Читать книгу Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer - Страница 17
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ОглавлениеIm Backstagebereich herrschte rege Hektik. Die erste Vorband war gerade auf die Bühne gegangen, um die Menge erst einmal zu beruhigen und die zweite Vorband lungerte halbherzig in ihrer Garderobe herum. Sam Pearson, der Sänger, lehnte an der Tür und unterhielt sich mit Barclay, der bereits halb in der Maske war. Überall waren Roadies und Techniker die Setpläne studierten, Instrumente hin- und herschleppten und Kabel zu entwirren versuchten. Lafayette hatte die Gitarre für die ersten beiden Songs umgehängt und zupfte darauf herum, während die Make-up Assistentin bemüht war, seine Haare in eine Frisur zu verwandeln.
Dazwischen gab es noch ein paar aufgeregte Fans, die sich unbedingt in eine Konversation einklinken wollten. Agents Provocateurs waren großzügig mit ihren Backstagepässen, genossen es, von Fans umringt zu sein und sich auf den Aftershowparties den einen oder anderen Spaß mit ihnen zu erlauben, aber in den letzten Minuten vor Showbeginn waren sie eher im Weg. Und es half auch nicht, dass sie einige der Musiker, Schauspieler, Models und VIPs belagerten, die am Anfang ihrer Karriere hauptsächlich Haydn hinter die Bühne gebracht hatte und die mit der Band jammten oder Anekdoten austauschten.
„Auf Tour mit Agents Provocateurs ist wie in einem Zirkuswagen voller Clowns“, wie Lewis, einer der Roadies, einmal anmerkte. „Only with infinitely more sex and elusive guests.“ Angeblich hatte eines der Models – „Ach, wenn ich mich nur an den Namen erinnern könnte, es waren so viele…“ – ihm schon mal ihr „Alles“ gezeigt, nur damit sie in die Umkleide durfte, obwohl es ihm verboten worden war und daraufhin hatten die Band ihn vom Unterdecksschrubber zum Aufseher über die Getränke befördert, nur um dann jedes Mal ihre Hosen runterzulassen, wenn sie ein Bier von ihm wollten.
Es kam auch schon mal vor, dass die Herrn sich ein Auto mieteten und danach durch, Gott sei Dank weniger befahrene, Straßen kurvten, ein Roadie am Steuer, die anderen auf dem Dach und/oder der Motorhaube. War es ein Pickup, so tanzten Ian und Haydn schon mal während der Fahrt auf der Ladefläche. Dass sie nie mit der Polizei in Berühung kamen grenzte an ein Wunder. Manchmal hatten die Roadies den Tourmanager schon mal zu sich selbst murmeln hören, dass er sich wünschte, die Polizeit würde sie kriegen, dann würden sie vielleicht endlich zur Vernuft kommen.
Eines Nachts, nachdem man die Jungs und ihre Gäste heil ins Hotel gebracht hatte, war die Band nur mit Schürzen bedeckt in die Poolarea gestürmt, wo man sich unter die unschuldigen Gäste gemischt hätte und „That’s Amore“ zum Besten gegeben hatte, wobei sie bei der Zeile „when the moon hits your eyes“ ihre blanken Hintern gezeigt hatten. Damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich ziehend, bemerkte niemand wirklich, dass Frankie, der für Haydns Gitarren verantwortlich war, dessen Platz eingenommen hatte, während sein Boss im Pool mit einer Schauspielerin beschäftigt war. Und natürlich sind da die zig Male in denen die Band die Rolle der Roadies übernommen hatte – inklusive Fahren des Tourbusses, um unerkannt herumstreunen zu können. So geschehen bei mehreren kleineren Auftritten und vor allem auf Festivals. „Interessant hierbei ist nur“, bemerkte Lewis, „dass sie es als Roadies fast leichter haben, an Mädels ranzukommen.“ „Ich glaube, die Crew braucht nach einer Tour dringender eine Pause als die Band“, lachte Thierry einmal. „Es gibt nur eine gewisse Zeitspanne, die man mit den Fünf zusammen sein kann, ohne sich aus dem nächsten Fenster stürzen zu wollen. Aber sie bezahlen sehr gut und sie lassen uns sogar ein paar von den guten Mädchen – oder Jungs – übrig und sie sind uns ehrlich ans Herz gewachsen.“
Linnea und Agneta schoben sich zu ihren Plätzen durch und Agneta blickten um sich. „Wow, das sind gute Sitze.“ Linnea setzte sich und warf einen Blick auf die Bühne. „Du weißt, dass wir das Konzert über wahrscheinlich stehen müssen, weil andere tanzen?“, verfluchte sie sich dafür, dass sie eine Handtasche mitgebracht hatte. In den Filmen brachte man nie Handtaschen zu einem Rockkonzert. Jetzt verstand sie so richtig warum. „Wieso haben wir dann Sitzplätze?“ Hallo, mein Name ist Linnea Lagerbielke und meine Mutter ist so peinlich...
Das Konzert war eine unglaublich aufwendig getimte Sache, denn es gab viele wechselnde Bühnenelemente und zumindest Haydn Cavendish zog sich zu jedem zweiten Song komplett um – und seine Outfits konnte man eigentlich nicht einfach in zwei Minuten überwerfen. So gut Linneas Vorsätze auch gewesen waren, sie konnte nicht verhindern, mitgerissen zu werden vom dem Zauberstaub, den Agents Provocateurs ins Publikum streute. Und sie konnte nicht verhindern, ihn zu beobachten. Als er Anlauf nahm und mit drei Flik-Flaks und einem Salto über die Bühne sprang, musste sie beinahe lachen. Sie kannte ihn nicht, sie hatte ihn nicht kennenlernen können, aber das gerade: Das war absolut er. Es war Zirkus, es war Rock, es war alles dazwischen und es verkörperte so absolut nicht, aber doch gekonnt übertrieben, den Inhalt der Songs. So musste sich ein Acid-Trip anfühlen – aber ein guter.
Pour some sugar on my skin
Lick it from my heart
Wrap my flesh in salt
Lick it from my bones
Kill my lust, my achin’
Drip some blood upon my lips
Draw it from my veins
Cover me with life
Draw it from my soul
Wind your body, break mine into bits
My flesh has found itself in you
Changing colours green to blue
Burning through your skin like fire
Masturbating hell’s desire
And when I reach your screaming climax
We’re left with nothing else to say
I twist around my phoney syntax
Before you’ll wake I’m on my way
„Ich bin verliebt.“ Der letzte der letzten Töne war verklungen und Agneta ließ sich zum ersten Mal seitdem der Vorhang aufgegangen war auf ihren Sitz fallen. Linnea strich sich die Haare aus der Stirn und suchte dann nach ihrer Handtasche, die sie irgendwo am Boden abgelegt hatte. „Gott musste einen überaus guten Tag gehabt haben, als er Haydn Cavendish geschaffen hat.“ „Vielmehr hatte Frau Gott ihn wohl endlich mal wieder so richtig befriedigt – oder wollte befriedigt werden.“ Oh, mein Gott, hatte sie das gerade wirklich gesagt? Linnea schlug sich die Hand vor den Mund und sah sich um. Niemand schien es gehört zu haben und Agneta und sie brachen in schallendes Gelächter aus.
„Und du bist sicher, dass wir nicht hinter die Bühne können? Du arbeitest doch für eine Musikzeitschrift.“ Sie hatten gewartet, bis die Gänge einigermaßen frei waren und suchten nun den Ausgang. „Ich fürchte, wir minderes Fußvolk besitzen keine solchen Privilegien“, zuckte Linnea die Schultern. „Und einfach so wird man uns bestimmt nicht nach hinten lassen. Dafür sind Backstagepässe erfunden worden.“ Manchmal war sie nah daran, an einen Gott zu glauben und der hatte gerade verhindert, dass sie Haydn Cavendish in seinem letzten Bühnenoutfit über den Weg laufen würde und sie eine weitere unruhige Nacht darüber würde verbringen müssen. Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, ihre Mutter mitzubringen, die den Sänger anhimmelte und Linnea dadurch jede Sekunde daran erinnerte, wie gut sein Kuss geschmeckt hatte.
Die Band war verschwitzt, aber high und lärmte den Flur hinunter zur Garderobe, wo sie bereits von Journalisten und Fans erwartet wurden, die einen Backstagepass hatten ergattern können. Niemand konnte sagen, wo es lauter war, auf der Bühne oder hier und man brauchte schon seine Ellbogen, um in den kleinen Umkleideraum zu kommen. „Wow, fame sure has its downsides.” Bobby warf seine Sticks in die Richtung seiner Tasche und Barclay stürzte sich auf die bereitgestellten Wasserflaschen. „You just figured that out, didn’t you?”, keuchte er, nachdem er sich fast verschluckt hatte. „Hehe, got me! – Whoa, Mann, ich glaube, ich habe eine Blase auf meinem Arsch.“ Haydn kämpfte sich zum Sofa und ließ sich darauf fallen. „Wie lange, bis die Meute das Schloss geknackt hat?“ „Zehn Minuten.“ Thierry nahm sich ein Bier und setzte sich auf den Couchtisch. „Ach, wunderbar!“, prostete Ian ihm zu. „Bis dahin ist mein Puls vielleicht sogar wieder auf einer Geschwindigkeit gesunken bei der ich an Sex denken kann.“ „Ich kann immer an Sex denken“, zuckte Haydn die Schultern. „Vor allem, wenn der Puls hoch ist.“ „Natürlich, Maus“, küsste Ian ihn liebevoll.
„Aber können wir dann wenigstens noch irgendeinen anderen Spaß haben?“, hatten sie es endlich nach draußen geschafft und die Menge begann sich zu zerstreuen. „Ich bin so aufgeheizt, ich kann jetzt unmöglich schon nach Hause gehen.“ Haha, sollte nicht eigentlich Linnea das sagen? Sie war nicht nur das Kind hier, sie war auch eigentlich diejenige, die immer davon geträumt hatte, wie es wohl sein musste, auf ein echtes Rockkonzert zu gehen. Ein großes. „Na, wenn das keine Aussicht ist!“ Und auf einmal standen da zwei junge Männer vor ihnen und niemand wusste woher die gekommen waren. Sie dürften Ende zwanzig gewesen sein und musterten die beiden Frauen unverhohlen. „Habt du und deine Schwester zufällig Lust, auf einen Drink mitzukommen?“ Nummer zwei in der Sammlung schlechter Anmachsprüche. „Eigentlich…“, wollte Linnea ihre Mutter wegziehen, bevor diese noch eine Dummheit begehen konnte. „Eigentlich hatten wir genau das vor.“ Zu spät, das sah sie leider nur zu genau. Agneta hatte Blut geleckt. Und die nackten Oberkörper von Haydn Cavendish und Lafayette Roche hatten ihr eigenes Blut in Wallungen gebracht. Linnea kannte den Ablauf.
„Na wunderbar. Die Bar ist nur ein paar Straßen weiter“, lachte der eine von ihnen und bot nun Agneta seinen Arm. „Wer könnte da schon ‚Nein‘ sagen?“, lächelte Agneta zurück und nahm an. „Oh erm, ich kann!“, warf Linnea ein und küsste eilig ihre Mutter auf die Wange. Sie sahen nicht unbedingt aus wie Schwerverbrecher und ihre Mutter war immerhin erwachsen – meistens jedenfalls. Sie würde sich schon keine Sorgen machen müssen, Agneta ließ sich ja nicht zum ersten Mal abschleppen, so nuttig das auch klang. „Ich muss noch ein paar Korrekturen durcharbeiten, damit ich morgen das Interview einreichen kann.“ Sie küsste ihre Mutter auf die andere Wange. „Sorry, boys. Beim nächsten Mal vielleicht. Hat mich auf jeden Fall gefreut, euch kennen zu lernen.“ Oh, der Sarkasmus in ihrer Stimme! „Mamma?“, sah sie dann ihre Mutter sehr eindringlich an. „Friss sie nicht gleich beide auf.“ Und das meinte sie auch so.