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Kapitel 10
ОглавлениеDie Polizeistation des Dorfes sah genauso aus, wie Markus sie sich vorgestellt hatte. Ein Gebäude, das vor 15 Jahren vielleicht als „Neu“ bezeichnet worden wäre, mit einigem Graffiti auf den Wänden und dreckigen Scheiben an den Fenstern.
Er stieg aus dem Taxi und schaute auf die Uhr seines Smartphones. 11:37 Uhr, mit etwas Glück war der Polizist noch nicht in der Mittagspause.
Gemächlich schlenderte er in Richtung der Vordertüre und legte sich nochmals seine Geschichte zurecht. Er war im Auftrag des Vatikans hier, um Nachforschungen über den Priester anzustellen. Das Schreiben in seiner Aktentasche sagte nichts über den Grund aus, warum er losgeschickt wurde, nur, von wem.
Der Eingang, durch den er schritt, schien eine gründliche Reinigung dringend zu benötigen, vor allem die Glasscheiben waren zu einem Grad verdreckt, dass es ihm grauste. Die Flecken im Inneren des Gebäudes waren zahlreich und ein leichter Uringestank wehte dem Besucher entgegen.
Zumindest war der Empfang mit zwei Leuten besetzt, eine Dame, die bereits graue Haare hatte und ein sommersprossiger Junge, den man auf den ersten Blick auf ungefähr 15 Jahre schätzen würde. Die Rezeptionistin trug ein kleines, silbernes Kruzifix um den Hals, also setze Markus sein strahlendstes Lächeln auf und wandte sich an die Dame:
„Guten Tag. Ich bin auf der Suche nach einem Polizisten namens Michael Dorn. Können sie mir da weiterhelfen?“
„Ich glaube nicht, dass der Herr mit jemandem von der Presse etwas zu bereden hat“, gab sie kalt zurück.
Anscheinend hatte auch die Polizei eine Nachrichtensperre für den Fall ausgerufen. Das traf sich ausgezeichnet.
„Sie verstehen mich falsch. Ich bin kein Journalist, ich bin vom Vatikan hierher geschickt worden und der Herr Dorn hatte Umgang mit der Person, die ich suche.“
Die Frau zog die Augenbrauen hoch und bevor sie etwas sagen konnte, hielt ihr Markus das Schriftstück hin.
„Ich … ich muss das überprüfen“, stammelte sie nur noch, bevor sie zum Telefonapparat griff.
Befriedigt, dass sie so auf den Zettel reagiert hatte, setzte sich Markus auf einen der unbequemen Plastiksessel, die an der Wand standen und wartete.
Das Telefonat dauerte nur wenige Minuten, und er konnte sich regelrecht ausmalen, was Kirby der armen Dame gerade vorbetete. Sie nickte noch ein paar Mal und beendete das Gespräch mit „Ja … Ja … Ihnen auch, euer Hochwürden.“
Beim Gedanken an das freudestrahlende Gesicht von Kirby hätte er fast angefangen laut loszulachen. Immer, wenn jemand seinem Chef auch nur das kleinste bisschen Ehrfurcht entgegenbrachte, plusterte er sich richtig auf.
Als der Hörer endlich wieder auf der Gabel lag, wandte sie sich sofort an ihn.
„Es tut mir furchtbar leid, eurer Gnaden. Der Kollege wird sofort geholt“, damit stieß sie dem Jungen ihren Ellbogen in die Rippen und er verschwand durch eine Hintertüre.
„Bitte, machen sie sich keine Umstände. Und, „Euer Gnaden“, müssen sie auch nicht sagen. Ich bin nur Assistent, sie können mich einfach Markus nennen.“
Die Frau lief rot an und bedankte sich hastig, bevor sie sich ein wenig zu eifrig in etwas, das vor ihr auf dem Tresen lag, vertiefte.
„An diese Art von Respekt konnte man sich fast gewöhnen“, dachte sich Markus.
Nach weiteren fünf Minuten des Wartens kam der junge Bursche endlich wieder durch die Tür und in seinem Schlepptau befand sich ein Polizist. Der Mann hatte augenscheinlich nicht einen seiner besten Tage hinter sich.
Er baute sich vor dem Besucher auf und schien ihn von oben bis unten zu mustern.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er. Der Ton in seiner Stimme war hart, aber nicht herablassend.
„Ich hätte ein paar Fragen für Sie wegen des Pfarrers, den Sie heute gesehen haben. Können wir irgendwohin gehen, wo wir ungestört sind?“
Michael nickte und ging ohne sich umzudrehen in Richtung der Türe, durch die er gekommen war. Der Assistent folgte ihm nach und die Beiden marschierten quer durch das Gebäude, bis sie in einem leerstehenden Büro ankamen.
Zuerst setzte sich der Polizist, bevor er mit einer Handbewegung seinem Gegenüber einen Platz zuwies und sich dann zurücklehnte.
„Ich habe gehört, dass Sie den Priester heute aus der Kirche transportieren mussten“, eröffnete Markus die Unterredung.
„Ja. Der Alte war ziemlich mitgenommen. Das Ganze schien ihm sehr nahezugehen, wenn Sie mich fragen.“
„Hat er Ihnen seinen Namen gegeben?“
„Sebastian Brahm. Seit wann schickt der Vatikan Leute los, nur um einen verstörten Priester wieder einzufangen?“
„Wie Sie sich wahrscheinlich denken können, geht es hierbei um mehr, als nur den einen Priester.“
„Die Leiche?“
Markus legte, statt direkt eine Antwort zu geben, nur den Zeigefinger auf seine Lippen.
„So. Sie dürfen also auch nicht darüber sprechen?“, fragte der Polizist.
Er nickte.
„Wir haben das gleiche Problem. Und, wenn keiner von uns darüber reden darf, würde ich sagen, unsere Unterhaltung ist beendet.“
Er machte eine Bewegung, als ob er aufstehen wollte, setzte sich nach einer Geste Markus‘ wieder hin.
„Also“, begann der Polizist in einem munteren Ton, „Sie sagen mir zuerst, was Sie wissen, dann kann ich Ihnen mitteilen, was wir bei dem Toten herausgefunden haben.“
Markus zog einen Stapel mit leeren Papieren aus seiner Aktentasche und tat so, als ob etwas darauf geschrieben stand.
„Wir wissen, dass auf der ganzen Welt Leute, Priester, attackiert und umgebracht werden und das in einer Geschwindigkeit die unvorstellbar ist. Die meisten wurden in ihren Häusern aufgefunden, manche in den Kirchen. Die Morde passieren immer in der Nacht und es scheint sich langsam ein Muster abzuzeichnen.“
Der Polizist nickte und schaute ihn weiter auffordernd an, als er sagte: „Und welches Muster wäre das?“
„Kinderschänder. Zumindest hier in Deutschland scheint es sich zu einem guten Teil um jene zu handeln, die sich an Kindern vergangen haben. Ob das bei allen so ist, kann ich ihnen nicht sagen, deswegen bin ich hierher geschickt worden.“
Michael Dorn lehnte sich zurück und rieb sich mit der Hand über die Augen.
„Wie schaut es mit dem Pfarrer aus, der hier in der Kirche umgebracht wurde?“
Markus räusperte sich, bevor er antwortete:
„Über ihn hat es keinerlei Meldungen gegeben. Der Pfarrer, der heute in die Kirche eingedrungen ist, scheint aber ein paar Beweise mit hinausgeschmuggelt zu haben.“
Wie vom Blitz getroffen schoss der Polizist nach vorne und knallte seine Hände auf den Tisch, der zwischen ihnen stand.
„Wie bitte?“, fragte er, nun sichtlich verärgert.
„Ich war vorhin am Tatort und eine der Damen, die dort noch am Arbeiten waren, hat ein Polaroid gefunden. Sie wollte es mir aushändigen, aber wie Sie sicherlich wissen ...“, Markus ließ dabei die Schlussfolgerung absichtlich offen und der Polizist schien ihn zu verstehen.
„Ich werde persönlich losfahren und dieses Schwein holen“, gab der Mann zurück, doch Markus hob seine Hände in einer beschwichtigenden Geste.
„Bitte, lassen Sie mich zuerst mit ihm sprechen. Danach können Sie ihn von mir aus gerne festnehmen.“
Argwöhnisch blickte der Mann ihn an lehnte sich aber wieder zurück.
„Wenn sich herausstellen sollte, dass der Typ verschwunden ist, nachdem Sie mit ihm geredet haben, dann sind Sie der Nächste auf meiner Liste. Ich hoffe, das ist Ihnen klar.“
Der Assistent nickte und zweifelte nicht einen Moment daran, dass der Polizist die Drohung ernst meinte.
„Wenn ich so etwas planen würde, hätte ich Ihnen nicht einmal von dem Foto erzählt. Nun, ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten, jetzt sind Sie dran.“
Michael Dorn schüttelte noch immer leicht seinen Kopf, fing aber an zu erzählen:
„Der Tatort hat wirklich brutal ausgeschaut. Jemand muss den Priester wirklich gehasst haben. Was ich von der Spurensicherung mitbekommen habe ist, dass er zuerst mit voller Wucht gegen die Wand geschlagen worden war, bevor er wie eine Puppe durch die Gegend geschleudert wurde. Wer auch immer dafür verantwortlich war, hatte ganz sicher eine Rechnung mit ihm zu begleichen.
Für eine genaue Auflistung der Verletzungen müssen Sie auf den Obduktionsbericht warten.“
Markus schüttelte nur seinen Kopf, so genau wollte er es auch wieder nicht wissen.
„Wie dem auch sei“, fuhr der Polizist fort, „Endgültig gestorben ist er entweder durch ein gebrochenes Genick oder jemand hat ihm die Kehle eingedrückt. Die Leute vor Ort waren sich da nicht ganz sicher. Unser erster Instinkt war, dass eine Gruppe von Leuten gestern Abend in die Kirche eingedrungen ist und den Priester zu Tode geprügelt hat, aber es waren keinerlei Fingerabdrücke oder sonstige Spuren zu finden.“
Markus machte sich ein paar schnelle Notizen auf dem obersten leeren Zettel und setzte den Stift ab.
„Noch einmal zurück zu dem Herrn Brahm: Hat er Ihnen gegenüber irgendwas erwähnt?“
Sein Gegenüber runzelte kurz die Stirn, während er versuchte, sich an die Unterhaltung zu erinnern, bevor er antwortete: „ Nur, dass sie so etwas nicht verdient hätten, ansonsten war er zu sehr von der Rolle, um wirklichen Sinn zu ergeben. Er beruhigte sich erst, als wir ihm aus der Kirche raushalfen.“
Der Assistent nickte und erhob sich.
„Schauen Sie, dass sich der Pfarrer von alleine stellt. Wenn ich bis 14 Uhr noch nichts von ihm oder Ihnen gehört habe, dann komme ich persönlich vorbei“, sprach der Polizist wie beiläufig, als Markus sich gerade zum Gehen umwandte.
Auf dem Weg hinaus blieb er nochmal bei der Rezeption stehen und drehte sich zu der Dame um.
„Es tut mir furchtbar leid, Sie nochmals so belästigen zu müssen, aber könnten Sie für mich rausfinden, wo ein gewisser Sebastian Brahm wohnt? Damit würden Sie mir wirklich weiterhelfen.“
Die Frau lächelte breit und überreichte ihm nach nicht einmal einer Minute einen Ausdruck mit Namen und Anschrift des Pfarrers. Darunter hatte sie eine Telefonnummer hin gekritzelt, über der der Name Janine stand.
„Nur, falls Sie noch etwas von mir brauchen, euer … ähm, Markus.“
Ihr Lächeln war noch breiter geworden und ihre Gesichtshaut eine Spur röter, aber sie hielt seinem Blick stand.
„Danke“, sagte der Assistent aufrichtig, steckte das Papier in seine Aktentasche und drehte sich um.
Draußen stand die Sonne jetzt hoch am Himmel und Markus fühlte sich endlich so, als ob er einen Schritt in die richtige Richtung gemacht hatte. Nicht einmal der in Fetzen gekleidete Bettler, der ihn anrempelte, konnte ihm seine gute Laune verderben.