei­ner Grö­ße und wuss­te ihn an­de­ren ver­ständ­lich zu ma­chen. Ihm haupt­säch­lich mag es zu ver­dan­ken ge­we­sen sein, dass eine Ver­söh­nung zwi­schen Papst und Kai­ser statt­fand und dass die­se vor­läu­fi­ge Klam­mer eine Zeit lang hielt. Die Ord­nung sei­nes si­zi­lia­ni­schen Staa­tes und ein Auf­ent­halt in Deutsch­land be­schäf­tig­ten den Kai­ser; so­wie er aber mit ei­nem aus­er­le­se­nen, haupt­säch­lich aus Süd­deut­schen be­ste­hen­den Hee­re zu­rück­kehr­te, um die Lom­bar­dei zu un­ter­wer­fen, brach Gre­gor aus der müh­sam be­wahr­ten Zu­rück­hal­tung vor. Die Ar­gu­men­te, de­ren er sich be­dien­te, wa­ren die ei­nes Paps­tes, aber sein Hass war der ei­nes Kö­nigs von Rom und Ita­li­en. Fried­rich sol­le nicht die Lom­bar­den be­kämp­fen, sag­te er, son­dern die Sa­ra­ze­nen, mit de­nen aber ver­keh­re er in Freund­schaft, ei­ner schnö­den, ver­werf­li­chen für einen christ­li­chen Kai­ser. Sol­le er Ita­li­en, sein Er­b­land, ver­lie­ren, recht­fer­tig­te sich Fried­rich, um das ent­fern­te Land der Sa­ra­ze­nen zu er­obern? Wäre er, ein ein­zel­ner Mensch, im­stan­de, die mäch­ti­gen Sa­ra­ze­nen zu be­sie­gen? Gera­de dar­um wol­le er Ita­li­en un­ter­wer­fen, das reich an Waf­fen, Pfer­den und al­len er­denk­li­chen Schät­zen sei, weil er die­se Schät­ze zum Kamp­fe ge­gen die Ungläu­bi­gen ver­wen­den wol­le. Als dann Fried­rich sei­ne na­tür­li­che Toch­ter Sel­vag­gia dem Ez­ze­li­no von Ro­ma­no zur Frau gab und da­mit einen treu­er­ge­be­nen An­hän­ger in der Lom­bar­dei ge­wann, sei­nen Sohn En­zio mit der Er­bin von Sar­di­ni­en ver­hei­ra­te­te, über das der Papst Le­hens­rech­te zu ha­ben be­haup­te­te, als er end­lich den ent­schei­den­den Sieg bei Cor­te­nuo­va über die Mai­län­der er­focht, schleu­der­te der Alte in wü­ten­der Verzweif­lung alle Waf­fen ge­gen den tri­um­phie­ren­den Feind, die ihm zur Hand wa­ren. In der Bul­le Aszen­dit de mare, Aus dem Meer steigt ein Tier, goss er über ihn aus, was der Hass ihm ein­gab und was sich ihm an Ver­leum­dung und Klatsch dar­bot. Fried­rich spie­ge­le der Welt vor, er habe das Hei­li­ge Land be­freit; in Wirk­lich­keit habe der Sul­tan nichts als die Mau­ern Je­ru­sa­lems ihm ab­ge­tre­ten. Er ver­fol­ge die Chris­ten, nicht die Sa­ra­ze­nen. Er habe ge­sagt, die Welt habe sich durch drei Be­trü­ger täu­schen las­sen: Je­sus, Mo­ses und Mo­ham­med, zwei von ih­nen sei­en auf der Höhe ih­res Ruh­mes ge­stor­ben, der drit­te, Je­sus, sei am Gal­gen auf­ge­hängt wor­den. Er leug­ne, dass Gott von ei­ner Jung­frau ge­bo­ren sei, er be­haup­te, dass die Men­schen nichts zu glau­ben brauch­ten, was nicht durch die na­tür­li­che Ver­nunft be­wie­sen wer­den kön­ne. Er sei ein Ket­zer, das Tier der Apo­ka­lyp­se, der Vor­läu­fer des An­ti­christ; er sei es und höre es gern, wenn man ihn so nen­ne.

An ei­nem Tage des Jah­res 1239, wäh­rend Fried­rich in Pa­do­va, wo er mit ei­nem Ele­fan­ten, fünf Leo­par­den und 24 Ka­me­len im Klos­ter San­ta Gi­us­ti­na ab­ge­stie­gen war, auf der Stadt­wie­se den Spie­len zu­sah, die dort jähr­lich ab­ge­hal­ten wur­den, ex­kom­mu­ni­zier­te ihn der Papst von Neu­em. Das traf ihn tief; wie we­nig er auch sein See­len­heil da­durch ge­fähr­det glau­ben moch­te, so we­nig un­ter­schätz­te er doch die Fol­gen des Ban­nes durch das Vor­ur­teil der Men­schen. Nicht nur, dass sei­ne Fein­de sich sei­ner be­die­nen konn­ten, auch un­ter sei­nen An­hän­gern er­reg­te er Un­si­cher­heit. Im Ban­ne war er nicht mehr der Unan­tast­ba­re, der hei­li­ge Kai­ser; er war ge­brand­markt, ob zu Recht oder Un­recht. Zu­nächst al­ler­dings wur­de die Stel­lung des Kai­sers nicht er­schüt­tert. Frank­reich, das Gre­gor mit der Kai­ser­kro­ne lock­te, die er dem fran­zö­si­schen Kö­nig zu­zu­wen­den ver­sprach, lehn­te vor­sich­tig ab. Wie kom­me der Papst dazu, wur­de ihm geant­wor­tet, einen so großen Fürs­ten vom Thro­ne zu sto­ßen, ohne dass er der ihm vor­ge­wor­fe­nen Ver­bre­chen über­führt sei? Das kön­ne nur ein Kon­zil tun. Wür­de der Papst mit fran­zö­si­scher Hil­fe den Kai­ser ent­thro­nen, wür­de er alle Fürs­ten der Welt mit Fü­ßen tre­ten, stolz ge­wor­den, weil er den großen Fried­rich zer­schmet­tert habe. Eben­so­we­nig lie­ßen sich die deut­schen Fürs­ten zum Ab­fall be­we­gen, sie dran­gen viel mehr in den Papst, der Zwie­tracht ein Ende zu ma­chen, die das Reich mit Aufruhr und Mord er­fül­le. Die Volks­s­tim­mung in Deutsch­land war vollends ganz und gar kai­ser­lich. »Rö­mi­sche Send­lin­ge und ihr Ge­bot – Ist jetzt Pfaf­fen- und Lai­en­s­pott«, sang der Dich­ter Frei­dank. In Schwä­bisch-Hall tra­ten Ket­zer auf, die be­haup­te­ten, der Papst, die Bi­schö­fe und Präla­ten wä­ren Ket­zer, Kai­ser Fried­rich und sein Sohn Kon­rad wä­ren voll­kom­men und ge­recht. Auch krie­ge­risch hat­te Fried­rich Er­fol­ge. Er drang sieg­reich im Kir­chen­staa­te vor, und Gre­gor ge­riet in Ge­fahr, sein Ge­fan­ge­ner zu wer­den. Er er­bot sich zum Frie­den un­ter der Be­din­gung, dass die lom­bar­di­schen Städ­te ein­be­zo­gen wür­den, was Fried­rich ab­lehn­te.

Un­ge­fähr zur sel­ben Zeit, als Gre­gor den Bann über den Kai­ser ver­häng­te, starb Her­mann von Salza, der als sein gu­ter Ge­ni­us be­gü­ti­gend und ver­mit­telnd ne­ben ihm her­ge­gan­gen war. Ein grau­sa­mer Zug tritt seit­dem mehr und mehr in Fried­richs We­sen her­vor. Wer sich ihm wi­der­setz­te oder ihm zu wi­der­stre­ben schi­en, wur­de ohne Nach­sicht, hohn­voll, dem Un­ter­gang ge­weiht. Die Do­mi­ni­ka­ner und Fran­zis­ka­ner, die dem Papst an­hin­gen, wur­den aus dem Kö­nig­reich Si­zi­li­en ver­trie­ben. Als die Be­la­ge­rung von Faen­za, ei­ner päpst­li­chen Stadt, sich lan­ge hin­zog, ließ der Kai­ser sieb­zig Bür­ger, die auf­ge­grif­fen wa­ren, auf­hän­gen. Eben­so einen Sohn des Do­gen von Ve­ne­dig, weil er mit den Ve­ne­tia­nern im Streit war und sie ihn ge­schä­digt hat­ten. Die Ge­sand­ten, die zu Schiff nach Rom reis­ten, um ei­nem Kon­zil bei­zu­woh­nen, das der Papst be­ru­fen hat­te, nahm Fried­richs Sohn En­zio nach ei­ner sieg­rei­chen See­schlacht ge­fan­gen. Nicht nur, dass der Erz­bi­schof von Be­sançon da­bei er­trank, es star­ben noch meh­re­re wäh­rend der lan­gen Ge­fan­gen­schaft, in der Fried­rich sie hielt. Dies Ver­fah­ren ge­gen hohe Geist­li­che ver­schie­de­ner Län­der wirk­te ver­stim­mend. Der Kai­ser aber drang un­auf­halt­sam ge­gen Rom vor, im­mer en­ger zog er die Sch­lin­ge um den ge­ängs­te­ten Gre­gor; da ent­riss der Tod den al­ten Mann sei­nem Fein­de und be­wahr­te die Welt vor dem Zu­sam­men­stoß der ra­sen­den Gestir­ne.

In Gre­gors Nach­fol­ger, dem Ge­nue­sen In­no­cenz IV., hoff­te Fried­rich ei­nem ihm wohl­ge­sinn­ten Man­ne zu be­geg­nen; aber der Papst führ­te die kai­ser­feind­li­che Po­li­tik Gre­gors, wo­mög­lich schär­fer, un­er­bitt­li­cher fort. Ver­klei­det floh er nach Rom, ver­sam­mel­te dort ein Kon­zil und ent­thron­te und ver­fluch­te Fried­rich in Ge­gen­wart von des­sen Kanz­ler Thad­daeus von Sues­sa, der ver­geb­lich sei­nen Herrn zu ver­tei­di­gen ver­such­te. In Deutsch­land er­klär­ten sich die Erz­bi­schö­fe von Mainz und Köln für den Papst; sie setz­ten die Wahl des Land­gra­fen Hein­rich von Thü­rin­gen durch und nach des­sen Tode des Gra­fen Wil­helm von Hol­land. Bei­de be­kämpf­ten Kon­rad als Kö­nig von Deutsch­land mit wech­seln­dem Glück, kei­ner konn­te es zu durch­schla­gen­dem Er­fol­ge brin­gen. Fried­rich über­leb­te die end­gül­ti­ge Spal­tung um fünf Jah­re, zwar nicht be­siegt, aber tief er­schüt­tert. Die Un­treue sei­nes Kanz­lers Pe­trus von Vi­nea, den er vie­le Jah­re hin­durch als un­ent­behr­li­che Stüt­ze be­trach­tet hat­te, die Ge­fan­gen­nah­me des fröh­li­chen En­zio, sei­nes Soh­nes, des­sen krie­ge­ri­sche Schnei­dig­keit sich so oft be­währt hat­te und den aus­zu­lö­sen ihm nicht ge­lang, muss­ten ihm als Vor­zei­chen des Zu­sam­men­bruchs er­schei­nen. Aber wel­chen Schmerz und wel­che Bit­ter­keit er auch emp­fand, der Welt zeig­te er im­mer die Hei­ter­keit, die als Merk­mal des Kö­nig­tums galt, wie es die Art der Son­ne ist, zu strah­len. In sein Te­sta­ment ver­sie­gel­te er die Ra­che, da­mit nicht sein Tod sei­nen Fein­den zu­gu­te käme. »Wir wün­schen und be­feh­len, dass kei­ner der Ver­rä­ter am si­zi­li­schen Reich je­mals in das­sel­be zu­rück­zu­keh­ren und nie­mand aus ih­rem Ge­schlecht in de­ren Rech­te und Be­sit­zun­gen ein­zu­tre­ten wage, un­se­re Er­ben sei­en viel­mehr ge­hal­ten, an ih­nen Ra­che zu neh­men.« Der Kir­che, be­stimm­te er, soll­ten alle ihre Rech­te zu­rück­er­stat­tet wer­den, je­doch ohne Schä­di­gung des Rei­ches und der Ehre des Kai­ser­tums und sei­ner Er­ben, und wenn die Kir­che ih­rer­seits die Rech­te des Kai­ser­tums zu­rück­er­stat­te. Eben­so treu ih­rem Hass wa­ren die Päps­te. Fried­richs Sohn Kon­rad ver­such­te ver­geb­lich zu ei­ner Ver­stän­di­gung mit ih­nen zu kom­men, nicht nur In­no­cenz, son­dern auch sei­ne Nach­fol­ger er­klär­ten, dass sie kei­nen Spros­sen des ver­fluch­ten Ge­schlechts der Ho­hen­stau­fer auf dem Thron der Kö­ni­ge und Kai­ser dul­den wür­den. In­no­cenz tat so­fort nach Fried­richs Tod Schrit­te, um sich in den Be­sitz Si­zi­li­ens zu set­zen, starb aber, ohne et­was er­reicht zu ha­ben. Im sel­ben Jah­re folg­te ihm Kon­rad im Tode nach. Man­fred, Fried­richs Lieb­ling, der ster­nen­äu­gi­ge Sohn der Bian­ca Lan­cia, der alle die glän­zen­den Ei­gen­schaf­ten des Va­ters ge­erbt zu ha­ben schi­en, schön, mu­tig, dich­te­risch be­gabt, hoch­ge­bil­det war, ver­tei­dig­te das Kö­nig­reich mit Glück. Trotz sei­nes über­wie­gend ita­lie­ni­schen Ur­sprungs schmück­te ihn die Blond­heit der Stau­fer. An sei­nem Hofe sam­mel­te sich al­les, was der Sü­den Ita­li­ens an ho­her Bil­dung und fremd­ar­ti­gem Reiz her­vor­brach­te. Er trug, so glaub­te man, einen Zau­ber­ring, mit dem er Dä­mo­nen be­schwö­ren konn­te und der spä­ter in den Be­sitz der Päps­te ge­langt sein soll. Ohne Er­folg für die Päps­te zog sich der Krieg um Si­zi­li­en hin, bis Cle­mens IV. den Bru­der des Kö­nigs von Frank­reich, Karl von An­jou, ihn zu füh­ren be­wog. Man­fred fiel in der un­glück­li­chen Schlacht bei Be­ne­vent; zwei Jah­re spä­ter wur­de Kon­ra­din, der sech­zehn­jäh­ri­ge Sohn Kö­nig Kon­rads und der Eli­sa­beth von Bay­ern, in der Schlacht bei Tag­lia­coz­za be­siegt und in Nea­pel hin­ge­rich­tet. Es war im Jah­re 1268. Die Schan­de, mit der dies un­er­hör­te Ver­fah­ren den Na­men Karl von An­jou un­ver­tilg­bar be­fleck­te, war die ein­zi­ge Stra­fe, mit der das Schick­sal den Hen­ker des jun­gen Kö­nigs zeich­ne­te. Das un­kö­nig­li­che und un­rit­ter­li­che Wü­ten ge­gen den Hoch­ge­bo­re­nen und sei­ne Ge­treu­en er­reg­te Wi­der­wil­len nicht nur bei den Ghi­bel­li­nen Ita­li­ens und Sym­pa­thie für den Jüng­ling, der mit An­mut und dem An­stand ei­nes Kö­nigs zu ster­ben wuss­te. Es wird er­zählt, dass Kon­ra­din, nach­dem sei­ne Wit­we ge­wor­de­ne Mut­ter sich mit dem Gra­fen Mein­hard von Ti­rol ver­mählt hat­te, sich nicht mehr vor ihr er­hob, wie er frü­her ge­tan hat­te, und das da­mit be­grün­de­te, dass sie ihr er­lauch­tes Ge­schlecht durch die Hei­rat mit ei­nem weit un­ter ihr Ste­hen­den ver­leug­net habe; er als Kö­nig und Sohn des Kai­sers wer­de ihr nun nicht mehr die Ehre er­wei­sen, die der rö­mi­schen Kai­se­rin ge­bührt habe. Der Fluch der Kir­che und der Ab­fall des Glückes beug­ten den Stolz des Ho­hen­stau­fen­blu­tes nicht. Wie ge­ring auch die Aus­sicht war, den Kampf zu ge­win­nen, in dem sein mäch­ti­ger Groß­va­ter, sein Va­ter und sein Oheim ge­schei­tert wa­ren, er wuss­te, dass sei­ne Ehre for­der­te, ihn auf­zu­neh­men und sei­nen Vor­fah­ren, wenn nicht an Glück und Ruhm, so doch an ho­hem Sinn zu glei­chen, und starb kö­nig­lich. Jahr­zehn­te spä­ter zeich­ne­te ein Mönch von Win­ter­thur eine er­staun­li­che Nach­richt auf, die ihm mit­ge­teilt wor­den war: als Kö­nig Kon­rad­ins Haupt ge­fal­len sei, habe sich ein Ad­ler mit ra­schem Flu­ge vom Him­mel her­ab­ge­stürzt, habe sei­nen rech­ten Flü­gel durch das Kö­nigs­blut ge­zo­gen und sei so, mit blu­ti­ger Schwin­ge, auf­ge­stie­gen und in den Wol­ken ver­schwun­den. So ließ der Volks­glau­be das Her­ren­ge­schlecht in die gött­li­che Hei­mat zu­rück­keh­ren.

Weit­hin leuch­tend wie die Mit­tags­hö­he des Reichs und der Stau­fer war ihr Un­ter­gang. Hein­rich, Fried­richs Erst­ge­bo­re­ner, wur­de von sei­nem Va­ter zum rö­mi­schen Kö­nig und Re­gen­ten von Deutsch­land be­stimmt, eine Be­las­tung, für die er nicht nur zu jung, son­dern auch, wie es scheint, zu leicht­her­zig, zu we­nig klug und zu we­nig cha­rak­ter­voll war. Er er­zürn­te sei­nen Va­ter da­durch, dass er sich von der un­ge­lieb­ten Mar­ga­re­te von Ös­ter­reich schei­den woll­te, um Ag­nes von Böh­men zu hei­ra­ten, und er verd­arb es mit den Fürs­ten, weil er die Städ­te be­güns­tig­te. Fried­rich ver­fuhr ge­gen ihn mit mehr als Här­te, mit ei­ner Grau­sam­keit, die den Sohn zum Äu­ßers­ten trieb; er kne­bel­te ihn so mit Vor­schrif­ten und Be­din­gun­gen, dass er den Kö­nigs­na­men fast zum Hoh­ne trug. Als der Rat­lo­se sich mit den lom­bar­di­schen Städ­ten ver­bün­de­te, bat Fried­rich selbst den Papst, sei­nen Sohn zu ex­kom­mu­ni­zie­ren. Er lag erst in Hei­del­berg ge­fan­gen und wur­de dann nach Apu­li­en ge­bracht. Die Ge­le­gen­heit wahr­neh­mend, als er aus ei­nem Ker­ker in einen an­de­ren ge­führt wer­den soll­te, riss er sich un­ter­wegs von sei­nen Beglei­tern los und stürz­te sich mit sei­nem Pferd in den Ab­grund. Er war noch nicht drei­ßig Jah­re alt. Fried­rich ließ ihn in ein mit Gold und Sil­ber ge­stick­tes Ge­wand klei­den, worin Ad­ler­fit­ti­che ein­ge­webt wa­ren, und in ei­nem mar­mor­nen Sar­ko­pha­ge in der Kir­che von Co­sen­za bei­set­zen.

En­zio, der Sohn ei­ner ad­li­gen Deut­schen, der, wie man sag­te, dem Va­ter am meis­ten ähn­lich sah, soll ver­sucht ha­ben, in ei­nem Fas­se ver­bor­gen der bo­lo­gne­si­schen Ge­fan­gen­schaft zu ent­flie­hen, aber durch eine sei­ner gol­de­nen Lo­cken ver­ra­ten wor­den sein. Lan­ge er­hei­ter­ten ihm Lie­be und Freund­schaft und die ei­ge­ne Lie­bens­wür­dig­keit die Öde der Ge­fan­gen­schaft; aber im Lauf der Jah­re ver­stumm­ten sein Ge­sang und sei­ne Ge­dich­te. Er starb im Jah­re 1272, über­leb­te also Kon­rad­ins Tod um vier Jah­re. Fried­richs Toch­ter Mar­ga­re­te, die den Wet­ti­ner Al­brecht von Mei­ßen ge­hei­ra­tet hat­te, muss­te ei­ner Ge­lieb­ten ih­res Man­nes wei­chen und starb bald dar­auf in ei­nem Klos­ter in Frank­furt am Main. Die Sage er­zählt, sie habe, als sie bei Nacht flüch­tend ihre Kin­der habe ver­las­sen müs­sen, ih­ren klei­nen Sohn Fried­rich vor Schmerz in die Wan­ge ge­bis­sen. Er trug spä­ter den Bein­amen »mit der ge­bis­se­nen Wan­ge« oder der Frei­di­ge. Er be­trach­te­te sich als den Er­ben Si­zi­li­ens, ohne den An­spruch je­mals ver­fech­ten zu kön­nen. In der Art, wie er in­mit­ten der größ­ten Wi­der­wär­tig­kei­ten im­mer hei­ter blieb, so­gar zu scher­zen lieb­te, zeig­te er die Ei­gen­art der stau­fi­schen Ah­nen. Sein Sohn, Fried­rich der Lah­me, ein lieb­li­cher Jüng­ling, wur­de in der Nähe von Leip­zig er­mor­det. Bea­trix, die jun­ge Toch­ter des er­mor­de­ten Kö­nigs Phil­ipp, starb, war es Zu­fall oder dunk­ler Zu­sam­men­hang, kurz nach­dem sie die Frau Ot­tos, des Nach­fol­gers ih­res Va­ters ge­wor­den war. Mit Gei­er­bli­cken späh­te das Ge­schick nach je­dem ge­zeich­ne­ten blon­den Haup­te, wo im­mer es sich ver­barg.

Wenn das Gerücht um­ging, Kon­rad, der Sohn der Kai­se­rin Isa­bel­la, sei von sei­nem Halb­bru­der Man­fred ver­gif­tet, und wie­der­um, Kon­rad habe Hein­rich, den Sohn der Kon­stan­ze von Ara­gon, Fried­richs ers­ter Frau, um­brin­gen las­sen, so sieht man, dass seit Hein­rich VI. ein düs­te­rer, fast dia­bo­li­scher Zug sich in das Ant­litz der Dy­nas­tie ein­ge­gra­ben hat­te. Im Ge­dächt­nis der Deut­schen er­hielt sich da­von nichts. Sie ver­ehr­ten in ih­nen die Im­pe­ra­to­ren, die den ho­hen Ge­dan­ken des Hei­li­gen Rö­mi­schen Rei­ches deut­scher Na­ti­on glor­reich ver­kör­per­ten. Ihr Da­sein emp­fin­det man zwi­schen den Trüm­mern des Palas­tes von Geln­hau­sen, wenn man un­ter den ge­bro­che­nen Bo­gen des fest­li­chen Saa­l­es über die wu­chern­den Ge­bü­sche der Wei­den und Schwarz­pap­peln hin­weg zur Ma­ri­en­kir­che hin­über­sieht, wenn man auf den ge­stürz­ten Ka­pi­tel­len die ed­len Li­ni­en der stau­fi­schen Ad­ler er­kennt, wenn man in den Gas­sen der klei­nen, ärm­li­chen Stadt den schnei­den­den Atem des Schick­sals spürt. Oder man fühlt es beim Ho­hen­stau­fen, wo Graf Fried­rich von Bü­ren, nach­dem er Schwie­ger­sohn Hein­richs IV. ge­wor­den war, die Burg er­bau­te, nach der sich künf­tig sei­ne Fa­mi­lie nann­te. Von die­ser Burg, wo die un­glück­li­che Ire­ne, des er­mor­de­ten Kö­nigs Phil­ipp jun­ge Wit­we, nach­dem sie ein Kind ge­bo­ren hat­te, mit die­sem starb, ist nichts üb­rig­ge­blie­ben; der Wind streicht über Gras und Stei­ne. Aber die­sen nied­ri­gen Hü­gel, an des­sen Fuße Scha­fe wei­den, um­zieht ein geis­ter­haf­ter Saum, türmt die Erin­ne­rung hoch zu ei­nem he­ro­i­schen Mal. Nichts hat sich ver­wirk­licht, was die großen Träu­mer woll­ten, die von hier aus­gin­gen; aber sie selbst wur­den un­s­terb­lich an ih­ren ver­geb­li­chen Ta­ten.

Deutsche Geschichte

Подняться наверх