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Kaufleute

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Als Kö­nig Het­tel von He­ge­lin­gen die Kun­de von der schö­nen Hil­de ver­nahm, de­ren Va­ter, der Kö­nig von Ir­land, alle, die um sie war­ben, tö­ten ließ, be­mäch­tig­te sich sei­ner der Wunsch, die ver­bo­te­ne Frucht zu be­sit­zen; und er ver­sam­mel­te sei­ne Va­sal­len und Freun­de, um mit ih­nen zu be­ra­ten, auf wel­che Wei­se er sie ge­win­nen kön­ne. Da schlug Herr Fru­te von Dä­ne­mark vor, sie woll­ten Schif­fe mit Wa­ren be­la­den und als Kauf­leu­te ver­klei­det nach Ir­land fah­ren, da­mit der wil­de Ha­gen sie ohne Arg emp­fan­ge und sie Ge­le­gen­heit hät­ten, die Kö­nigs­toch­ter zu se­hen und viel­leicht zu ent­füh­ren. Der Plan wird ins Werk ge­setzt, sie er­rei­chen die Kö­nigs­burg, wer­den freund­lich auf­ge­nom­men, rich­ten am Stran­de Bu­den auf, in de­nen sie kost­ba­re Wa­ren aus­le­gen, schlei­chen sich in die Gunst der kö­nig­li­chen Fa­mi­lie ein, und nach­dem der Däne Horand durch sein Sin­gen das Herz der schö­nen Hil­de be­zau­bert und die Ein­wil­li­gung ih­rer Mut­ter ge­won­nen hat, bit­ten sie um Ur­laub und fah­ren mit dem Mäd­chen da­von. In dem Volks­mär­chen vom treu­en Jo­han­nes wird ein ähn­li­cher Vor­gang er­zählt: ein jun­ger Kö­nig ver­liebt sich in das Bild der Kö­nigs­toch­ter vom Gol­de­nen Da­che, und um sie zu er­lan­gen, die au­gen­schein­lich eben­so wie jene Hil­de von ei­nem ge­walt­tä­ti­gen Va­ter be­hü­tet wird, ver­klei­den sich der Kö­nig und sein al­ter Die­ner als Kauf­leu­te und be­frach­ten ein Schiff mit gol­de­nen Ge­gen­stän­den, die zu die­sem Zweck kunst­fer­tig her­ge­stellt wor­den sind. Der An­blick der zier­li­chen Din­ge ver­lei­tet die Kö­nigs­toch­ter, das Schiff zu be­stei­gen, wor­auf die An­ker ge­lich­tet wer­den und der Kö­nig die Ent­führ­te ge­win­nen kann.

In bei­den Fäl­len wird dar­auf ge­rech­net, dass der Kauf­mann ein gern ge­se­he­ner, ein er­sehn­ter Gast ist. In der Kö­nigs­burg auf Ir­land wer­den die ver­meint­li­chen Kauf­leu­te vom Stadt­rich­ter und den Bür­gern freu­dig emp­fan­gen, und das Ge­leit, um das sie bit­ten, wird be­reit­wil­lig vom Kö­nig er­teilt. Man hat den Ein­druck, dass sie nicht nur we­gen der Wa­ren, die sie füh­ren, son­dern auch als Brin­ger von Neu­ig­kei­ten will­kom­men sind. Al­ler­dings sagt der alte Wate, ein ganz und gar auf Kampf ein­ge­stell­ter Re­cke, stolz ab­leh­nend, er sei kein Han­dels­mann, wenn er Gut ge­win­ne, pfle­ge er es mit sei­nen Hel­den zu tei­len, und die Her­ren hal­ten auch dar­auf, mehr zu ver­schen­ken als zu ver­kau­fen; im­mer­hin aber hal­ten sie sich nicht zu gut, um bür­ger­li­ches Kauf­manns­kleid an­zu­le­gen und als Kauf­leu­te auf­zu­tre­ten, und als sol­che wer­den sie auch vom Kö­nig Ha­gen freund­lich auf­ge­nom­men und zu Gas­te ge­la­den. Ihr groß­ar­ti­ges Auf­tre­ten, ihre rit­ter­li­chen Küns­te fal­len zwar auf, aber an Be­trug wird nicht ge­dacht; es er­scheint als mög­lich, dass Kauf­leu­te zu­gleich Land­be­sit­zer sind, vie­le Knech­te ha­ben, mit den Waf­fen um­ge­hen kön­nen und mit Ad­li­gen wie mit ih­res­glei­chen ver­keh­ren. Der gute Ger­hard von Köln, eine le­gen­däre Fi­gur des Hoch­mit­tel­al­ters, ein Kauf­herr, der mit sei­nem Schatz an Wa­ren ge­fan­ge­ne Chris­ten ein­ge­löst und des­halb den Bein­amen des Gu­ten be­kom­men hat, er­scheint als des Erz­bi­schofs Freund und wird vom eng­li­schen Adel, der ihm zu Dank ver­pflich­tet ist, zum Kö­nig von Eng­land ge­wählt; er lehnt groß­mü­tig ab. Zum Geist­li­chen, zum Dy­nas­ten, Rit­ter und Bau­ern, dem Per­so­nal des frü­hen Mit­tel­al­ters, tritt der Kauf­mann als ein neu­es, fremd­ar­ti­ges Ele­ment, das ver­eint mit dem Hand­wer­ker eine neue, die bür­ger­li­che Kul­tur be­grün­det.

Die äl­tes­ten Städ­te Deutsch­lands wa­ren die Rö­mer­städ­te am Rhein und an der Do­nau, Köln, Mainz, Ba­sel, Straß­burg, Re­gens­burg und an­de­re. In man­chen von ih­nen gab es noch be­deu­ten­de rö­mi­sche Bau­ten, wie zum Bei­spiel in Tri­er, das kai­ser­li­che Re­si­denz ge­we­sen war; all­mäh­lich aber ver­fie­len sie, be­son­ders wenn Nor­man­nen oder Un­garn zer­stö­rend ein­bra­chen, dann auch, weil sie als Stein­brü­che beim Her­stel­len neu­er Ge­bäu­de be­nützt wur­den. Dass in die Städ­te kö­nig­li­che Pfal­zen und Bi­schofs­sit­ze ge­legt wur­den, gab ih­nen eine neue Be­deu­tung und Blü­te. Das ei­gent­li­che We­sen der Stadt je­doch, ih­ren ei­gen­tüm­li­chen Cha­rak­ter im Ge­gen­satz zum Lan­de, was sie zu Stät­ten des Frie­dens, des Rech­tes und der Frei­heit, zu selbst­stän­di­gen, hoch­wich­ti­gen Glie­dern des Rei­ches mach­te, das war der Markt, die Nie­der­las­sung von Kauf­leu­ten und Ge­wer­be­trei­ben­den. Man sieht das bei den Grün­dun­gen neu­er Städ­te, die seit dem 12. Jahr­hun­dert von vie­len Fürs­ten vor­ge­nom­men wur­den, und die dar­in be­stan­den, dass der be­tref­fen­de Fürst eine An­zahl von Kauf­leu­ten zur An­sie­de­lung ver­an­lass­te, in­dem er ih­nen Vor­tei­le in Aus­sicht stell­te.

Si­cher­lich gab es im­mer da, wo Pfal­zen oder Bi­schofs­sit­ze wa­ren, Händ­ler; denn die zahl­rei­chen Per­so­nen, die mit ei­ner Hof­hal­tung ver­bun­den wa­ren, hat­ten Be­dürf­nis­se an Le­bens­mit­teln und an­de­ren Din­gen, die nicht nur durch bäu­er­li­che und hand­werk­li­che Hö­ri­ge be­frie­digt wer­den konn­ten. Im Ori­ent, der Wie­ge ur­al­ter Kul­tu­ren, dem Schoß mär­chen­haf­ter Schät­ze, gab es edle Pro­duk­te und Er­zeug­nis­se höchst ver­fei­ner­ter In­dus­tri­en, die aus Chi­na, Per­si­en, Klein­asi­en, In­di­en erst in By­zanz, dann auch an den ara­bi­schen Han­del­splät­zen Bag­dad, Da­mas­kus, Bas­ra, Tra­pe­zunt und Sa­mar­kand zu­sam­men­ström­ten. Aus Chi­na und By­zanz ka­men Sei­de und an­de­re kost­ba­re Ge­we­be, na­ment­lich Pur­pur­stof­fe, die im Wes­ten zur Be­klei­dung und zu kirch­li­chen Ge­wän­dern und kirch­li­chem Schmuck dienten. Der Ru­bin von Cey­lon, der Tür­kis und La­pis­la­zu­li von Per­si­en, Sma­ragd und Sa­phir aus Ägyp­ten, Be­ryll und Kar­neol und an­de­re Halbe­del­stei­ne wur­den im Wes­ten von Män­nern und Frau­en ge­tra­gen und im Kunst­ge­wer­be, na­ment­lich an Re­li­qui­en­bil­dern, ver­wen­det. Edle Höl­zer ge­brauch­te man beim Fär­ben, zum Auf­tra­gen der Far­ben, um den Far­ben grö­ße­re Leucht­kraft zu ge­ben, wie auch zu fei­ner Schrei­ner­ar­beit, so das Aloe­holz, das Bra­sil- und San­del­holz. Per­len ka­men aus dem In­di­schen Ozean, El­fen­bein aus Afri­ka und In­di­en. Die Kunst des Glas­ma­chens, die von Ju­den be­trie­ben wur­de, brach­ten die­se nach Ve­ne­dig; aber das Glas aus dem Ori­ent, na­ment­lich das aus Da­mas­kus, galt als das bes­se­re. Mo­schus, Am­bra und Weih­rauch wa­ren be­gehr­te Wohl­ge­rü­che, den Bal­sam ge­brauch­te man zur Her­stel­lung von Salb­öl und zum Er­hal­ten der Lei­chen. Lan­ge glaub­te man, dass die Bal­sam­sträu­cher, die nicht weit von Kai­ro am Ran­de der Wüs­te wuch­sen, wo der Über­lie­fe­rung nach Ma­ria mit dem Kin­de auf der Flucht nach Ägyp­ten ge­ras­tet hat­te, die ein­zi­gen auf der Welt wä­ren. Pfef­fer, Ing­wer und Zim­met wa­ren als Ge­wür­ze hoch­ge­schätzt. Als Süß­stoff ver­wen­de­te man in Deutsch­land im All­ge­mei­nen noch lan­ge den Ho­nig, wäh­rend der Zu­cker, den die Kreuz­fah­rer in Klein­asi­en ken­nen­lern­ten, weil er sehr teu­er war, nur als Heil­mit­tel bei Brust­lei­den in die Spi­tä­ler kam. Fried­rich II. sorg­te für Neu­be­le­bung der Kul­tur des Zucker­rohrs, das durch die Ara­ber nach Si­zi­li­en ver­pflanzt war.

Die Völ­ker­wan­de­rung hat­te den Han­del in Deutsch­land nicht ganz be­en­digt: im­mer wan­der­ten klu­ge und küh­ne Män­ner, al­len Ge­fah­ren trot­zend, vom Wes­ten nach dem Os­ten, nach Nor­den und Sü­den, wo sie Wa­ren ein­tau­schen und ab­set­zen konn­ten. Ju­den und Frie­sen er­schei­nen zu­erst als Kauf­leu­te. Von By­zanz aus ging der Strom des Han­dels eher nach Nor­den und Os­ten als nach dem Wes­ten, Wi­kin­ger, Ara­ber und Sla­wen wa­ren Ver­mitt­ler. Schles­wig und das sa­gen­be­rühm­te Jum­ne an der Mün­dung der Ost­see wa­ren Han­del­splät­ze, die auch die Fran­ken­rei­che ver­sorg­ten, in der Nähe von El­bing soll sich ein Han­dels­mit­tel­punkt der sla­wi­schen Preu­ßen be­fun­den ha­ben, in Russ­land wa­ren Kiew und Now­go­rod Märk­te. Im zehn­ten Jahr­hun­dert tau­chen in Deutsch­land die Na­men von Kauf­leu­ten auf, die sich au­gen­schein­lich Reich­tum und An­se­hen er­wor­ben hat­ten. Als Otto I. mit dem by­zan­ti­ni­schen Kai­ser Kon­stan­tin Por­phy­ro­ge­ne­tos freund­schaft­li­che Be­zie­hun­gen an­knüp­fen woll­te, wähl­te er zum Über­brin­ger von Ge­schen­ken einen rei­chen Kauf­mann Luit­fred, der in Mainz wohn­te. Zum Füh­rer ei­ner Ge­sandt­schaft nach Spa­ni­en an den Ka­li­fen Ab­der­rah­man III. be­stimm­te er einen Kauf­mann von Ver­dun, na­mens Er­man­hard, weil der in Spa­ni­en gut be­kannt war, und ließ ihm spä­ter noch einen an­de­ren fol­gen. Es scheint aber, dass von Deutsch­land aus nur ver­ein­zelt ein un­mit­tel­ba­rer Ver­kehr mit By­zanz ge­pflegt wur­de; re­gel­mä­ßig be­zo­gen die deut­schen Kauf­leu­te, nach­dem Jum­ne und Schles­wig ver­fal­len wa­ren, die Er­zeug­nis­se des Ori­ents aus Ita­li­en. Erst wa­ren es Amal­fi, Sa­ler­no, Nea­pel und Gae­ta, die mit By­zanz han­del­ten, spä­ter trat Ve­ne­dig mit die­sen Städ­ten in Wett­be­werb und er­lang­te die Vor­herr­schaft. Die deut­schen Kai­ser tru­gen Sor­ge, güns­ti­ge Ver­trä­ge mit der be­trieb­sa­men Meer­stadt ab­zu­schlie­ßen. Sie blie­ben mit der selbst­stän­di­gen in bes­se­ren Be­zie­hun­gen, als sie mit der ab­hän­gi­gen viel­leicht hät­ten er­hal­ten kön­nen. Durch die Lage an der Stra­ße nach dem Sü­den kam Augs­burg em­por, durch die Lage an der Do­nau Re­gens­burg; seit dem elf­ten Jahr­hun­dert wa­ren die Ver­hält­nis­se in Un­garn ge­ord­net ge­nug, dass die­ser Was­ser­weg be­nützt wer­den konn­te. Vie­ler­lei ver­band Kö­nig und Kauf­leu­te. Die Wege, die sie be­nütz­ten, wa­ren haupt­säch­lich die Strö­me und Mee­re, aber auch Land­we­ge, zu­nächst die al­ten Rö­mer­stra­ßen, de­nen sich in me­ro­win­gi­schen und ka­ro­lin­gi­schen Zei­ten neue an­schlos­sen. Die Not­wen­dig­keit, auf Strö­men und Stra­ßen mehr Schutz zu fin­den, als die ei­ge­ne Kraft und Waf­fen­ge­wandt­heit si­cher­te, auf den Märk­ten mit ih­ren Wa­ren zu­ge­las­sen zu wer­den, wies sie an die Ge­neigt­heit des Kö­nigs, dem die Stra­ßen im Reich, Märk­te, Zoll und Mün­ze ge­hör­ten. Dem Kö­nig flos­sen die ver­schie­de­nen Ab­ga­ben zu, die der Han­del ab­warf, die er al­ler­dings in den meis­ten Fäl­len sei­nen kirch­li­chen und welt­li­chen Le­hens­leu­ten ab­trat; aber er hat­te trotz­dem In­ter­es­se an der Zu­nah­me des Ver­kehrs, der das An­se­hen und den Reich­tum der Län­der hebt und der zu­nächst eine An­ge­le­gen­heit des Frie­dens ist. Als Be­schir­mer des Frie­dens im Reich und in der Welt war er der na­tür­li­che Be­schüt­zer des Kauf­manns, des­sen Tä­tig­keit auf den fried­li­chen Be­zie­hun­gen der Völ­ker un­ter­ein­an­der be­ruh­te. Weil der Kö­nig sie in sei­nen be­son­de­ren Schutz nahm, wur­den die Kauf­leu­te im Aus­land ho­mi­nes im­pe­ra­to­ris, Leu­te des Kai­sers, ge­nannt. Es war üb­lich, dass der Kö­nig einen neu­ge­grün­de­ten Markt durch einen Kauf er­öff­ne­te, war er ab­we­send, tat es ein Stell­ver­tre­ter, in­dem er einen Hand­schuh des Kö­nigs ver­kauf­te. Ein Markt­kreuz, das Bild ei­nes be­waff­ne­ten Arms, ei­ner be­waff­ne­ten Hand deu­te­ten auf den kö­nig­li­chen Rechts- und Frie­dens­schutz und auf die Be­stra­fung des Ge­setz­über­tre­ters oder Frie­dens­stö­rers. Ver­lieh der Kö­nig, wie er häu­fig tat, Markt, Zoll und Mün­ze an Bi­schö­fe oder welt­li­che Dy­nas­ten, so blieb er doch der ei­gent­li­che Herr, der Ur­sprung des Rech­tes, und an ihn wand­te man sich im Fal­le der Be­nach­tei­li­gung. Die Nach­fol­ger Ot­tos des Gro­ßen grün­de­ten Märk­te an den Plät­zen, wo häu­fi­ger Auf­ent­halt ih­rer Fa­mi­lie, Klos­ter­grün­dun­gen und Bi­schofs­sit­ze mehr oder we­ni­ger dörf­li­che An­sie­de­lun­gen her­vor­ge­ru­fen hat­ten; so ent­stan­den Qued­lin­burg, Nord­hau­sen, Hal­ber­stadt und na­ment­lich Mag­de­burg. Au­ßer­dem er­ho­ben sie durch Ur­kun­den Märk­te, die schon frü­her be­stan­den hat­ten, zu ge­setz­li­chen, recht­mä­ßi­gen. Ein dörf­li­ches An­se­hen be­hiel­ten zwar die Städ­te, auch die großen, noch lan­ge; den­noch weh­te eine an­de­re Luft in der Stadt als auf dem Lan­de, eine Luft, die frei mach­te.

Trä­ger des neu­en Geis­tes, der in das bäu­er­li­che Deutsch­land ein­drang, wa­ren haupt­säch­lich die Kauf­leu­te, und das Mit­tel, durch das sie wirk­ten, war das Geld. Sie wa­ren auf eine an­de­re Art reich als die Her­ren von Grund und Bo­den, die sich mit Fleisch und Ei­ern von ih­ren Bau­ern, mit Ge­wand und Man­tel von ih­ren Le­hens­her­ren muss­ten ver­se­hen las­sen. Ihr Geld konn­te man in die Ta­sche ste­cken und da­mit kau­fen, was ei­nem ge­fiel, Men­schen und Din­ge, An­se­hen und Frei­heit. Die alt­ger­ma­ni­sche An­schau­ung, dass Frei­heit und Bür­ger­recht an den Be­sitz von Grund und Bo­den ge­bun­den sei, wur­de durch sie ge­lo­ckert. Auch der, wel­cher nichts be­saß, auch der Hö­ri­ge konn­te in der Stadt per­sön­lich frei und durch sei­ne Ar­beit viel­leicht wohl­ha­bend wer­den. Zwar fühl­te sich der Kauf­mann, da er frei war, dem Hö­ri­gen oder aus der Hö­rig­keit her­vor­ge­gan­ge­nen Hand­wer­ker stän­disch über­ge­ord­net; aber er dach­te doch nicht dar­an, ihn in per­sön­li­che Ab­hän­gig­keit her­ab­zu­drücken, er för­der­te ihn so­gar, in­dem er die Idee des Stadt­bür­ger­tums als ei­ner gleich­be­rech­tig­ten Ein­heit schuf. Ver­g­li­chen mit dem Bau­er, dem Krie­ger, dem Geist­li­chen war der Kauf­mann vor­ur­teils­frei. In den frem­den Län­dern er­leb­te er die mensch­li­chen Ei­gen­schaf­ten frem­der, auch heid­nischer Völ­ker; er nahm zwar sei­nen Gott und sein Ge­bet über­all mit; aber er hielt sich doch, wenn das ge­for­dert wur­de, be­schei­den da­mit zu­rück und fand sich mit den frem­den Göt­tern ab. Vi­el­leicht lieb­te er die Hei­mat in­brüns­ti­ger als der, der sie nie ver­ließ; aber er lern­te die Vor­zü­ge der Frem­den ken­nen und lern­te sich mit ih­nen zu ver­stän­di­gen. Ob­wohl er in den Waf­fen ge­übt war, be­durf­te er doch noch ei­nes an­de­ren Mu­tes als der Krie­ger, der mit dem Schwer­te zu ent­schei­den ge­wohnt war: in man­cher Lage half ihm nur die drei­fa­che Macht des Gel­des, des Wor­tes und der Per­sön­lich­keit. Auch dem Be­sitz ge­gen­über, ob­wohl Geld­ge­winn sein Ge­schäft war, war er frei­er als an­de­re, weil er ra­schen Wech­sel ohne Schuld er­fuhr. Er dach­te und fühl­te in wei­te­ren Gren­zen als die meis­ten sei­ner Zeit­ge­nos­sen. Sol­che Ei­gen­schaf­ten mach­ten den Kauf­mann fä­hig, aus der Stadt einen frei­en, ge­ord­ne­ten Staat zu ma­chen. In ge­wis­sem Sin­ne war er die Stadt: er stand am Steu­er, er gab die Rich­tung, er trug die Verant­wor­tung.

Wenn die An­zie­hungs­kraft, die der hau­sie­ren­de Kauf­mann mit sei­nem bun­ten Kram und sei­nen Nach­rich­ten aus nah und fern auf je­der­mann aus­üb­te, auf die Stadt über­tra­gen wur­de, wo er sich an­sie­del­te, die er be­weg­ter, rei­zen­der mach­te, so dach­te doch die Geist­lich­keit an­ders. Es ist be­greif­lich, dass die Bi­schö­fe de­nen zürn­ten, die ih­nen ihre Rech­te als Stadt­her­ren zu ent­win­den such­ten und meist auch wirk­lich ent­wan­den, dass der Kle­rus über­haupt die Neue­rer wit­ter­te, die ihn aus dem Mit­tel­punkt der Kul­tur ver­drän­gen soll­ten; aber auch ohne den An­trieb der Selbs­t­er­hal­tung, aus ih­rer Wel­tauf­fas­sung her­aus war die Kir­che dem Kauf­mann feind. In kirch­li­chen und na­ment­lich in mön­chi­schen Krei­sen wur­de den Kauf­leu­ten nur Bö­ses nach­ge­sagt. Man schalt sie Räu­ber, Trin­ker, Mein­ei­di­ge. Tho­mas von Aqui­no hat den Han­del als er­laubt be­zeich­net, wenn der Händ­ler sich da­mit be­gnü­ge, sei­nen Le­bens­un­ter­halt zu ver­die­nen. Wie konn­te er das bei der Art des kauf­män­ni­schen Ge­schäf­tes, das ein be­deu­ten­des Ka­pi­tal er­for­dert, bei den Auf­ga­ben, die ihm als der re­gie­ren­den Schicht in der Stadt ge­stellt wur­den. Die Not­wen­dig­keit, mehr Geld zu ver­die­nen, als er brauch­te, reiz­te den Kauf­mann, mehr und im­mer mehr Geld und Gut auf­zu­häu­fen, bis er schließ­lich von der Lust am Be­sitz be­herrscht wur­de; die Kir­che hat­te nicht ganz un­recht, wenn sie be­fürch­te­te, der Kauf­mann möch­te nicht nur selbst das Ir­di­sche über das Himm­li­sche set­zen, son­dern durch den Lu­xus, an den er das Volk ge­wöhn­te, ma­te­ri­el­le Ge­sin­nung über­all ver­brei­ten. Die un­ge­rech­te Be­sitz­ver­tei­lung, die Kluft zwi­schen Rei­chen und Ar­men, den Wu­cher und den Lu­xus hat­te der hei­li­ge Am­bro­si­us als die Ur­sa­chen vom Un­ter­gang des Rö­mer­rei­ches be­zeich­net; die Kir­che be­hielt das im Sinn und sah mit Un­wil­len die­se Grund­schä­den von Neu­em kei­men. Sie hielt dar­an fest, dass das Bau­ern­ge­wer­be von Gott ein­ge­setzt sei und die haupt­säch­li­che Be­schäf­ti­gung der Men­schen blei­ben müs­se. Mit weit vor­schau­en­dem Blick sah sie Ge­fah­ren, die sich viel spä­ter aus­wirk­ten, Ge­fah­ren, die mit dem rei­cher sich ent­fal­ten­den Le­ben ver­bun­den sind und die man nicht un­ter­drücken könn­te, ohne das Le­ben selbst in sei­ner Quel­le und Fül­le zu ver­schüt­ten.

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