Читать книгу Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer - Страница 20
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ОглавлениеEs wurde Winter, Linneas liebste Jahreszeit. Sie mochte es, sich in ihren Schal zu kuscheln und die Mütze über die Ohren zu ziehen. Paradox, das war ihr schon klar, aber es war eine so gemütliche Jahreszeit und sie war ein Kind des Winters, da nahm man das bisschen Nasenfrieren schon in Kauf.
Schade nur, dass sie keinen Kamin in der Wohnung hatte. Wenn sie mit Albin verheiratet war, wollte sie zumindest eine eigene Doppelhaushälfte – Eigentum, nicht gemietet – mit einen Kamin im Wohnzimmer. So wie ihre Mutter einen hatte und vor dem sie als Kind viele Stunden damit zugebracht hatte, Papierfetzen hineinzuwerfen und sie zu beobachten, wie sie langsam vom Feuer aufgefressen wurden. Es war direkt angsteinflößend, dass ihre Eltern sie nie davon abgehalten hatten und Feuer übte seither immer eine gewisse Faszination auf sie aus. Manchmal saß sie einfach an einer Kerze und ließ ihren Finger durch die Flammen gleiten. Albin war der Meinung, sie würde irgendwann das Haus in Brand stecken, aber Linnea bewunderte die Macht, die Feuer hatte. Wenn sie eine geheime Kraft haben könnte, würde sie sich Feuer aussuchen. Ein Zwinkern und Flammen züngelten aus ihren Fingern.
In der Redaktion hatte der Winter allerdings einige unangenehme Nebeneffekte. Es war ständig zu warm und die Böden waren rutschig, weil niemand bereit war, seine Schuhe abzuputzen, bevor sie herein kamen. Außerdem, je nach Wetterlage, konnten sich wichtige Angelegenheiten empfindlich verschieben, was wiederum zu Chaos führte. Karla war deshalb schlecht gelaunt und hinzukam, dass der Monat durch die Feiertage kürzer war und die Deadline immer viel zu früh und scheinbar jedes Jahr „völlig überraschend“ kam.
Das einzig Gute daran, dass eine Dachgeschosswohnung im Winter spürbar kühler war als die Wohnung darunter war die vielleicht beste Art sich aufzuwärmen: im Bett. Linnea konnte Stunden darin verbringen – zur Not auch allein. Sie schnappte sich einfach ein gutes Buch und versank in eine andere Welt, bis Albin sie in die Wirklichkeit zurückholte. Es war unglaublich, wie viele Bücher sie gelesen hatte seit sie mit der Uni begonnen hatte – und wie viele sie schon hätte lesen können, wenn sie früher damit angefangen hätte. Ein gutes Buch konnte einen ganzen Tag retten, in eine andere Welt entführen und einen zur Ruhe kommen lassen.
„Ihr habt beide überreagiert.“ Agneta reichte ihr ein Glas Punsch und setzte sich dann in ihren Armsessel. Linnea seufzte und nahm einen Schluck. Es fühlte sich gut an, wie es warm ihre Speiseröhre hinunterlief. „Ich weiß...“, gab sie bereitwillig zu. „Aber er kann so furchtbar kleinlich sein.“ „Das kannst du auch.“ „Deshalb haben wir uns ja wieder mal gestritten.“ Agneta zog ihre Beine an und lehnte sich zurück. „Und ihr werdet euch wieder versöhnen. Das ist so euer Ding.“ Schon wieder dieses Wort. Was war das eigentlich? Es war ja wahrscheinlich nicht einmal ein Wort, es war bestimmt ein „Ding“. „Ich hätte gerne ein anderes ‚Ding’“, verzog Linnea den Mund und Agneta lächelte sanft. „Das werdet ihr noch finden. Ihr beide ward so jung, als ihr zusammen gekommen seid und ihr seid es immer noch. So was braucht Zeit.“ „Und wenn wir es nicht finden?“ Sie stellte ihre Tasse auf den Couchtisch. „So wie du und Fader?“ „Dann hoffe ich, dass ihr klug genug seid, es rechtzeitig zu beenden.“ Linnea senkte den Blick. Es war das erste Mal, dass jemand ihr für ihre Beziehung eine andere Option geboten hatte. Und dafür war sie ihrer Mutter irgendwie dankbar, weil sie sich endlich einmal verstanden fühlte.
„Übrigens habe ich etwas, dass dich vielleicht ein bisschen aufheitern könnte.“ Agneta nahm sich einen Keks. „Deine Tante Edda hat letzte Woche angerufen und sie hat mich und dich wieder einmal nach Kanada eingeladen.“ „Wieso tut sie das nur jedes Jahr?“, seufzte Linnea, die noch nicht ganz bereit dafür war, das Thema zu wechseln. „Sie weiß doch, dass wir es wieder nicht schaffen werden.“ „Das hab ich ihr auch gesagt“, fuhr Agneta fort. Sie war versessen darauf, ihre Tochter abzulenken, weil sie sich in ihren Augen ein bisschen lächerlich benahm. Immerhin war das doch wieder nur eine Kleinigkeit und alle wussten das. Albin und Linnea brachte nichts auseinander. Aber sie wusste auch, dass sie Verständnis zeigen musste, weil auch sie das selbst gerne gehabt hätte, als die Probleme mit ihrem Mann anfingen. Und vielleicht war die Idee letztendlich gar nicht so schlecht und genau das, was die beiden brauchten, um ihre Beziehung endlich ein für alle Mal abzuklären. „Ich hab gesagt, dass ich zu viel Arbeit habe und du und Albin in Lappland sein werdet.“ „Eigentlich schade...“, seufzte Linnea wieder. Sie war traurig und wütend, zu seufzen erschien ihr die einzige richtige Reaktion zu allem. Außerdem hatte sie im Moment keinen größeren Wunsch, als endlich diesem ganzen Chaos zu entkommen, um sich wieder über alles klar werden zu können. Nur: So genau würde sie das nicht aussprechen, weil sie glaubte, Agnetas Reaktion darauf zu kennen. Und darauf konnte sie im Moment gut verzichten. „Ich würde gern einmal sehen, wo sie wohnt und meine Cousine und meinen Cousin kennen lernen.“ „Das hat sie auch gesagt“, tat Agneta begeistert und Linnea wusste sofort, dass sie da bereits irgendwas ausgeheckt hatte. „Und dann hab ich mir gestern gedacht...“ Sie stand auf und ging in den Flur hinaus. „Da du ja nun nicht nach Lappland fährst und ich dich hier nicht Trübsal blasend gebrauchen kann...“ Sie hielt Linnea ein Kuvert hin, das diese etwas verwundert annahm. „Sieh es als mein Weihnachtsgeschenk – du hast es verdient.“
Es war ein Ticket nach Halifax, Kanada. Linnea sah auf. „Mamma...?“ „Ich denke“, erwiderte ihre Mutter, „was du jetzt am Dringendsten brauchst ist ein bisschen Abstand. Von Albin und von dir hier in Stockholm. Edda freut sich schon riesig auf dich und wie ich meine Schwester kenne, hat sie ein nonstop Urlaubsprogramm. Das bringt dich auf andere Gedanken und gibt euch beiden Zeit abzukühlen.“ „Ich weiß nicht, was ich sagen soll...“ Das war bei weitem das Liebste, was ihre Mutter seit langem für jemand anderen als sich selbst getan hatte. „Sag einfach danke.“ Es war eigentlich genau das, was Linnea jetzt brauchte: Zeit für sich. „Tack, Mamma.“