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Albert Magnus

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Er, der zur Rech­ten mir am nächs­ten steht,

War Bru­der mir und Meis­ter; er ist Al­bert

Von Köln, und ich bin Tho­mas von Aqui­no.

Der, den Dan­te als Bru­der und Meis­ter des Tho­mas von Aqui­no ein­führt, ist nicht wie die­ser von der Kir­che un­ter ihre Hei­li­gen auf­ge­nom­men; aber die Ge­schich­te hat ihm als ein­zi­gen un­ter al­len Ge­lehr­ten, un­ter al­len Pri­vat­per­so­nen den Na­men des Gro­ßen ver­lie­hen. An die­ser über­ra­gen­den mit­tel­al­ter­li­chen Er­schei­nung stellt sich der Un­ter­schied zwi­schen rö­mi­schem und deut­schem We­sen dar; wie durch­aus mit­tel­al­ter­lich-ka­tho­lisch er war, zu­gleich war er deutsch-pro­tes­tan­tisch, er steht in der Kir­che und ist doch auch grö­ßer als die Kir­che, frei wan­dert er un­ter den Ster­nen, das Haupt ge­krönt vom Sau­sen der Ele­men­te. Fromm, treu, ge­recht, ein un­er­müd­li­cher Ar­bei­ter, tap­fer zu sei­ner Über­zeu­gung ste­hend, ein Zög­ling der Na­tur, bis ins höchs­te Al­ter ju­gend­lich stre­bend, of­fen al­lem Le­ben­di­gen, ist der Doc­tor uni­ver­sa­lis zwar nicht das, was der Deut­sche im All­ge­mei­nen ist, aber das, was er sein möch­te, was er als deutsch liebt und ver­ehrt.

Al­bert von Boll­städt ist in dem jetzt bay­ri­schen Städt­chen Lauin­gen, das sei­nen Ur­sprung in graue Ver­gan­gen­heit zu­rück­führt, als Sohn ei­nes dem nie­de­ren Adel an­ge­hö­ri­gen Ge­schlechts ge­bo­ren. Er wuchs in der Art der jun­gen Män­ner sei­nes Stan­des auf, lieb­te die Jagd und war in al­len rit­ter­li­chen Küns­ten ge­übt; was ihn be­wog zu stu­die­ren, war ne­ben dem Drang nach Er­kennt­nis si­cher­lich auch die Hoff­nung, auf der Uni­ver­si­tät mit al­len Fa­sern Le­ben und Le­bens­lust in sich auf­neh­men zu kön­nen. Im al­ten ghi­bel­li­ni­schen Pa­dua, das sich un­ter den Ho­hen­stau­fen das Recht un­be­schränk­ter Selbst­re­gie­rung er­wor­ben hat­te, tat sich im Jah­re 1222 durch Über­sie­de­lung von Pro­fes­so­ren und Schü­lern aus Bo­lo­gna eine neue Uni­ver­si­tät auf, wo be­son­ders das Stu­di­um der frei­en Küns­te be­trie­ben wur­de. Dort ge­wann der da­ma­li­ge Ge­ne­ral des Do­mi­ni­ka­ner­or­dens, Jor­dan, ein Deut­scher aus der Ge­gend von Pa­der­born, der ein Schü­ler des hei­li­gen Do­mi­ni­kus ge­we­sen war und einen star­ken Ein­fluss auf die Ju­gend aus­üb­te, Al­bert von Boll­städt für das Stu­di­um der Theo­lo­gie und für den Or­den. Nach­dem er in Bo­lo­gna Theo­lo­gie stu­diert hat­te, wur­de er als Leh­rer nach Köln be­ru­fen, lehr­te vor­über­ge­hend an den Schu­len von Hil­des­heim, Straß­burg, Frei­burg, Re­gens­burg und in den Jah­ren 1245 bis 1248 in Pa­ris. Als dann eine Schu­le in Köln ge­grün­det wur­de, schick­te der Or­den ihn dort­hin.

Die Pre­dig­ten und Er­bau­ungs­bü­cher Al­berts be­we­gen sich in dem zu sei­ner Zeit üb­li­chen Sti­le, der uns un­ver­ständ­lich ge­wor­den ist. Wa­rum hat Chris­tus Wei­zen­brot zur Ver­wand­lung ge­nom­men? Sie­ben Grün­de wer­den da­für an­ge­führt, z. B. die Ähn­lich­keit von Chris­ti Leib mit dem Wei­zen­brot. Es folgt eine drei­fa­che Be­trach­tung des Wei­zen­bro­tes: wie es in ei­nem Hau­fen liegt, wie es in der Erde liegt, wie es zu Brot ge­ba­cken ist. In der ers­ten Hin­sicht be­denkt er, wie Chris­tus von der Jung­frau emp­fan­gen ist, in der zwei­ten wie er für uns ge­lit­ten hat, in der drit­ten wie er im Him­mel ver­herr­licht ist. In der ers­ten wird die Mut­ter Chris­ti ge­ehrt, in der zwei­ten wird der Sün­der be­freit, in der drit­ten wird der Se­li­ge be­glückt. Die Ver­kün­di­gung wird in fol­gen­der Wei­se be­trach­tet: War es not­wen­dig, dass der Erz­en­gel Ga­bri­el zu Ma­ria ge­schickt wur­de? Durch wel­chen Bo­ten ge­sch­ah die Ver­kün­di­gung am pas­sends­ten? Muss­te der Bote ein En­gel sein? Oder ein Erz­en­gel? Oder ein Che­rub? Oder ein Se­raph? Soll­ten alle Klas­sen der En­gel zu­gleich die Sen­dung aus­füh­ren? Oder alle En­gel zu­gleich? Oder der Va­ter? Oder der Sohn? Oder der Hei­li­ge Geist? Oder die gan­ze Hei­li­ge Drei­fal­tig­keit? In wel­cher Ge­stalt ist der Erz­en­gel er­schie­nen? Als Schlan­ge oder als Tau­be? In wel­chem Al­ter? In wel­chem Kleid? – Eine alp­drücken­de Erin­ne­rung an Schulauf­sät­ze über­kommt uns.

Aus der reichs­ten, blü­hends­ten Of­fen­ba­rung ist der Geist her­aus­ge­presst, und der üb­rig­ge­blie­be­ne Teig wird mit Fäus­ten be­ar­bei­tet und als Spei­se vor­ge­setzt. Man pfleg­te die in der Bi­bel er­zähl­ten Vor­gän­ge nicht so zu be­han­deln, dass man den in ih­nen lie­gen­den Sinn ent­fal­te­te, dass man sie als vor­bild­li­che Le­bens­er­schei­nung be­trach­te­te, zu der das Le­ben al­ler in Be­zie­hung steht, dass man sie durch sich selbst, durch die in ih­nen lie­gen­de Poe­sie wir­ken ließ, son­dern man mach­te eine Al­le­go­rie dar­aus, eine be­lie­bi­ge, an das Äu­ßer­li­che an­knüp­fen­de Ver­glei­chung, bei der die Ein­tei­lung die Haupt­sa­che war, die aber mit dem Geist des Bi­bel­wor­tes nichts zu tun hat­te. Al­bert hat sich die­se Mode an­ge­eig­net, ohne je den Drang nach ei­ner tiefe­ren, licht­vol­le­ren Be­hand­lung zu spü­ren. Man muss an­neh­men, dass dem from­men Man­ne die Form, in wel­cher die Fröm­mig­keit aus­ge­übt wur­de, ge­nüg­te, dass die Art, wie die Kir­che die Be­zie­hung des ein­zel­nen zur Kir­che ver­mit­tel­te, für ihn die gute und rich­ti­ge, durch die Über­lie­fe­rung ge­hei­lig­te war. Das schloss nicht die un­mit­tel­ba­re Be­zie­hung zu Gott durch Ge­bet, in Glau­be, Lie­be und Er­kennt­nis aus. Wie die Kir­chen­leh­rer schrieb er der na­tür­li­chen Ver­nunft eine hohe Kraft im Er­ken­nen der Wahr­heit zu, schätz­te er die Grie­chen als das Volk, das durch Beo­b­ach­tung der Ge­set­ze und die höchs­te Welt­weis­heit blüh­te. Das größ­te Ver­dienst auf dem Ge­bie­te der Phi­lo­so­phie er­warb er sich da­durch, dass er die Schrif­ten des Ari­sto­te­les, ge­rei­nigt von den Irr­tü­mern, die durch Aver­roës ent­stan­den wa­ren, über­setz­te und be­ar­bei­te­te und den Zeit­ge­nos­sen Zu­gang zu dem heid­nischen Hei­li­gen des Mit­tel­al­ters ver­schaff­te. In sei­ner An­sicht über den Staat ist Al­bert wohl von Ari­sto­te­les be­ein­flusst, wie er denn über­haupt in al­len sei­nen An­schau­un­gen gern das Über­lie­fer­te über­nahm und zu be­stimm­ten ei­ge­nen, etwa auch von den über­lie­fer­ten ab­wei­chen­den nur dann kam, wenn er sie durch Er­fah­rung oder Er­leb­nis ge­wann. Da­mit hängt es zu­sam­men, dass er kein Sys­te­ma­ti­ker war und dass nicht sei­ne Sum­ma, son­dern die des Tho­mas von Aqui­no, die end­gül­ti­ge, noch heu­te von der Kir­che an­er­kann­te, al­les in Sein und Den­ken Exis­tie­ren­de in ei­nem ge­schlos­se­nen Kos­mos zu­sam­men­fas­sen­de All-Form ge­wor­den ist. Der mäch­ti­ge Geist des großen Al­bert bau­te sich einen Kos­mos und durch­brach ihn im­mer wie­der, um jen­seits in das Unend­li­che zu grei­fen. Der Na­tur ge­gen­über band ihn kei­ne Fes­sel, such­te er den Grund der Er­schei­nun­gen in der Na­tur selbst. »Wir ha­ben in der Na­tur nicht zu er­for­schen, wie Gott der Schöp­fer nach sei­nem frei­en Wil­len die Ge­schöp­fe ge­braucht zu Wun­dern, wo­durch er sei­ne All­macht zeigt, son­dern viel­mehr was in den Na­tur­din­gen nach den na­tür­li­chen Ur­sa­chen auf na­tür­li­che Wei­se ge­sche­hen kann.« S­cien­tiae na­tu­ra­lis non est sim­pli­ci­ter nar­ra­ta ac­ci­pe­re sed in re­bus na­tu­ra­li­bus in­qui­re­re cau­sas. Von frü­her Ju­gend an be­seel­te ihn der Hang, den Zu­sam­men­hang der na­tür­li­chen Er­schei­nun­gen auf­zu­fin­den. Auf der Jagd stell­te er Beo­b­ach­tun­gen mit den Fal­ken und den Hun­den an. In Pa­dua be­ob­ach­te­te er, wie bei der Öff­nung ei­nes ver­schlos­se­nen Brun­nens die bei­den Män­ner, die zu­erst hin­un­ter­stie­gen, star­ben, der drit­te in Ohn­macht fiel, und dass das Was­ser gut und brauch­bar wur­de, nach­dem ein au­gen­schein­lich fau­li­ger Dunst dar­aus ver­flo­gen war. Auf sei­nen zahl­rei­chen Rei­sen, die er zu Fuß mach­te, sah er im­mer ge­spann­ten und schar­fen Blickes um sich und be­gab sich auch ei­gens da­hin, wo et­was Merk­wür­di­ges ken­nen­zu­ler­nen war. Beim Aus­ter­nes­sen in­ter­es­sier­te er sich für die Per­len, die er fand, von 96 Edel­stei­nen zähl­te er die Fund­orte und Ei­gen­schaf­ten auf. In Ost­fran­ken sah er Ma­gnet­stei­ne von be­son­de­rer Kraft und no­tier­te sich, dass ein wiss­be­gie­ri­ger Ge­fähr­te beim Kai­ser Fried­rich Ma­gnet­stei­ne ge­se­hen ha­ben woll­te, die nicht das Ei­sen an­zo­gen, son­dern vom Ei­sen an­ge­zo­gen wur­den. Er be­ob­ach­te­te den Kampf ei­nes Ad­lers mit ei­nem Schwan, und dass der Schwan nicht nur beim Tode ei­nes Ge­nos­sen, son­dern bei je­dem Schmerz sin­ge.

Eben­so wie Pflan­zen und Tie­re such­te er den Men­schen zu er­for­schen. Er dach­te nach über den Traum, be­merk­te, dass man sel­te­ner von Gerü­chen als von Ge­stal­ten und Far­ben träu­me und such­te das zu deu­ten, er glaub­te, dass es pro­phe­ti­sche Träu­me gebe, zwei­fel­te aber, ob man sich dar­auf ver­las­sen kön­ne. Er war über­zeugt, dass Mensch und Tier durch die Ei­gen­art des geo­gra­fi­schen Or­tes be­ein­flusst wer­den, und mein­te, dass die Ger­ma­nen we­gen der grö­ße­ren Käl­te ih­rer Hei­mat groß, stark, mu­tig und ur­sprüng­lich un­ge­schickt zum Stu­die­ren sei­en, dass sie aber, wenn sie es ein­mal be­gin­nen, mehr aus­dau­er­ten als an­de­re. Als Bei­spiel führ­te er die Mai­län­der an. Von den ro­ma­ni­schen Völ­kern sag­te er lo­bend, dass sie die schö­ne Mit­te bil­den zwi­schen der Wild­heit des Nor­dens und der Weich­lich­keit des Sü­dens. Er be­ob­ach­te­te, dass die Berg­be­woh­ner häu­fig »kno­ti­ge, skro­phulö­se Häl­se und Schlün­de ha­ben« und führ­te die Aus­wüch­se auf das Was­ser zu­rück. Dass die Phy­sio­gno­mie die herr­schen­de Na­tu­r­an­la­ge des Men­schen an­zei­ge, glaub­te er, aber nicht im­mer und nicht mit Not­wen­dig­keit. Die Ge­gend an den Po­len hielt er im All­ge­mei­nen für un­be­wohn­bar we­gen der Käl­te; gebe es aber dort Tie­re, so müss­ten sie große, flei­schi­ge Kör­per ha­ben, da­mit die Käl­te sie nicht so schnell durch­drin­ge, und ihre Far­be müss­te weiß­lich sein. Die an­de­re Hälf­te der Erde sei be­wohnt, mein­te er; wenn noch kei­ner der Be­woh­ner zu uns ge­kom­men sei, so lie­ge das an der Grö­ße des da­zwi­schen aus­ge­brei­te­ten Ozeans.

Wenn Al­bert die Na­tur aus sich selbst und ih­ren ei­ge­nen Be­din­gun­gen zu ver­ste­hen such­te, so sah er sie doch nie als et­was von Gott Ge­schie­de­nes oder Gott Ent­ge­gen­ge­setz­tes an, son­dern als von Gott er­füllt. Er glaub­te fest an die Uns­terb­lich­keit der See­le, und zwar der Ein­zel­see­le ei­nes je­den. Hef­tig be­kämpf­te er die An­sicht der Ara­ber, dass die Mensch­heit nur eine See­le habe, die nur durch die Kör­per in­di­vi­dua­li­siert wer­de. Jede See­le, mein­te er, sei un­mit­tel­bar von Gott er­schaf­fen; da sie we­sent­lich vom Kör­per ver­schie­den sei, neh­me sie am Tode des­sel­ben nicht teil. Die See­le ist nach ihm die Form des Kör­pers und das Prin­zip der Be­we­gung.

Fast noch be­deut­sa­mer als das, was von Al­berts phi­lo­so­phi­scher und na­tur­wis­sen­schaft­li­cher Wirk­sam­keit be­rich­tet wird, sind die Sa­gen, die im Vol­ke über ihn um­gin­gen. Sie knüp­fen zum Teil an me­cha­ni­sche Ver­su­che, die er wohl wirk­lich an­ge­stellt hat. Ein­mal, so heißt es, habe sein Schü­ler Tho­mas von Aqui­no in sei­ner Ab­we­sen­heit die ge­hei­me Zel­le be­tre­ten, wo er zu fei­len und zu drech­seln pfleg­te. Dort habe er al­ler­lei ihm un­be­kann­te In­stru­men­te und Ap­pa­ra­te und ein selt­sam ge­stal­te­tes Tier und in ei­ner Ecke einen feu­er­ro­ten Vor­hang ge­se­hen. Da er es nicht habe las­sen kön­nen, den Vor­hang zu­rück­zu­schla­gen, habe er ein wun­der­schö­nes Frau­en­bild er­blickt, das ihn mit ma­gi­scher Ge­walt ge­fes­selt habe. Das habe ihm zu­ge­ru­fen: Sal­ve! Sal­ve! Sal­ve!, wor­über er so ent­setzt ge­we­sen sei, dass er einen Stab ge­nom­men und dar­auf ge­schla­gen habe. Un­ter wun­der­li­chem Klir­ren und Stöh­nen sei es zu­sam­men­ge­bro­chen. »Tho­mas«, habe der eben ein­tre­ten­de Al­bert aus­ge­ru­fen, »was hast du ge­tan? Das Werk drei­ßig­jäh­ri­ger Mühe hast du ver­nich­tet.« Auch als Bi­schof von Re­gens­burg soll er in dem Sch­löss­chen Do­naus­tauf, wo­hin er es lieb­te, sich zu­rück­zu­zie­hen, ein La­bo­ra­to­ri­um ge­habt ha­ben, wo er ge­hei­me Küns­te trieb. Wo­mit er sich dort be­schäf­tig­te, kann man dar­aus schlie­ßen, dass er ge­le­gent­lich da­von sprach, wie man durch Dampf das Ent­ste­hen ei­nes Erd­be­bens ver­an­schau­li­chen und dass man ei­nem dar­auf be­züg­li­chen Ap­pa­rat die Ge­stalt ei­nes bla­sen­den Men­schen ge­ben kön­ne. In­dem er er­zähl­te, Däda­lus habe nach der Über­lie­fe­rung aus Holz ein Mi­ner­va­bild ge­macht, das be­weg­lich ge­we­sen sei und ge­sun­gen habe, er­klärt er, auf wel­che Art sich das be­werk­stel­li­gen las­se. An den Be­such des Kö­nigs Wil­helm von Hol­land in Köln knüpft sich die Sage, wie Al­bert ihn und sein Ge­fol­ge im Do­mi­ni­ka­ner­klos­ter emp­fing und sie ein­lud, im Klos­ter­gar­ten ein Mahl ein­zu­neh­men, wie den un­gern Ein­tre­ten­den statt des ge­fürch­te­ten Fros­tes war­mer Som­mer, Blu­men­duft und Vö­gel­ge­sang ent­ge­gen­blüh­te, und wie Al­bert sei­ne Gäs­te mit köst­li­chem Wein, je­den mit dem ge­wünsch­ten, be­wir­te­te. Die Zau­ber­kunst, Men­schen an­zu­zie­hen, übte Al­bert tat­säch­lich an dem jun­gen Kö­nig aus, der sich von ihm, um sei­nen Um­gang län­ger zu ge­nie­ßen, nach Ut­recht be­glei­ten ließ und ihm dort für sei­nen Or­den ein schön ge­le­ge­nes Haus schenk­te. Me­di­zi­ni­sche Stu­di­en Al­berts mö­gen der Sage zu­grun­de lie­gen, dass er einen Be­cher be­ses­sen habe, mit dem, bald mit Was­ser, bald mit Wein ge­füllt, er alle Kran­ken ge­heilt habe. Wenn es fer­ner heißt, dass er die Toch­ter des Kö­nigs von Frank­reich durch die Lüf­te nach Köln ent­führt habe, dass er auf dem Rücken des Teu­fels nach Rom ge­rit­ten sei, um den Papst von ei­ner Sün­de ab­zu­hal­ten, dass er sich von Gott er­be­ten habe, ei­ni­ge Tage im Fe­ge­feu­er zu­brin­gen zu dür­fen, da­mit er auch die­se Re­gi­on ken­nen­ler­ne, nach­dem er auf Er­den al­les er­forscht habe, glaubt man nicht wie­der­um aus Ne­bel­ge­wölk die Ge­stalt Fausts auf­tau­chen zu se­hen? Aus dem Scho­ße des Vol­kes ringt sich ein deut­sches Ur­bild los, der Him­mel­hoch­stre­ben­de, Uner­sätt­li­che, Nie­be­frie­dig­te, auf den ein fla­ckern­der Schein aus der Höl­le fällt. Wie ne­ben Gott­va­ter bei­nah ka­me­rad­schaft­lich der Teu­fel steht, so steht er auch ne­ben dem ge­nia­len Men­schen, halb mäch­ti­ger Ge­gen­gott, halb be­tro­ge­ner Ko­bold. Im Bun­de mit dem Teu­fel selbst er­scheint der Ver­we­ge­ne doch nicht schul­dig, so­lan­ge er kämpft und strebt und die Göt­ter­kraft in sich fühlt, den Bö­sen zu über­win­den.

Wenn Al­bert nicht wie Goe­thes Faust wünsch­te, dem Mee­re Land ab­zu­ge­win­nen, um mit frei­em Volk auf frei­em Bo­den zu ste­hen, so be­schütz­te er doch die Rech­te und Frei­hei­ten des Vol­kes so viel er konn­te. Als Erz­bi­schof Kon­rad von Hoch­sta­den mit der Stadt Köln in einen schwe­ren Streit ge­riet, ge­lang es Al­bert zwei­mal, eine Ver­mit­te­lung her­bei­zu­füh­ren, wo­bei je­dem das Sei­ne ge­ge­ben wur­de, was bei der Mas­se ver­wi­ckel­ter Rechts­fra­gen und über­grei­fen­der An­sprü­che au­ßer­or­dent­lich schwie­rig war. Das Ver­trau­en, das bei­de Tei­le in Al­berts Ge­rech­tig­keits­lie­be, Un­be­stech­lich­keit und Sach­kennt­nis setz­ten, lässt sei­nen Cha­rak­ter im schöns­ten Licht er­schei­nen. Bei der Süh­ne, der die ver­häng­nis­vol­le krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung folg­te, fehl­te sei­ne Mit­wir­kung. Auch in Würz­burg wur­de er bei ei­nem Streit zwi­schen Bi­schof und Bür­ger­schaft zur Ver­mitt­lung her­an­ge­zo­gen und hat sie nicht ver­sagt. Gera­de die­se Teil­nah­me an wich­ti­gen öf­fent­li­chen Ak­ten zeigt die fri­sche Tä­tig­keit des ge­lehr­ten Do­mi­ni­ka­ners und sei­nen un­be­fan­ge­nen Sinn für die welt­li­chen Le­bens­ver­hält­nis­se.

So un­be­grenzt war das Zu­trau­en zu Al­berts All­ver­mö­gen, dass er nicht nur für den Er­bau­er der Do­mi­ni­ka­ner­kir­che und des neu­en Do­mes in Re­gens­burg ge­hal­ten wur­de, son­dern auch den Plan zum Köl­ner Dom soll er ent­wor­fen ha­ben, nach­dem der alte ro­ma­ni­sche im Jah­re 1248 ab­ge­brannt war. Da­bei hät­ten ihm die Jung­frau Ma­ria und die Pa­tro­ne und Meis­ter der Bau­kunst, die Vier Ge­krön­ten, ge­hol­fen; denn die Hei­li­gen be­müh­ten sich nicht we­ni­ger um ihn als der Teu­fel. Über­haupt soll er die go­ti­sche Bau­wei­se in Deutsch­land ein­ge­führt ha­ben, die des­halb kurz­weg die Al­ber­ti­ni­sche Kunst ge­hei­ßen habe. Es spricht aus die­ser durch nichts zu be­grün­den­den Sage das Ge­fühl, dass ein neu­er Geist aus die­sem Man­ne sprach, auf den man dar­um al­les Neue und Gro­ße be­zog. Wie sei­ne Art der Na­tur­be­trach­tung, so wi­der­sprach er auch in re­li­gi­ösen Din­gen oft der üb­li­chen Auf­fas­sung. »Wenn wir de­nen ver­ge­ben, die uns an Leib, Ehre oder Gut scha­de­ten, das ist uns mehr nüt­ze, als wenn wir über Meer gin­gen und uns ins hei­li­ge Grab leg­ten.« »Wenn wir Lieb und Leid in rech­ter De­mut aus Got­tes Hand emp­fan­gen und bei­des als Got­tes Gabe er­ken­nen, so ist uns das mehr nüt­ze, als wenn wir alle Tage einen Wa­gen voll Bir­ken­rei­ser auf un­se­rem Rücken zer­schlü­gen.« »Wenn der Mensch krank ist, so glaubt er oft, dass sein Le­ben un­nütz sei vor Gott. Wenn er aber nicht des Ge­be­tes und der gu­ten Wer­ke pfle­gen kann, schaut sei­ne Krank­heit und sein Ver­lan­gen tiefer in die Gott­heit als zehn­hun­dert Ge­sun­de.« Der Ka­tho­li­zis­mus war un­über­wind­lich groß, als er noch den Pro­tes­tan­tis­mus und die Mys­tik in sich schloss. Er­hob sich Al­bert über das For­mel­haf­te und Äu­ßer­li­che so­wohl wie über das krampf­haft Über­trie­be­ne, was kirch­li­che Ge­bräu­che so leicht ver­fälscht, be­weg­te er sich doch treu in den Schran­ken der Kirch­lich­keit und gab vie­le Pro­ben herz­li­cher Fröm­mig­keit. Auch die As­ke­se wuss­te er zu schät­zen und übte sie in ver­stän­di­ger Wei­se, ließ sich aber doch, als er Bi­schof wur­de, vom Ge­lüb­de der Ar­mut ent­bin­den. Lie­bes­ge­schich­ten sind nie von ihm be­rich­tet wor­den, wie viel Gerüch­te auch über ihn um­gin­gen, und wie rück­sichts­los er auch als Ne­kro­mant an­ge­grif­fen wur­de. Die Sage von der ar­gen Her­zog­s­toch­ter, die neun Jüng­lin­ge lieb­te und dann um­brach­te, und die auch ihn be­sit­zen woll­te, führt ihn als zau­ber­kun­dig, aber als un­ver­führ­bar ein. Doch war er ein Freund der Frau­en und der Frau­en­bil­dung. Im Ge­gen­satz zur Bi­bel for­der­te er, dass im Fal­le des Ehe­bruchs nicht nur der Mann die Frau, son­dern auch die Frau den Mann ent­las­sen dür­fe. Das Recht, die ehe­bre­che­ri­sche Frau zu tö­ten, sprach er dem Man­ne ab.

In al­len sei­nen An­schau­un­gen hielt er die Mit­te ein, nicht im Sin­ne des Mit­tel­mä­ßi­gen, Ver­wa­sche­nen, Ver­plat­te­ten, son­dern so, dass er das Ent­ge­gen­ge­setz­te zu ver­bin­den such­te, wie es wirk­lich im We­sen der Men­schen ver­bun­den ist. Er war ein Geg­ner der Gü­ter­ge­mein­schaft, wie sie Pla­to lehr­te; aber wenn er den Pri­vat­be­sitz für zu­läs­sig und so­gar löb­lich er­klär­te, so sag­te er doch, dass der Mensch nicht un­be­dingt Herr sei­ner Gü­ter sei. Pri­vat­be­sitz, der über das hin­aus­ge­he, was man zur Be­frie­di­gung der Le­bens­be­dürf­nis­se be­nö­ti­ge, müs­se den Är­me­ren zu­gu­te kom­men. Der Be­sit­zer über­flüs­si­ger Gü­ter sei ei­gent­lich nur Ver­wal­ter des Ar­men­gu­tes. Im Fal­le der Not wer­de Pri­vat­be­sitz Ge­mein­be­sitz, weil nach dem Na­tur­recht im Not­fal­le al­les ge­mein­sam sei. Das fol­ge aus der Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit al­ler im Staa­te. Im All­ge­mei­nen lehn­te er sich in al­len den Staat be­tref­fen­den Fra­gen an Ari­sto­te­les, zu­wei­len an Au­gus­ti­nus. Das Fun­da­ment des Staa­tes ist ihm die Ge­rech­tig­keit; er er­in­nert an das Wort des Au­gus­ti­nus: »Ohne Ge­rech­tig­keit sind die Staa­ten wei­ter nichts als große Räu­ber­ban­den.« Wenn der Zweck des Staa­tes ist, die Bür­ger zu ver­sitt­li­chen, so bil­det da­bei doch die Wirk­lich­keit des Le­bens eine Gren­ze. So hielt er z. B. das Zins­neh­men für ge­stat­tet. Den Krieg sah er als ein Übel an, nicht aber den Sol­da­ten­stand für un­sitt­lich oder un­er­laubt; denn im In­ter­es­se sei­ner Sou­ve­rä­ni­tät müs­se der Staat ge­rüs­tet sein und dür­fe zur Ver­tei­di­gung auch Krie­ge füh­ren; Krie­ge ge­gen heid­nische Völ­ker zum Zwe­cke der Be­keh­rung da­ge­gen ver­warf er, ganz ab­wei­chend von den herr­schen­den An­sich­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten. Wi­der­stand ge­gen Ty­ran­nen hielt er für er­laubt. Der Staat war ihm nicht Macht­staat, son­dern in ers­ter Li­nie Kul­tur­staat.

Das Um­fas­sen al­ler Ge­bie­te des Glau­bens, des Den­kens und des Le­bens macht Al­bert so groß. In al­les, was er tat oder be­ar­bei­te­te, ver­tief­te er sich gründ­lich, mit Lei­den­schaft. Die Men­ge sei­ner Schrif­ten ist so groß, dass man meint, er müs­se sein Le­ben mit der Fe­der in der Hand zu­ge­bracht ha­ben. Doch schätz­te ihn der Or­den nicht nur als Pre­di­ger und als Uni­ver­si­täts­leh­rer, son­dern auch als Ver­wal­ter. In der Freund­schaft war er treu und in der Aner­ken­nung frem­den Ver­diens­tes so selbst­los und hin­ge­bend, dass er, als die Leh­re des Tho­mas von Aqui­no in Pa­ris an­ge­grif­fen wur­de, trotz sei­nes ho­hen Al­ters, denn er war in der Mit­te der acht­zi­ger Jah­re, dort­hin reis­te, um sei­nen ver­stor­be­nen Schü­ler und Freund zu ver­tei­di­gen. Es war ihm eine lan­ge Le­bens­zeit be­schie­den, da­mit er alle Stu­fen des Le­bens durch­schrei­ten und ihre ver­schie­de­nen Auf­ga­ben er­fül­len kön­ne. Er starb neun­zig­jäh­rig im Jah­re 1280.

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