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Kapitel 3
Оглавление„So, Markus. Du gesellst dich wohl auch wieder zu uns?“
Der Mann mit den graumelierten Haaren hinter dem Schreibtisch würdigte ihn nicht einmal eines Blickes. Ein kleiner Berg von Akten lag auf dem hölzernen Tisch bereit, verpackt in unauffällig beigen Umschlägen, versehen mit schwarzen, aufgedruckten, Nummern.
„Ja … Ähm … tut mir leid, Herr Kardinal.“
„Schau, dass das nicht mehr vorkommt.
Nun, zu der Liste die du mir geschickt hast. 24 der 37 Opfer sind Leute die … Sagen wir es einmal so: Probleme mit jüngeren Gläubigen hatten …“ Er blickte von seinem Bildschirm auf und starrte seinen Assistenten durchdringend an.
Markus verstand den Ausdruck im Gesicht des älteren Mannes sofort. Das Wort „Pädophil“ oder „Kinderschänder“ durfte hier in diesen Gemäuern nicht ausgesprochen werden.
„Wie schaut es mit den anderen 13 Opfern aus?“, fragt der Assistent.
„Unauffällig. Bei uns in den Archiven wurde zumindest kein Vermerk hinterlegt.
Deswegen wirst du eine kleine Reise nach Deutschland machen. Fang beim Ersten auf der Liste an und schau nach, ob du etwas über weitere etwaige Probleme rausfinden kannst.“
Der Assistent nickte. Nach seinem letzten Albtraum war ihm jede Ausrede recht, den Vatikan für eine Zeit zu verlassen.
„Und noch etwas, Markus. Das Stillschweigen muss weiterhin eingehalten werden. Wir wollen nicht, dass sich Außenstehende in unsere Angelegenheiten einmischen.“
Erneut nickte er und sprach: „Wann soll ich losfahren?“
„So schnell wie möglich. Und vergiss nicht, die Akten mitzunehmen. So gibt man jemandem übrigens ein Dokument, auf Papier!“
Markus packte sich den Stapel unter den Arm und verließ das Büro schnellstmöglich um seine Habseligkeiten zusammenzupacken. Bevor es aber losging, hatte er noch jemanden einen kleinen Besuch abzustatten.
David war am Anfang so etwas wie ein kleiner Bruder für ihn gewesen. Die zwei hatten sich kurz nach Markus’ Ankunft im Vatikan kennengelernt und direkt eine tiefe Freundschaft geschlossen. Zwar war Markus ein knappes Jahr älter als sein Freund, er war aber ein paar Monate später hier angestellt worden. Die Beiden befanden sich in einer ähnlichen Position, angestellt als Assistenten der Kurie, nur hatten die verschiedenen Abteilungen kein gutes Wort für einander übrig.
Die hierarchischen Machtkämpfe, die sich hinter den Kulissen abspielten, konnten Neuankömmlingen schnell zu viel werden. Da jeder versuchte, mehr zu wissen als die Konkurrenz, war eine Freundschaft zwischen Leuten in Abteilungen den Leitern oftmals ein Dorn im Auge.
Er blickte auf die Uhr auf seinem Handy. Mittagspause.
David sollte aktuell in seinem Zimmer anzutreffen sein.
Die meisten Menschen hier nahmen ihre Mahlzeiten in der Kantine zu sich, nicht so aber sein Freund. Er war einer jener Menschen, denen Einsamkeit nichts auszumachen schien und fühlte sich in größeren Menschenmengen furchtbar unwohl.
Als Markus an die Türe zu seinem Zimmer klopfte und eintrat, bot sich ihm ein seltsamer Anblick. Der junge Assistent saß im Schneidersitz auf seinem Bett und hatte seine Hände an die Ohren gepresst. Sein Gesicht wirkte verzerrt und Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn.
Erst nach ein paar Sekunden wendete er ihm den Kopf zu und setzte ein müdes Lächeln auf, als er den besorgten Gesichtsausdruck seines Freundes sah.
„Schau nicht so besorgt, Markus. Ich hatte nur heute einen etwas seltsamen Traum und wollte mich an ein Detail daraus erinnern. Mir ist schon den ganzen Morgen so, als ob ich irgendetwas wieder vergessen hätte.“
Der rothaarige Assistent setzte sich neben ihn aufs Bett und reichte ihm ein Kuvert.
„Da, damit sind meine Schulden beglichen“, sagte er.
David nahm das Kuvert an sich und legte es ungeöffnet auf sein Nachtkästchen.
„Du willst es gar nicht ansehen?“, fragte Markus.
„Nein. Du weißt ja, ich vertraue dir. Und lügen wäre eine Sünde!“, dabei zwinkerte er.
Markus‘ Gedanken kreisten um seinen eigenen Traum.
Wenn er genau darüber nachdachte, konnte auch er sich kaum mehr an die Details erinnern. Irgendetwas hatte ihm aber eine Heidenangst eingejagt. Um sich auf anderes zu besinnen wechselte er das Thema:
„Wie läuft es in deiner Abteilung?“
„Gut, gut“, antwortete David, „Monsignore Fermi hat zumindest noch nicht rausgefunden, wem ich die Liste mit den 37 Namen geschickt habe. Hast du was über die Leute rausfinden können?“
Markus schaute ihn an und lächelte als er antwortete:
„Ja, laut Kardinal Schleck sind zumindest 24 davon Kinderficker.“
Sein Freund zuckte bei dem letzten Wort zusammen. Man merkte ihm hin und wieder an, dass er in einem sehr katholischen Haushalt aufgewachsen war.
Der Ältere der zwei fuhr fort: „Kirby schickt mich übrigens nach Deutschland, um genaueres über die anderen 13 herauszufinden. Das heißt, ich werde dich wohl jetzt ein paar Wochen alleine lassen müssen.“
Kirby war der Spitzname, den Markus seinem Vorgesetzten gegeben hatte. Sein offizieller Name lautete Kardinal Stefan Schleck, wobei nur wenige Menschen ihn so hinter seinem Rücken nannten.
Der Mann war klein und rund, weshalb man ihn nur selten hinter seinem Schreibtisch hervorkommen sah, und wenn er zornig wurde bekam seine Haut eine schweinchenrosa Färbung.
„Pass auf dich auf, gib mir Bescheid, wenn du was rausfindest und bring mir ein Souvenir mit“, entgegnete David lächelnd.
„Wird gemacht!“, versprach Markus, „Ich muss nur noch ein paar Akten kopieren, und dann mach ich mich auf den Weg.“
Er küsste seinen Freund auf die Lippen und verließ das Zimmer.