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Der Sturm toste ungewöhnlich stark für diese Jahreszeit. Es goss in Strömen. Das vom Regen durchweichte Laub auf dem Asphalt wurde immer wieder von Windböen hochgewirbelt und klatschte gegen die Windschutzscheibe des roten VW Polo, der um kurz vor neun über die B41 fuhr. Es war nicht leicht für ihn, das Fahrzeug auf der nassen Fahrbahn in der Spur zu halten. Von dem strömenden Regen und den herumwirbelnden Blättern war seine Sicht so sehr beeinträchtigt, dass er den Wagen schließlich in eine Parkbucht lenken musste. Noch zwölf Kilometer, dachte er. Es hatte doch erheblich länger gedauert, als er sich das alles ausgemalt hatte. Er wollte schon längst in dem Dörfchen Sonnenbach sein; doch nun stand er mit laufendem Motor und auf Höchststufe geschaltetem Scheibenwischer in einer Parkbucht und kam nicht mehr voran. Nachdem er das Haus der Familie Bernhardt verlassen hatte, musste er sich erst einmal mit dem Wagen anfreunden. Ein Jahr in einem Grab lässt einen das Autofahren doch schneller vergessen, als es einem lieb ist. Nachdem er es schließlich geschafft hatte, unbeschadet mit dem Fahrzeug aus dem Dorf zu kommen, stellte er fest, dass der Tank fast leer war. Er ärgerte sich darüber. Das bedeutete, dass er mit noch weiteren Personen Kontakt bekommen würde. Er hatte eigentlich vorgehabt, sich als allererstes seinem Mädchen zu widmen. Nun gut, was er mit den Bernhardts angestellt hatte, war zu entschuldigen. Um die Entfernung zwischen sich und seinem Mädchen rasch zu verringern, brauchte er einen fahrbaren Untersatz. Also lag es nahe, sich das erstbeste Fahrzeug zu schnappen, und dieses stand nunmal in der Garage der Bernhardts. Um an den Schlüssel zu kommen, musste er in ihr Haus eindringen. Da Herr Bernhardt nicht gewillt war, ihm den Schlüssel auszuhändigen – von sauberer Kleidung ganz zu schweigen –, musste er ihn sich eben nehmen, was nunmal die Ermordung des Herren und seiner Gattin bedeutete. Natürlich hätte er sie einfach erstechen, erwürgen oder sonstwie ins Jenseits befördern können, aber er hatte viel zu viel Spaß am Töten. Unspektakuläre Morde aber waren nichts für ihn. Jeder Akt der Gewalt, jeder seiner Morde musste für ihn etwas Besonderes darstellen. So war es vor einem Jahr fast zu Ende gegangen, und so würde es jetzt weitergehen. Dann musste die Kleine auf ihr Schicksal eben noch ein wenig warten. Und so kam es, dass er die außerhalb des Dorfes gelegene Tankstelle aufsuchte, den Wagen volltankte und den fast schon zu einem kleinen Supermarkt angewachsenen Verkaufsraum der Tankstelle betrat. Der Kassierer war ebenso unwillig, etwas ohne Bezahlung und ohne Widerworte herzugeben, wie Herr Bernhardt. Also schlug er ihn erst einmal bewusstlos. Nach einigem Suchen fand er die Schlüssel der Tankstelle. Gerade wollte er absperren, als die junge Blondine mit ihrem Polo vorgefahren kam. Ihr zuliebe ließ er die Tankstelle noch geöffnet und sperrte erst ab, nachdem er sie eingelassen und ebenfalls bewusstlos geschlagen hatte. Dann schaltete er das Licht in der Tankstelle aus und begab sich, den bewusstlosen Kassierer an den Haaren hinter sich herschleifend, in den hinteren Raum der Tankstelle, der von außen nur durch ein sehr hoch gelegenes Fenster einzusehen war. Es bedurfte einer nicht gerade geringen Zeitspanne, sein Werk an dem Kassierer zu vollbringen, aber es würde sich sicher lohnen. Dass die Tür zum Hinterraum aus feuerfestem Metall bestand, gereichte ihm nur zum Vorteil, da hierdurch ausgeschlossen war, dass jemand, aus welchem Grund auch immer, die Tür eintrat. Somit war gewährleistet, dass die Tür nach außen aufgezogen werden müsste, wer auch immer hier als Erster eintreten würde. Ob der Kassierer dann noch lebte oder ob er schon tot war, kümmerte ihn nicht. Auf jeden Fall würde er tot sein, sobald die Tür aufgezogen war. Daran bestand kein Zweifel. Da er, ohne die Tür jetzt schon zu öffnen, den Raum nicht verlassen konnte, kletterte er durch das kleine hochgelegene Fenster nach draußen und bog um die Ecke, um wieder zur Vorderseite der Tankstelle zu gelangen. Er sah gerade noch, wie ein weiteres Fahrzeug davonfuhr. Früher oder später würde jemand die Polizei benachrichtigen. Entweder ein übervorsichtiger und misstrauischer Kunde, der über die Öffnungszeiten dieser Tankstelle Bescheid wusste, oder die Nachtschicht, falls es soetwas hier gab. Jedenfalls wurde es jetzt Zeit, hier zu verschwinden. Er hatte schon genug Zeit vergeudet. Seine Orientierung hatte sich ebenfalls noch nicht sehr gut wieder hergestellt, weshalb er wohl nicht auf direktem Weg nach Sonnenbach gelangen würde. Dies würde ihn weitere Zeit kosten. Er schloss also die Tankstelle mit dem Schlüssel wieder auf und ging hinein. Nachdem er die am Boden liegende Blondine gefesselt und geknebelt hatte, trug er sie zu ihrem Polo und sperrte sie in den Kofferraum. Den silbernen Kombi fuhr er um die Ecke der Tankstelle, parkte ihn dort und warf die Schlüssel in das noch offenstehende Fenster des Hinterraums. Er horchte kurz, vernahm aber keinen Schrei aus dem Inneren. Entweder hatte er den Kassierer nicht getroffen oder er war noch immer bewusstlos. Wie dem auch sein mochte, er sperrte die Tankstelle ab und setzte sich mit dem Polo und dessen Besitzerin im Heck in Richtung Sonnenbach in Bewegung. Nachdem er sich durch den immer stärker werdenden Regen bis hierher durchgekämpft hatte und den Schildern zufolge der Ort noch ungefähr zwölf Kilometer entfernt war, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu Fuß weiterzugehen oder zu warten, bis die Sicht wieder einigermaßen klarer wurde, um die letzten Kilometer zurückzulegen. Er beschloss, sich ein wenig mit der Blondine zu beschäftigen.

Entweder war der Sturm danach etwas abgeklungen oder er konnte dann noch immer zu Fuß weitergehen.

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