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Erzwungene Exposition

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Schon in den Anfangstagen des Kinos blendeten Filmemacher Aufnahmen von Zeitungsseiten mit riesenhaften Schlagzeilen ein, die Großereignisse wie »KRIEG!« verkündeten. Sie schickten ihre Figuren an Fernsehern und Radios vorbei, in denen praktischerweise gerade eine Nachrichtensendung genau die Informationen vermittelte, die das Publikum in genau diesem Moment brauchte. Rasch hintereinandergeschnittene Montagen oder Splitscreen-Collagen packten in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Informationen in ein Bild. Von Filmemachern werden solche Mittel bis heute mit der scheinbar rationalen Behauptung rechtfertigt, dass eine möglichst schnelle, knackige Exposition die Zuschauer nicht langweile. Da dürften sie allerdings falschliegen.

Ein ähnliches Denken herrscht in Filmen, die mit Lauftexten beginnen, so wie Star Wars (eine wahre Schnellfeuersalve von Exposition, die noch dazu für einen bombastischen Grundton sorgt), oder enden, so wie Ein Fisch namens Wanda (womit ein paar zusätzliche Lacher und ein etwas versöhnlicheres Ende erzielt werden). Wenn ein Thriller sich einen Wettlauf mit der Zeit liefert und von Ort zu Ort springt, werden bei der Eröffnungssequenz oft Ortsname und Datum eingeblendet. In solchen Fällen kommt man mit wenig Erzählung sehr weit. Die Story gerät zwar kurz ins Stolpern, während sie für ein stichhaltiges Bild oder rasch eingeblendete Fakten pausiert, marschiert dann aber gleich wieder weiter, und das Publikum lässt sich nicht weiter davon beirren.

Unversöhnlicher zeigt es sich aber angesichts einer Flut von Informationen, die ohne figuren- oder szenenimmanenten Grund stümperhaft in den Dialog gezwängt werden. Wenn dilettantisches Schreiben Figuren dazu zwingt, einander Fakten zu berichten, die sie längst kennen, stolpert das Tempo der Story über eine große Hürde, fällt der Länge nach in den Dreck und kommt schlimmstenfalls nie wieder auf die Füße.

Ein Beispiel:

GROSSES, LUXURIÖSES ZIMMER – INNEN/TAG

John und Jane sitzen auf einem Sofa mit Seidenbezügen und trinken Martini.

JOHN: Meine Güte, Schatz, wie lange kennen und lieben wir uns jetzt schon? Das müssen schon mehr als zwanzig Jahre sein, stimmt’s? JANE: Ja, seit damals, als wir zusammen studiert haben und deine Studentenverbindung eine Party gab und den Club Sozialistischer Frauen eingeladen hat. Euer Verbindungshaus war so prunkvoll, dass wir mittellosen Mädchen euch nicht »Beta Tau Zeta genannt haben, sondern nur »Billionen, Trillionen, Zillionen«.

JOHN (lässt den Blick durch ihr prächtiges Heim schweifen): Ja, und dann habe ich mein ganzes Erbe verloren. Aber wir beide haben im Lauf der Jahre so hart dafür gearbeitet, unsere Träume wahr werden zu lassen. Und sie sind ja auch wahr geworden, stimmt’s, meine kleine Trotzkistin?

Dieser Wortwechsel vermittelt den Zuschauern sieben fiktive Fakten: Das Paar ist reich, beide sind Mitte vierzig, beide gehörten zur Elite ihrer Universität, er stammt aus einer reichen Familie, sie ist arm aufgewachsen, früher hatten sie einmal sehr gegensätzliche politische Ansichten, mittlerweile aber nicht mehr, und so hat sich zwischen ihnen mit der Zeit ein Geplänkel entwickelt, das so zuckersüß ist, dass man es kaum aushält.

Die Szene wirkt deshalb so falsch, der Dialog deshalb so blechern, weil das Schreiben keine Ehrlichkeit hat. Die Figuren tun nicht das, was sie vorgeben. Sie scheinen gemeinsamen Erinnerungen nachzuhängen, plappern aber in Wahrheit nur die Exposition daher, damit die lauschenden Zuschauer sie mitanhören können.

Wie schon erwähnt, können Prosaautoren solche gekünstelten Szenen vermeiden, indem sie die Geschichte dieser Ehe kurz skizzieren und die Fakten stilistisch ansprechend aneinanderreihen. Wenn sie wollen, können Prosaautoren ihren Lesern einfach sagen, was sie wissen müssen, wenn auch nur innerhalb eines gewissen Rahmens. Manche Bühnen- und Drehbuchautoren eifern den Romanautoren nach und greifen aufs Erzählen zurück, doch von seltenen Ausnahmen abgesehen, können die direkte Ansprache auf der Bühne und das Voiceover im Kino eine Exposition nicht mit der gleichen intellektuellen Kraft und emotionalen Wirkung eines echten, dramatischen Dialogs vermitteln.

Damit Sie sich das selbst vor Augen führen können, empfehle ich Ihnen eine Übung zur Exposition als Munition. Schreiben Sie die obige Szene so um, dass die beiden Figuren ihre expositorischen Fakten als Waffe einsetzen, und zwar in einem Streit, bei dem eine Figur die andere zu etwas bringen will, was diese nicht möchte.

Jetzt machen Sie das Gleiche noch einmal. Aber diesmal bauen Sie dieselben Fakten in eine Verführungsszene ein, bei der die eine Figur ihr Wissen als Waffe einsetzt, um die andere ganz subtil zu etwas zu überreden, was diese nicht möchte.

Schreiben Sie die Szene so um, dass die Exposition unsichtbar bleibt und das Verhalten der Figuren glaubhaft wirkt. Anders gesagt: Schreiben Sie sie so um, dass die Leser/Zuschauer von dem Streit oder der Verführung fasziniert sind und die expositorischen Fakten aufnehmen, ohne es zu merken, also quasi unsichtbar.

Dialog

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