Читать книгу Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer - Страница 18
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Оглавление„Haben Sie einen Termin, Fröken?“ Der Rezeptionist musterte Linnea und diese schüttelte langsam den Kopf. „Nicht direkt“, gab sie zu, „aber Conny Lowe hat mich gebeten, vorbei zu kommen.“ „Ms Lowe will nicht gestört werden, sie hat mich ausdrücklich darum gebeten.“ Es war derselbe Rezeptionist wie vor zwei Tagen, aber er erkannte sie nicht. Was für eine graue Maus sie doch offensichtlich war. Na toll, sollte sie jetzt etwa betteln? Was würde er denn dann von ihr denken? „Hören Sie“, versuchte sie ihre Stimme fest klingen zu lassen, „es geht um das Interview, das ich vorgestern geführt habe.“ Sie zückte ihren Presseausweis. „Ich bin bestimmt kein Groupie oder derartiges. Es ist rein beruflich.“ Das hätte sie vielleicht nicht sagen sollen, denn es wirkte irgendwie billig. Außerdem hatte er diese Ausrede bestimmt schon von anderen Mädchen gehört, die nach oben wollten. Dennoch schien das, der Ausweis oder vielleicht doch ein geringer Wiedererkennungswert Wirkung zu zeigen, denn der Rezeptionist nickte langsam. „In Ordnung“, gab er nach. „Sie können auf Ihre Verantwortung nach oben gehen und klopfen. Aber wenn niemand öffnet haben Sie sofort wieder herunter zu kommen!“ „Versprochen“, nickte sie eilig und stopfte ihr Portemonnaie wieder in ihre Tasche. „Vielen Dank! Ich werde dafür sorgen, dass niemand Sie belangen wird.“ Damit lief sie Richtung Fahrstuhl, bevor er es sich wieder anders überlegen konnte.
Als sie Haydn Cavendish das erste Mal gesehen hatte, war es auf einer Fotostrecke gewesen, die Albin von der Arbeit mitgebracht hatte. „Eines dieser Top Models“, hatte Albin gestöhnt. „Kanadier. Ziemlich talentiert – und ja, er weiß es!“ Linnea hatte einen der Abzüge vom Tisch genommen und hatte nicht aufhören können, in diese blauen Augen zu starren. Später, als sie ihre Mutter besuchte, hatte die sie schon in der Tür mit folgenden Worten begrüßt: „Oh mein Gott, ich glaube, ich bin verliebt!“
So hatte sie Haydn Cavendish gleich von den beiden Seiten kennengelernt, die ihn in der Öffentlichkeit verfolgten und somit hatte sie ein Bild von ihm, dass sie nun zögern ließ, als sie vor seiner Zimmertür stand. Ihr Ärger war verflogen. Er hatte nur getan, was er am besten konnte, oder nicht? Er hatte nur getan, was sie von Anfang an von ihm erwartet hatte; was jeder von ihm erwartete.
„Oh fuck!“ Oh fuck! Und dann stand er plötzlich vor ihr. Noch bevor sie sich hatte entscheiden können, ob es das alles wirklich wert war, hatte sich Haydn Cavendish von seinem Buch losgerissen, weil er jemanden an der Tür glaubte. Er war nur in Shorts und sah so aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekrochen und das Bild war so überraschend, dass Linnea um jedes Wort verloren war.
„Erm…“ Das Gesicht kam ihm bekannt vor, er konnte es nur nicht zuordnen. Sie trug Jeans und eine schlampig gebügelte Bluse – sie war keines der Zimmermädchen, aber sie war auch keines der Mädchen, das sich ihm an den Hals werfen wollte, soviel war offensichtlich. „Hi“, versuchte er es also. „Kann ich dir helfen?“ Konnte er ihr…? Oh shit! Oh shit, oh shit, oh shit! Was…? Sie… Oh shit! Oh shit, oh shit, oh shit! „Erm… Erm… Guten Morgen.“ Gut, gutes Kind! „Guten Morgen“, echote er und Linnea hielt ihm eilig die Mappe hin die sie mitgebracht hatte. „Ich erm… Ich bringe dir das Interview.“ Er sah auf die Mappe, dann auf sie. „Warum bringst du mir das?“ Linneas Hand, die die Mappe immer noch ausgestreckt hielt, begann leicht zu zittern. „Zur… zur Durchsicht. Ich…“ Sie räusperte sich. „Ich bringe dir das Interview, damit du es dir noch einmal durchsehen kannst, bevor es gedruckt wird.“ Er musterte sie noch einen Moment und nahm dann die Mappe an sich, um sie gähnend durchzublättern. Dabei sah er so normal aus, wie ein junger Mann nur aussehen konnte, den man gerade aus dem Bett gerissen hatte. Linnea ertappte sich erschrocken dabei, wie ihr Blick eilig den Raum hinter ihm scannte – das, was sie davon sehen konnte -, aber er schien leer zu sein.
„Du weißt aber schon, dass du das bei deiner Chefredakteurin einreichen musst. Die ruft dann unter Umständen meinen Manager an, um etwaige Zitate zu überprüfen.“ Oh shit! Natürlich wusste sie das! Sie arbeitete für ein Magazin, sie hatte selbst schon unzählige Zitate überprüft. Aber sie hatte etwas sagen müssen. Irgendetwas. Etwas das glaubwürdig war – oder hatte sein sollen. „Ich…“, versuchte sie ihren Hals zu retten und versagte kläglich. „Ich wollte mit dir über das Interview reden“, platzte es also aus ihr heraus. „Das war… Es war sehr unprofessionell von mir – egal was du zu mir gesagt, oder nicht gesagt hast.“ Er fuhr sich über die Augen und die Mappe hing in seiner Hand als würde sie jeden Moment zu Boden fallen. „Was soll ich denn nicht gesagt haben?“ Er gähnte wieder und rieb sich die Nase. Linnea hätte in diesem Moment am liebsten kehrt gemacht und alles hingeschmissen, aber wenn sie etwas besaß, dann war das Stolz. Den hatte sie von ihrem Vater geerbt – und der war immerhin stolz genug gewesen, ihre Mutter zu verlassen. Er war nur ein Mensch. Zugegeben, ein verdammt gut aussehender, steinreicher Mensch mit dem Körper eines Gotts und der Stimme einer Nachtigall – aber sie hatte einen festen Partner, den sie liebte, der sie liebte… und… Überhaupt! „Na, alles!“, rief sie. „Dieses unverschämte Flirtmanöver deinerseits! Und dieser Kuss…“ Sein Räuspern unterbrach sie. „Linnea, richtig?“ Oh, er kannte ihren Namen? „Linnea, willst du nicht herein kommen?“, trat er zur Seite. „Dieses Hotel gehört nicht zu den Etablissements, in denen man auf dem Flur eine Szene macht.“ Erm… Aber bevor ihr Kopf reagieren konnte, hatten ihre Füße bereits die ersten Schritte gemacht.
„Ich nehme an, du hast schon gefrühstückt“, klatschte er die Mappe auf den Kaffeetisch und setzte sich, bevor er nach dem Telefon griff. Linnea war damit beschäftigt, ihre Sinne zu ordnen und hatte ihm nur mit halbem Ohr zugehört. „Wie bitte?“ Er beobachtete sie einen Moment, bevor er die Nummer wählte. „Du brauchst dich nicht so umzusehen“, grinste er dann. „Ich bevorzuge es alleine zu schlafen.“ Oh…
„Also jetzt noch mal von vorn“, legte er auf, nachdem er sich Unmengen an Kaffee bestellt hatte. „Aber bitte ganz langsam, mein Gehirn arbeitet noch auf halber Stufe.“ Sie wagte es nicht, sich zu setzen und stand dumm mitten im Raum. Verdammt, was passierte hier gerade? „Ich… erm…“ Und dann fragte sie sich, warum sie wirklich hier war? Er hatte sie vergessen, niemand außer Oscar hatte es gesehen… Jetzt, hier, machte sie sich eigentlich erst lächerlich. Doch sie konnte nicht gehen.
Haydn saß auf der Couch, die Beine verschränkt und wartete. Er hatte noch immer nicht ganz verstanden, warum Linnea eigentlich gekommen war. Um sich für einen Kuss zu entschuldigen? Sie sich? Für einen einzigen Kuss? So was war ihm bestimmt noch nie passiert und er konnte nicht verhindern, dass er innerlich darüber laut auflachte. Das war schon eine interessante junge Frau da vor ihm, wenn sie ein einziger Kuss derart aus der Ruhe brachte. Aber nicht etwa, weil sie sich mehr erwartet hatte.
Nach einer schier endlosen Weile streckte er sich. „Ich muss sagen, das ist mir noch nie passiert. Normalerweise kommen die Mädchen, um sich mir noch mal an den Hals zu werfen, nicht um sich zu beschweren.“ Er stellte die Füße auf den Boden und hievte sich gähnend hoch. „Okay“, hustete er kurz. „Léa… Wenn ich dir jetzt sage, dass ich dich einfach nur küssen wollte“, ging er Richtung Badezimmer. Dabei musste er an Linnea vorbei und diese sprang regelrecht zur Seite. „Ganz ohne Hintergedanken. Gehst du dann wieder nach Hause und lässt mich in Ruhe frühstücken?“ Allerdings bekam sie von ihm gar keine Chance zu erwidern, weil er gleich darauf einfach die Badezimmertür hinter sich schloss. Wenige Sekunden später hörte sie das Wasser der Dusche rauschen. Das war doch nicht sein Ernst, oder? Sie stand da und traute ihren Ohren nicht. Der Mensch hatte ein derart großes Ego, dass er wohl gar kein Schamgefühl mehr kannte. Im Moment gefangen, hatte sie ganz vergessen, dass ihre Mission erfüllt war und sie einfach nur mehr zu gehen brauchte, um diese Episode hinter sich zu lassen.
Gerade als ihr Gehirn endlich den Befehl an ihre Beine sendete, kehrt zu machen und der lächerlichen Zurschaustellung ein Ende zu bereiten, stand er schon wieder in der Tür. Nackt. Auf seiner Brust standen immer noch ein paar Wasserperlen.
„Du bist ja noch hier.“ Er lehnte sich an den Türstock und sah sie ganz unverhohlen an. „Dachte, du würdest dein stolzes Kinn recken und hinaus rauschen, während ich dusche.“ Sollte Linnea tatsächlich noch irgendwelche Prinzipien gehabt haben, als sie an seine Tür geklopft hatte, so sprangen nun auch diese über die Planke und ertranken jämmerlich. Er war dieser unglaubliche Sänger und sie war das Mädchen, das immer schon ein Groupie hatte sein wollen… „Ach ja, das wäre doch genau was du erwartet hättest, nicht wahr?“, schob sie ihr Kinn vor und stütze sich auf die Sofalehne. Und er war derjenige, der ihr ihren Stolz zurückgab und diese ganz neue Seite in ihr zum Vorschein brachte, die Dinge sagte, die sie sonst nicht einmal denken würde. „Nein, um ehrlich zu sein, hätte ich erwartet, dass du dich verabschiedest.“ „Und wie soll ich mich verabschieden?“, ging sie erhobenen Hauptes auf ihn zu. „So wie du?“, legte sie dann eine Hand in seinen Nacken und küsste ihn. Aber nicht annähernd so züchtig wie er sie. Verdammt, verdammt, verdammt, wieso hatte sie plötzlich keine Kontrolle mehr über ihren Körper?
Als sie von seinen Lippen abließ, bemerkte sie, dass er schlucken musste, obgleich er nach außen hin immer noch völlig cool wirkte. „Das... ist schon eine ganz nette Art.“ Verdammt, sogar wenn er unbeteiligt war, küsste er, dass ihre Knie versagten. Was erst, wenn er mitspielte? Oh Gott, nein! Nein, nein, nein! Wie konnte sie nur daran denken, daran zu denken, es darauf ankommen zu lassen? Sie hatte einen Freund, der sie liebte und respektierte und für den sie mehr als ein Stück Fleisch war! Förbannat! Sie hätte von ihm ablassen und auf der Stelle gehen sollen – einen filmreifen Abgang liefern, dann hätte sie sich wenigstens ein bisschen Würde bewahrt und den Ball in ihrem Feld gelassen.
Doch alles Bitten und Flehen ihres Verstandes half nichts, als Haydn ihr plötzlich einfach die Jeans öffnete und seine Hand zwischen den Denimstoff und ihren Slip schob, um sie ganz eng an sich zu ziehen, sodass sie jede Sehne seines Körpers spüren konnte.
Als der junge Mann vom Zimmerservice an die Tür klopfte, konnte er von drinnen nur unterdrücktes Stöhnen hören. Es kam von Linnea, die alles Denken aufgegeben hatte, nachdem Haydn ihr den ersten Zungenkuss an einer ganz delikaten Stelle gegeben hatte.
„Für eine Frau mit deinen Prinzipien lässt du dir aber einige schmutzige Dinge mit dir machen.“ Haydn löste sich vorsichtig von ihr und tastete nach den Taschentüchern auf dem Nachttisch. Linnea musste erst einmal schlucken, um antworten zu können ohne dabei rot zu werden. „Ich habe ein bisschen die Kontrolle verloren“, gestand sie leise und biss sich auf die Lippen. Mehr als ein bisschen, aber das konnte sie ihm nun wirklich nicht sagen. „Das ist mir nicht entgangen.“ Er stützte seinen Kopf in die Hand, zog Linnea zu sich und legte ihr Bein über seine Hüfte. „Aber ich beanstande es bestimmt nicht.“ „Du… hast es mir auch nicht unbedingt einfach gemacht.“ Und sie hatte es sich zu einfach gemacht. „Ich sagte schon, dass ich meinen Stolz habe. Besonders in Angelegenheiten die das Bett betreffen.“ Seine Hand streichelte über ihren Oberschenkel bis zur Kniekehle und Linnea schloss für einen Moment die Augen, um das Gefühl zu unterdrücken, das in ihr hochstieg.
„Was? Sprachlos?“ Sie schlug die Augen wieder auf. „Ich werde dir bestimmt nicht sagen, wie fantastisch du warst.“ Seine Hand glitt auf die Innenseite ihrer Schenkel und ihr lief ein Schauer über den Rücken. „Glaub mir, Baby“, lächelte er mit einem leisen Zwinkern. „Den Orgasmus hätte niemand vortäuschen können.“ Diesmal konnte sie einfach nicht verhindern, rot zu werden. Sie war nicht besonders gut in Dirty Talk und sie war noch nie in ihrem Leben so derart befriedigt worden. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es ein solches Gefühl überhaupt gab. „Und das war’s mit dem Stolz.“ Er war unglaublich. Das wahrscheinlich arroganteste Arschloch, das ihr jemals würde unterkommen können und gleichzeitig spürte sie, dass sein Puls immer noch zu schnell war.
„Das war doch dein Ziel, oder? Mir jeglichen Stolz aus dem Kopf zu ficken.“ „Je suis désolée, mais j’adore des femmes fatales.“ Mein Gott und er sprach auch noch Französisch! Zumindest hatte es sich so angehört, nicht dass sie viel verstanden hätte, sie war noch etwas betäubt. Stattdessen lächelte sie möglichst rätselhaft, was genau gewesen zu sein schien, was er erwartet hatte, denn seine Hand glitt noch etwas höher. „Hmmm, ich sehe, da ist ja doch noch ein Fünkchen Stolz übrig.“ Er legte ihr seine Finger an den Mund. „Aber das sollte kein allzu großes Problem sein.“
Das Handy klingelte und Haydn ließ zögernd von Linnea ab, die sich unter der Decke streckte. „Ja?“ Er klang ein bisschen heiser. „Mhm. – Oh, shit!“ Das Telefon fiel zu Boden und er sprang auf. „Merde! - Léa, du musst hier sofort verschwinden! Sofort!“ „Was?“ Sie fiel aus allen Wolken. Nach all den gebrochenen Regeln, konnte er sie doch jetzt nicht ernsthaft einfach so aus dem Zimmer werfen! „Léa, bitte stell keine Fragen, sieh einfach zu, dass du hier raus bist, bevor meine Jungs hier auftauchen!“ Er begann hektisch ihre Sachen vom Boden aufzusammeln und warf sie ihr zu. Linnea war zu irritiert, um reagieren zu können. War das eine von seinen Maschen? „Oh my god, do you not understand English? How difficult can it be?”, fauchte Haydn. „Du musst hier weg! Sofort!“ Er packte sie unsanft am Handgelenk und zog sie hoch. „Autsch!“, quietschte sie auf. „Drei Minuten!“, ignorierte er ihre Reaktion. „Mach schon!“ Verstört begann sie in Zeitlupe ihre Sachen überzuziehen. Dann wurde sie von ihm äußerst unsanft aus der Tür geschoben. „Ich ruf dich an! Mach’s gut, Léa!“ Die Tür krachte hinter ihr ins Schloss und Linnea verweilte noch ein Sekunde völlig verdattert auf dem Flur. Linnea!
Im Spiegel des Aufzugs fiel ihr Blick auf ihre absolut erschreckende Erscheinung. Ihre Haare waren zerwühlt und ihr Make-up verwischt. Sie sah aus wie drei Stunden leidenschaftlicher Sex. Sie beeilte sich, zumindest ihre Haare in Ordnung zu bringen und einen Zopf zu binden und rubbelte sich mit Spucke über die Augen. Es war nur unbedingt besser und als der Fahrstuhl unten angekommen war, rannte sie beinahe hinaus.
Erst als sie um die Ecke war, verlangsamte sie ihren Schritt und versuchte zu Atmen zu kommen. Sie wurde immer langsamer und langsamer, bis sie stehen blieb. Ihre Ohren sangen und ein Schwindelgefühl machte sich breit. Das nächste Taxi das sie sah, winkte sie heran und stieg ein. Dem Fahrer nannte sie die Adresse von Bon.
„Herr Törnkvist ist gerade bei einem Termin, Fröken Lagerbielke.“ Die Empfangsdame des Modemagazins legte den Hörer nieder und musterte Linnea etwas abschätzig. Linnea biss sich wieder auf die etwas wunden Lippen. Bestimmt sah sie immer noch völlig verwüstet aus. „Aber es wird bestimmt nicht lange dauern. Ich habe ausrichten lassen, dass Sie hier sind. Wenn Sie wollen, können Sie da drüben auf ihn warten.“ Sie deutete mit dem Kugelschreiber auf eine Stuhlreihe gleich neben der Eingangstür und Linnea nickte dankend. Zuvor schleppte sie sich aber noch auf weichen Knien auf die Toilette.
Im Licht über dem Waschbecken sah sie beinahe leichenblass aus. Die Wimperntusche war nicht abgegangen und hatte ihr einen dunklen Schatten unter die Augen gezaubert, ihre Lippen waren völlig zerbissen. Gott sei Dank hatte ihre Mutter ihr wenigstens etwas beigebracht: immer einen Kamm und ein bisschen Make-up bei sich zu haben. Während sie sich, so gut wie eben möglich, frisch zu machen versuchte, war ihr Kopf völlig leer. Sie dachte an überhaupt nichts. Nur daran, dass sie wieder einigermaßen respektabel aussehen musste, bevor sie wieder nach draußen ging. Zwar kannte man sie hier in der Redaktion bereits, aber es würde an Albin hängen bleiben, wenn sie aussah, als hätte sie seit Tagen keinen Spiegel mehr gesehen.
Sie ging auf die Toilette und wusch sich danach noch einmal die Hände. Dann schloss sie für einen Moment die Augen, atmete tief durch, straffte den Rücken und trat wieder in den Empfangsbereich hinaus. Die Sekretärin sah kurz auf und schien zufrieden. Linnea setzte sich und schlug die Beine übereinander. Dann stellte sie die Beine wieder nebeneinander. Dann schlug sie das andere Bein über.
Etwa zehn Minuten hatte sie Zeit sich etwas zu fangen, dann kam Albin den Gang hinunter. Er sah etwas abgehetzt aus, gleichzeitig aber auch etwas verwirrt und Linnea fühlte sich sofort schlecht, dass sie ihn bei der Arbeit behelligen musste. Normalerweise tauchte seine Freundin nicht einfach so auf. Als er fast bei ihr war, stand sie plötzlich auf und fiel ihm um den Hals – sie konnte die Tränen einfach nicht noch länger kontrollieren.
„Willst du mir nicht sagen, was passiert ist?“ Sie saßen in der kleinen Kantine und Albin trocknete Linnea die Tränen mit einer Serviette. Diese schüttelte langsam den Kopf und schniefte. „Nein, nein, eigentlich ist ja auch nichts.“ Dass er ihr das nicht glauben würde, wusste sie, aber sie konnte auch gar nichts sagen, weil ihr Kopf immer noch völlig leer war. Und die Wahrheit hätte ihn vielleicht umgebracht – oder sie. „Ich... Ich bin einfach nur so unglaublich müde.“ Und das war sogar die Wahrheit. „Die letzten Tage waren ziemlich stressig – das Interview und unsere ständigen Streitereien, ich hab geglaubt, ich würde ersticken. – Tut mir so leid, dass ich das zu dir ins Büro gebracht habe.“ Sie schniefte wieder und schnäuzte sich in die Serviette. Albin nahm sie ihr ab, um sie wegzuwerfen und strich ihr dann ein paar Strähnen aus der Stirn. „Schon gut, Käresta, schon gut. Ich bin froh, dass du damit gleich zu mir gekommen bist.“ Er war der Beste, er war der Allerbeste, wieso hatte sie damit pokern müssen? „Ich hoffe, deine Kollegen stempeln mich jetzt nicht endgültig als verrückt ab.“ „Lass das meine Sorgen sein“, winkte er lächelnd ab. „Denen ist doch nur langweilig.“ Damit streichelte er ihre Wange. „Geht’s dir schon ein bisschen besser?“ Sie nickte zaghaft und rieb sich die Nase. „Ja, danke, viel besser. Ich sollte vielleicht einfach nur nach Hause gehen und schlafen.“ Er nickte. „Soll ich deine Mutter holen?“, deutete er den Gang hinunter. „Ich würde dich nur ungern allein nach Hause gehen lassen, aber ich kann hier gerade unmöglich weg. - Es sei denn, du willst noch eine Weile warten.“ „Nej“, schüttelte sie den Kopf und nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas das Albin ihr gereicht hatte. „Nein, lassen wir Mamma da raus, sie hat selbst genug zu tun. – Ich komme schon zurecht – jetzt schon.“ „Ärlig?“ Er streichelte wieder ihre Wange und Linnea hätte diesen Moment am liebsten eingefroren. Ohne die Schuldgefühle. „Ehrlich“, nickte sie und fuhr sich über die Augen. „In Ordnung“, gab er also nach. „Wie du meinst. Ich ruf dir nur schnell ein Taxi.“ Er stand auf und ging nach draußen. Dabei behielt er Linnea so lange im Blickfeld, bis er um die Ecke war.
Linnea schnäuzte sich noch einmal und stand dann auf, um ihre Sachen zurechtzuziehen und sich selbst wieder ein bisschen zu ordnen. Die Müdigkeit und die Tränen drückten auf Stirn und Augen und sie wollte noch einmal schnell auf die Toilette, um sich das Gesicht zu waschen. Gerade als sie den Raum verlassen wollte, kam Albin jedoch schon wieder zurück. „Das Taxi ist gleich da!“, rief er ihr zu. „Ich bring dich noch nach unten, Älskling.“ „Danke.“ Sie ließ sich von ihm in den Arm nehmen und griff nach ihrer Tasche, bevor er sie hinunter führte um mit ihr auf ihr Taxi zu warten.
„Ich komme ganz schnell nach Hause, sobald ich fertig bin“, küsste er sie. „Versprochen.“ Er öffnete ihr die Hintertür und hielt die Hand über ihren Kopf, als sie einstieg. „Du kommst auch sicher zurecht?“ „Ja“, nickte sie. „Ganz bestimmt. Geh zurück zu deiner Arbeit und bring sie zu Ende. Ich warte zu Hause auf dich.“ „Ist gut“, beugte er sich hinein, um sie noch einmal zu küssen. „Ich liebe dich.“ „Ich dich auch.“ Er ließ die Tür zufallen und das Taxi rollte an. Linnea drehte sich nicht um, aber sie wusste, dass Albin noch auf dem Gehsteig stand. Gleich darauf summte ihr Handy in der Tasche. Mit einem lächelnden Seufzen nahm sie es heraus. ‚Albin, nicht doch, ich komme schon zurecht, bestimmt.’ Aber es war eine unbekannte Nummer. Und in der Nachricht stand nur ein Wort: Sorry. Für den Bruchteil eines Augenblicks setzte Linneas Atem aus, dann drückte sie auf „Replik“: Don’t be.