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Der falsche Friedrich

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Vor der al­ten Reichs­stadt Wetz­lar im Kai­ser­grun­de, un­fern von ei­nem al­ten Wart­turm, liegt ein Denk­stein mit ei­ner In­schrift, die an­zeigt, dass an die­ser Stel­le Diet­rich Holz­schuh oder Tile Ko­lup, der sich für Fried­rich II. aus­gab, durch Kö­nig Ru­dolf I. ver­brannt wur­de. Es war im Jah­re 1284, vierund­drei­ßig Jah­re nach dem Tode Fried­richs, der mit 56 Jah­ren starb, nun also 90 Jah­re alt ge­we­sen wäre. Es war nicht un­mög­lich, wenn auch un­wahr­schein­lich, dass er noch leb­te. Wie aber hät­te es ge­sche­hen kön­nen, dass ein an­de­rer an Fried­richs Stel­le be­gra­ben wur­de? Und wo war der Kai­ser in­zwi­schen ge­we­sen? Und warum hat­te er sich so lan­ge ver­bor­gen ge­hal­ten? Der deut­sche Bür­ger und Bau­er, der nie­mals in Ita­li­en, ge­schwei­ge denn im süd­li­chen Ita­li­en ge­we­sen war, der aber von den grim­mi­gen Kämp­fen zwi­schen Papst und Kai­ser ge­hört hat­te, von der Rei­se des Kai­sers nach Je­ru­sa­lem, von sei­ner Freund­schaft mit dem Sul­tan, von den lis­ti­gen Sa­ra­ze­nen, mit de­nen er sich zu um­ge­ben pfleg­te, moch­te es für glaub­haft hal­ten, dass Fried­rich, um sich dem nach sei­nem Blu­te dürs­ten­den Papst zu ent­zie­hen, nach dem Ori­ent ge­fah­ren und dort ge­fan­gen oder ver­bor­gen ge­hal­ten war, bis er ei­nes Ta­ges zu­rück­kehr­te, um mit Hil­fe sei­ner Deut­schen das Reich zu­rück­zu­ge­win­nen. Vi­el­leicht be­rech­ne­ten und er­wo­gen sie über­haupt nicht viel, son­dern glaub­ten dem schö­nen al­ten Man­ne, der sich der Treue sei­nes Vol­kes an­ver­trau­te. Er sah zu­wei­len sehr alt und müde aus, aber es war ein ma­je­stä­ti­sches Blit­zen in sei­nen Au­gen, und zu­wei­len hat­te sein Auf­tre­ten und ent­schlos­se­nes Han­deln et­was Ju­gend­li­ches. Hat­te je­mals ein Kai­ser so herz­lich zu sei­nem Vol­ke ge­spro­chen? Man glaub­te, was man wünsch­te.

Das Er­schei­nen des wie­der­keh­ren­den Fried­rich fiel in eine Zeit, wo die Reichs­städ­te sich zu dem spä­ter so be­lieb­ten Ru­dolf feind­lich stell­ten, weil er in dem Be­stre­ben, die Ord­nung im Rei­che wie­der­her­zu­stel­len, ihre Ab­ga­ben, sei­ne ein­zi­ge si­che­re und reich­li­che Ein­nah­me, stark in An­spruch nahm. Dazu kam, dass sei­ne Nach­gie­big­keit ge­gen den Papst ihn zum Pfaf­fen­kö­nig stem­pel­te und die Pfaf­fen, die kei­ne Steu­ern zahl­ten und zum Teil ein nichts­nut­zi­ges Le­ben führ­ten, in den Städ­ten ver­hasst wa­ren. An­ders als Bür­ger und Bau­ern dach­ten die großen Her­ren; Erz­bi­schof Sieg­fried von Köln durch­schau­te mit küh­lem Blick den Be­trug und ver­trieb den falschen Fried­rich aus Köln, wo das Volk ihn mit Ju­bel auf­ge­nom­men hat­te. Er be­gab sich nach der Stadt Neuß, de­ren Dom Zeu­ge ih­rer eins­ti­gen Be­deu­tung ist, und auch dort fiel ihm die Ein­woh­ner­schaft be­geis­tert zu. Es ist wahr­schein­lich, dass er des­halb die Men­schen an sich glau­ben ma­chen konn­te, weil er selbst an sich glaub­te, dass er ein Wahn­sin­ni­ger war, der sich für Fried­rich hielt und ab­ge­se­hen von sei­nem Wahn ver­stän­dig und fol­ge­rich­tig han­del­te. Of­fen­bar hat­te er einst in der Um­ge­bung des Kai­sers ge­lebt, viel­leicht als Knap­pe, denn er wuss­te vie­les, was nur dem Kai­ser Na­he­ste­hen­den be­kannt sein konn­te; man­ches mag auch aus der Tie­fe sei­nes Trau­mes auf­ge­wallt sein und ihn selbst und an­de­re be­zau­bert ha­ben. In Neuß fühl­te er sich so si­cher, dass er Kö­nig Ru­dolf, der in Wetz­lar war, auf­for­der­te, sei­ne Kro­ne nie­der­zu­le­gen und sich ihm, als dem recht­mä­ßi­gen Kö­nig, zu un­ter­wer­fen.

Ru­dolf hat­te bis­her den Lärm um den falschen Fried­rich nicht ernst ge­nom­men; wie soll­te er auch, da ja 34 Jah­re seit dem Tode des Kai­sers ver­flos­sen wa­ren; aber nun, da der Wi­der­stand der süd­west­li­chen Städ­te sich da­mit ver­bün­de­te, fand er es nö­tig, ein­zu­schrei­ten. Er war wohl von vorn­her­ein über­zeugt, dass der Mann ein Be­trü­ger war, und ent­schlos­sen, ihn so zu be­han­deln; aber er fühl­te sich doch ver­pflich­tet, selbst zu se­hen und zu ur­tei­len. Nicht ohne selt­sa­me Rüh­rung mag er sich der Ver­gan­gen­heit er­in­nert ha­ben, wo er als jun­ger Rit­ter dem großen Kö­nig, sei­nem Pa­ten, folg­te, der ihm stets gnä­dig ge­we­sen war. Wie un­denk­bar fern hat­te ihm da­mals der Ge­dan­ke an die Höhe ge­le­gen, die er jetzt er­reicht hat­te. Ihn und die um ihn ver­sam­mel­ten Fürs­ten und Her­ren blen­de­te der selt­sa­me Träu­mer nicht. Er wur­de ge­fan­gen­ge­nom­men und ge­stand, der Fol­ter un­ter­wor­fen, dass er Tile Ko­lup hei­ße und ein Be­trü­ger sei. Die Mar­ter hat­te ihn grau­sam aus sei­nem Trau­me ge­ris­sen. Der Kunst­griff, Fein­de als Ket­zer er­schei­nen zu las­sen, war da­mals ge­bräuch­lich; auch in die­sem Fal­le fol­ter­te man das Ge­ständ­nis, schwar­ze Kunst aus­ge­übt zu ha­ben, aus dem An­ge­klag­ten her­aus und konn­te dem­ge­mäß das Ur­teil spre­chen. So ver­zehr­ten die Flam­men das Ge­s­penst des großen Fried­rich.

Unauf­ge­klärt blie­ben fast alle die nä­he­ren Um­stän­de, die mit die­sem Zwi­schen­spiel ver­bun­den wa­ren. War der Fremd­ling wirk­lich Tile Ko­lup? Was hat­te ihn zu dem ge­fähr­li­chen Aben­teu­er ver­lei­tet? Hat­te ihn ein Wahn er­grif­fen, weil er dem Stau­fer ähn­lich sah? Oder war er von den Fein­den Ru­dolfs ge­dun­gen, die sei­nen Wahn oder sei­nen Ehr­geiz und sei­ne Geld­gier be­nütz­ten? Wo­her hat­te er die Geld­mit­tel, die sein Auf­tre­ten er­mög­lich­ten?

Wäre er nichts als ein Aben­teu­rer ge­we­sen, brauch­te man sei­ner nicht zu ge­den­ken. Aber er war et­was ganz an­de­res: er war eine Vi­si­on, die aus der Zer­ris­sen­heit der kai­ser­li­chen Zeit auf­stieg, der Ad­ler, von des­sen Schwin­gen Kai­ser­blut tropf­te. Der Schei­ter­hau­fen, den Ru­dolf vor Wetz­lar an­zün­de­te, ver­zehr­te mit dem Leib des al­ten Träu­mers das un­wie­der­bring­li­che Hel­den­zeit­al­ter des Rei­ches, er war ein Sym­bol we­nigs­tens die­ses Un­ter­gan­ges.

So war es ge­wiss nicht, als sei Ru­dolf ein un­wür­di­ger Nach­fol­ger der Stau­fer ge­we­sen, als habe er durch­aus an­de­re Bah­nen ein­ge­schla­gen. Ru­dolf von Habs­burg, der per­sön­li­che An­hän­ger Fried­richs II., der auch sei­nem Sohn und En­kel treu­ge­blie­ben war, folg­te in der Art, das Reich zu ver­wal­ten, der Metho­de, die Fried­rich II. in Si­zi­li­en an­ge­wandt hat­te, so­weit das im Reich mög­lich war, das heißt er ver­such­te die kö­nig­li­che Macht zu ver­stär­ken und durch Leu­te in be­am­ten­ähn­li­cher Stel­lung zu ver­wal­ten. Er leis­te­te in die­ser Hin­sicht eine über­aus mü­he­vol­le und ver­dienst­vol­le Ar­beit. Die be­deu­ten­de Mas­se des Kö­nigs­gu­tes, das die Stau­fer be­sa­ßen, war von den Päps­ten, die das ei­gent­lich gar nichts an­ging, der Hab­gier der Fürs­ten preis­ge­ge­ben. Ge­si­chert durch päpst­li­che Au­to­ri­tät, raff­te je­der so viel er konn­te, das meis­te, näm­lich Ös­ter­reich, Stei­er­mark, Kärn­ten, Krain, die Win­di­sche Mark und das Eger­land, nahm Ot­to­kar von Böh­men. Bay­ern nahm die Ober­pfalz, der Bi­schof von Worms Burg und Stadt Wimp­fen, der Bi­schof von Ba­sel Rhein­fel­den und Brei­sach, der Graf von Jü­lich Dü­ren, der Graf von Nassau Wies­ba­den, an­de­re an­de­res. Die Ver­blen­dung Ot­to­kars und der Hass des ös­ter­rei­chi­schen Adels, den er sich durch ein straff zen­tra­li­sier­tes Re­gi­ment zu­ge­zo­gen hat­te, so­wie die Feind­schaft des Erz­bi­schofs von Salz­burg und des Pa­tri­ar­chen von Aqui­le­ja, die sich durch das neu ent­ste­hen­de böh­misch-ös­ter­rei­chi­sche Reich be­ein­träch­tigt fühl­ten, er­mög­lich­ten es Ru­dolf, Ot­to­kar zu be­sie­gen und sich in Be­sitz der ent­frem­de­ten öst­li­chen Län­der zu set­zen. Mit ei­ner Ur­kun­de vom 27. De­zem­ber 1282 be­lehn­te er sei­ne Söh­ne Al­brecht und Ru­dolf mit den Län­dern Ös­ter­reich, Stei­er­mark, Krain und Win­di­sche Mark und er­hob sie zu­gleich in den Fürs­ten­stand; ein höchst denk­wür­di­ges, fol­gen­schwe­res Er­eig­nis. Auch da­mit führ­te er aus, was Fried­rich II. ge­plant hat­te. Sei­ne Ab­sicht, das Her­zog­tum Schwa­ben wie­der­her­zu­stel­len, das den Stau­fern ent­ris­sen war, glück­te nicht; doch ver­grö­ßer­te er sein Ei­gen zwi­schen Aare und Reuß und die Be­sit­zun­gen sei­nes Hau­ses im El­saß und am Ober­rhein. Grün­de­te er sich eine Haus­macht, die dem Kö­nig zu­gu­te ge­kom­men wäre, wenn er die Nach­fol­ge sei­ner Söh­ne und En­kel hät­te durch­set­zen kön­nen, so un­ter­ließ er doch auch nicht, ent­wen­de­te oder ver­pfän­de­te Kö­nigs­gü­ter und Kö­nigs­rech­te wie­der an das Reich zu brin­gen; doch muss­te das zum Teil an den Ver­pflich­tun­gen schei­tern, die er den Fürs­ten und ganz be­son­ders den Wahl­fürs­ten ge­gen­über hat­te; denn die­se fin­gen da­mals an, sich ihre Stim­men aus­gie­big be­zah­len zu las­sen. Zur Ver­wal­tung von Reichs­gut setz­te er Land­vög­te ein, die er zu­gleich als Land­frie­dens­be­am­te ver­wer­te­te. So­weit es die Rück­sicht auf die Fürs­ten er­laub­te, hob er auch die un­ge­rech­ten Zöl­le auf.

Wenn Ru­dolf in der Ver­wal­tung an die Stau­fer an­knüpf­te, wich er ganz von ih­nen ab in sei­nem Ver­hal­ten zum Papst. Die Nie­der­la­ge der Kai­ser in ih­rem Kampf mit dem Papst­tum war so ent­schie­den, dass er nicht an­ders konn­te als sie an­er­ken­nen und sich von ih­rer Po­li­tik förm­lich los­sa­gen, in­dem er auf Si­zi­li­en ver­zich­te­te. Da­mit war die Mög­lich­keit fried­li­chen Zu­sam­men­wir­kens zwi­schen Papst und Kai­ser ge­ge­ben, wie es die mit­tel­al­ter­li­che An­schau­ung ei­gent­lich er­for­der­te und wie es einst Kai­ser Lo­thar durch Zu­ge­ständ­nis­se er­reicht hat­te. Wenn Ru­dolf die Kai­ser­krö­nung in Rom nicht er­lang­te, so lag das nicht dar­an, dass er ih­ren Wert un­ter­schätzt, sie nicht auf­rich­tig an­ge­strebt hät­te. Wäh­rend sei­ner Re­gie­rung wech­sel­te fast re­gel­mä­ßig ein ita­lie­ni­scher Papst mit ei­nem fran­zö­si­schen ab, ent­spre­chend der Par­tei­ung un­ter den Kar­dinälen. Alle die ita­lie­ni­schen Päps­te, wie lei­den­schaft­lich sie auch un­ter Um­stän­den einen deut­schen Kai­ser be­kämpf­ten, gin­gen doch da­von aus, dass ein Kai­ser da sein und dass er deut­scher Na­ti­on sein müss­te; das war ein Stück ih­rer Wel­t­an­schau­ung, ab­ge­se­hen da­von, dass sie mit ei­nem deut­schen Kö­nig am ehe­s­ten fer­tig wer­den zu kön­nen glaub­ten. Die fran­zö­si­schen Päps­te wa­ren im Grun­de gar kei­ne Päps­te, son­dern fran­zö­si­sche Geist­li­che, die die Deut­schen hass­ten und das Kai­ser­tum an Frank­reich brin­gen woll­ten. Hat­te sich Ru­dolf eben mit ei­nem ita­lie­ni­schen Papst ver­stän­digt und war eben der Ter­min der Krö­nung fest­ge­setzt, so mach­te ein fran­zö­si­scher Papst al­les rück­gän­gig und türm­te neue Hin­der­nis­se auf. Vi­el­leicht, wenn Ru­dolf län­ger ge­lebt hät­te, wäre er doch zum Zie­le ge­kom­men und dann, wie so man­cher Kai­ser in frü­he­rer Zeit ge­tan hat­te, ent­schie­de­ner auf­ge­tre­ten, hät­te viel­leicht so­gar den Ver­zicht auf die Ro­ma­gna, die er auf päpst­li­ches Drän­gen ab­ge­tre­ten hat­te, zu­rück­ge­nom­men. Dass er sei­ne Stel­lung da­durch ver­bes­sert hät­te, ist nicht an­zu­neh­men; zu ei­nem erns­ten Auf­schwung der Kai­ser­macht wa­ren kei­ne Kräf­te mehr zu schöp­fen. Am meis­ten be­lei­digt das deut­sche Emp­fin­den, dass Ru­dolf dem Papst zu Ge­fal­len eine sei­ner Töch­ter ei­nem En­kel Karls von An­jou ver­hei­ra­te­te. Als die Kö­ni­gin bald nach Voll­zug die­ser trau­ri­gen Ehe noch nicht fünf­zig­jäh­rig starb, schrie­ben es vie­le dem Gram über eine sol­che Er­nied­ri­gung zu.

Die Ver­än­de­rung, die statt­ge­fun­den hat­te, zeig­te sich in der Be­hand­lung der Ju­den. Schon zur­zeit Fried­richs II. war der Aus­druck Kam­mer­knech­te auf sie an­ge­wandt wor­den, was da­mals nur be­sa­gen soll­te, dass ihre Ab­ga­ben, da sie un­mit­tel­bar un­ter dem Kö­nig stan­den, der kö­nig­li­chen Kam­mer ge­hör­ten. Jetzt wur­de er in dem Sin­ne ge­braucht, als wä­ren sie Skla­ven des Kö­nigs, und als mit sol­chen ver­fuhr man mit ih­nen. Als im Jah­re 1286 eine An­zahl von Ju­den aus den rhei­ni­schen Städ­ten, dar­un­ter ihr be­rühm­tes­ter Ge­set­zes­leh­rer, Rab­bi Meir ben Ba­ruch, nach Sy­ri­en aus­wan­dern woll­te, zog Ru­dolf die Gü­ter der­sel­ben ein und setz­te den Rab­bi, der un­ter­wegs er­kannt und fest­ge­hal­ten wor­den war, ge­fan­gen. Ob­wohl sich selbst Papst Ni­ko­laus IV. für ihn ver­wen­de­te, ließ der Kö­nig ihn nicht frei; er ist nach ihm in der Ge­fan­gen­schaft ge­stor­ben.

Es ist an­zu­neh­men, dass das Ver­hal­ten Ru­dolfs ge­gen die Ju­den und ge­gen den Rab­bi fi­nan­zi­el­le Grün­de hat­te; er for­der­te für die Frei­las­sung des­sel­ben ein be­deu­ten­des Lö­se­geld, das die Ju­den nicht zah­len konn­ten, oder das der Rab­bi, wie er­zählt wird, ih­nen zu zah­len ver­bot. War die Ju­den­steu­er von je­her eine wich­ti­ge Ein­nah­me­quel­le für die Kö­ni­ge ge­we­sen, so war sie es umso mehr für Ru­dolf, der zer­rüt­te­te Ver­hält­nis­se ord­nen muss­te und der über­haupt Nach­druck auf die fi­nan­zi­el­le Sei­te sei­nes Am­tes leg­te. Die Um­stän­de wa­ren so, dass er es tun muss­te; aber es scheint auch sei­ne An­la­ge so ge­we­sen zu sein, dass er es tun konn­te. Auch die Art, wie er die Hand sei­ner Kin­der zu po­li­ti­schen Zwe­cken aus­bot und ver­gab, hat­te et­was von der Ge­schäf­tig­keit ei­nes Han­dels­man­nes, selbst wenn man in Be­tracht zieht, dass fürst­li­che Ehen nie­mals zum Ver­gnü­gen ge­schlos­sen wur­den. Er hat­te drei Söh­ne und sechs Töch­ter; man­cher hät­te das viel ge­fun­den, al­lein Ru­dolf hät­te weit mehr ver­wer­ten kön­nen. Den­noch reih­te er sich sei­nen Vor­gän­gern wür­dig an, kö­nig­lich in der Er­schei­nung, kö­nig­lich in der Hal­tung. Er war sehr groß und sehr schlank; das, und der klei­ne Kopf, die schma­len Hän­de und Füße, die Ad­ler­na­se ga­ben ihm et­was Ari­sto­kra­ti­sches. Sein Hu­mor und sei­ne Schlag­fer­tig­keit mach­ten ihn beim Vol­ke be­liebt, aber er fand auch, wenn die Ge­le­gen­heit dazu war, klang­vol­le Kö­nigs­wor­te. Als er in Frank­furt die Hul­di­gung ent­ge­gen­nahm und das Zep­ter fehl­te, er­griff er ein Kru­zi­fix und sag­te: »Seht, das Zei­chen, in wel­chem wir und die gan­ze Welt er­löst wor­den sind, das soll un­ser Zep­ter sein.« Und wenn er bei der Krö­nung ge­lob­te, »ein Schir­mer des Land­frie­dens zu sein, wie ich bis­her ein un­er­sätt­li­cher Kriegs­mann ge­we­sen bin«, so war das kein lee­rer Re­de­zie­rat, son­dern er emp­fing die Wür­de, die ihm zu­ge­fal­len war, als Verant­wor­tung und Ver­tie­fung sei­ner Le­bens­auf­fas­sung. Der Ritt des drei­und­sieb­zig­jäh­ri­gen Kai­sers, dem die Ärz­te ge­sagt hat­ten, dass er nur noch kur­ze Zeit zu le­ben habe, von Ger­mers­heim nach Spey­er, da­mit, wie er sag­te, nie­mand ihn da­hin zu füh­ren brau­che, wo sei­ne Vor­fah­ren ruh­ten, wur­de von den be­wun­dern­den und wis­sen­den Au­gen ei­nes dank­ba­ren Vol­kes be­glei­tet und er­greift uns noch heu­te. Es war der 14. Juli 1291; am fol­gen­den Tage starb er.

Kaum ein Kai­ser hat es sich so sau­er wer­den las­sen wie Ru­dolf von Habs­burg; man glaubt es von den Li­ni­en ab­zu­le­sen, die sein me­lan­cho­li­sches Ge­sicht durch­fur­chen. Was ihm fehl­te, war die um­fas­sen­de Bil­dung, die über­le­ge­ne Geis­tes­frei­heit der Stau­fer und war viel­leicht mehr als al­les die blü­hen­de Zeit, die jene trug. Das Reich, dass er kai­ser­lich ver­tre­ten soll­te, war kei­ne Welt­macht mehr, der Ad­ler war ge­rupft und ein et­was schä­bi­ger Vo­gel ge­wor­den. Der Papst und die Fürs­ten hat­ten ihn her­un­ter­ge­bracht, und bei­de wach­ten dar­über, dass der Kai­ser ihn nicht wie­der schwung­kräf­tig ma­che. Wenn das Volk Fried­rich II. zu­rück­wünsch­te, der als Per­son viel we­ni­ger volks­tüm­lich ge­we­sen war als Ru­dolf von Habs­burg, viel we­ni­ger für Ord­nung und Recht ge­sorgt hat­te, so war es, weil die Kai­ser­macht als sol­che zu Fried­richs Zeit viel an­sehn­li­cher ge­we­sen war und alle dun­kel fühl­ten, dass sie es nicht mehr war und nie mehr wer­den wür­de. Ei­nen mäch­ti­gen Kai­ser aber woll­te das nie­de­re Volk, einen Kai­ser, der die Gren­zen nach au­ßen und im In­ne­ren den Frie­den er­hiel­te, der über den Stän­den ste­hend, ei­nem je­den an Rech­ten und Frei­hei­ten zu­teil­te, was ihm zu­kom­me, der die Ar­men und Schwa­chen vor den Über­grif­fen der Gro­ßen schüt­ze: Das Bild ei­nes sol­chen Kai­sers sah man an den Ra­täu­sern und an den To­ren, mit lan­gem Bart und erns­tem, sor­gen­vol­lem Ant­litz, den Reichs­ap­fel in der Hand, das Reichs­schwert an der Sei­te, da­ne­ben der Ad­ler mit her­ri­schem Kopf und zer­mal­men­der Klaue, töd­lich dem Räu­ber, dem fürst­li­chen und ad­li­gen wie dem nied­rig­ge­bo­re­nen. Ein sol­cher Rich­ter an Got­tes Statt, wie man ihn er­sehn­te, glaub­te man gern, dass Fried­rich ge­we­sen sei. Da man sein fer­nes Grab nicht ge­se­hen hat­te, konn­te man sich ein­bil­den, er lebe noch und wer­de wie­der­kom­men.

Fried­rich II. war über hun­dert Jah­re tot, als das Ge­dicht ei­nes Meis­ter­sän­gers weis­sag­te, wenn Streit und Krieg über­groß ge­wor­den wä­ren, wer­de Kai­ser Fried­rich wie­der­kom­men und sei­nen Schild an einen dür­ren Baum hän­gen, der dann er­blü­hen wer­de. Er wer­de das Hei­li­ge Grab ge­win­nen, wer­de das Recht wie­der­her­stel­len, er wer­de nur den sie­ben­ten Teil der Pfaf­fen be­ste­hen las­sen, die Klös­ter zer­stö­ren und die Non­nen ver­hei­ra­ten, dass sie Wein und Korn bau­ten; dann wür­den gute, glück­li­che Jah­re kom­men. Es wa­ren Wün­sche aus dem Her­zen des nie­de­ren Vol­kes. Aus sol­chen Krei­sen war auch der falsche Fried­rich ge­kom­men, ka­men auch die meis­ten sei­ner An­hän­ger und die­je­ni­gen, die nach sei­nem Tode die­sel­be Rol­le zu spie­len ver­such­ten. Ei­ner von ih­nen, der be­haup­te­te, er sei aus der Asche des vor Wetz­lar Ver­brann­ten er­stan­den, wur­de in Ut­recht er­hängt, ein an­de­rer in Lü­beck er­tränkt. Im Jah­re 1295 wur­de in Ess­lin­gen der letz­te falsche Fried­rich ver­brannt.

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