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Die Nacht kam plötzlich. / … brach rasch herein. schnell und intensiv. Der zunehmende Mond leuchtete schwach durch die schnell dahinziehende Wolkendecke. Ein leiser Wind wehte von Osten her durch die Straßen des wie ausgestorben daliegenden Dörfchens Sonnenbach. Es war erst kurz nach sechs Uhr, als Tom um eine Häuserecke in der Hauptstraße bog, um zum Friedhof zu gelangen. Da er sich noch immer nicht auf die „Winterzeit“ eingestellt hatte, die vor drei Wochen begonnen hatte, kam es ihm so vor, als wäre es schon mindestens zehn Uhr abends. Was ihn außerdem leicht verwirrte, war die Tatsache, dass er einen recht schweren Tag hinter sich hatte, der ihm noch in den Knochen steckte. Zuerst die Sache mit dem Jungen, die er vergeblich zu verdrängen suchte, indem er sich einredete, er habe mit der Sache nichts zu tun gehabt. Dann die Verhandlung mit den Triden. Und dann auch noch die Begegnung mit diesem mysteriösen Mädchen, das ihn schließlich dazu gebracht hatte, bei Dunkelheit auf den Friedhof zu gehen. Vor noch nicht einmal einer halben Stunde, als sich das Mädchen bei ihm (statt seiner, dachte er beiläufig) gebadet und danach, mit seinem Bademantel bekleidet, ihm ihre allmählich wieder einsetzenden Erinnerungen mitgeteilt hatte, konnte sie ihm zwar noch immer nicht sehr viel erzählen; wenigstens aber hatte es zur Erinnerung an die letzten vierundzwanzig Stunden gelangt. Und diese Erinnerungen besagten, dass sie, nach ihren eigenen Angaben wohlgemerkt, auf diesem Friedhof hier ihrem Grab entstiegen war. Gesetzt den Fall, er glaubte ihr, wie hätte ein Mädchen ihres Alters, und noch dazu ein so gebrechliches, es schaffen können, den schweren/massiven Sargdeckel zu zerbrechen/aufzubrechen und sich danach durch die Erde zu wühlen!? Er musste total von Sinnen sein, jetzt auf den Friedhof zu gehen, um einem durchgeknallten kleinen Kind zu glauben, es sei nach einem Jahr des Seelenfriedens wieder der Erde entstiegen. Herrje, er kannte sie doch nicht einmal! Er hatte andere Sorgen, andere Verpflichtungen, wusste sich jedoch nicht anders zu helfen. Nein, falsch, er wusste dem Mädchen nicht anders zu helfen. Die Polizei zu rufen, kam gar nicht in Frage. Er hatte zwar in seiner Mietwohnung nichts, was ihn irgendwie mit den Triden in Verbindung hätte bringen können, wollte aber auf gar keinen Fall einem Bullen im Gedächtnis bleiben. Sie einfach ins Krankenhaus oder zur Polizei schicken? Nein. Wahrscheinlich würde sie ihnen von ihm erzählen, und Vertrauen in Behörden oder öffentliche Einrichtungen hatte er auch nicht. Er hatte den Entschluss gefasst, sich zunächst einmal von dem zu überzeugen, was die Kleine ihm erzählt hatte/ein deutlicheres Bild von dem zu machen, was die Kleine ihm erzählt hatte. Als er seine Wohnung verließ, lag sie schlafend in seinem Bett. Und selbst wenn sie versuchen sollte, hier irgendein krummes Ding zu drehen: aus seiner Wohnung kam sie nur durch ein Fenster nach draußen. Sicher würde sie dies schaffen, falls sie es wollte, ohne sich etwas zu brechen. Aber sie konnte weder seinen Fernseher unbeschadet mit hinausnehmen noch sein Bett und meine Badewanne erst recht nicht! fügte er innerlich triumphierend noch hinzu. Und An Bargeld hatte er höchstens 70 oder 80 Mark dort herumliegen. Das Geld, das er sich heute morgen verdient hatte, trug er noch immer bei sich. Er hatte einfach noch keine Gelegenheit gefunden, sich umzuziehen oder das Geld irgendwo sicher unterzubringen.

Tom stand vor dem Friedhofstor. Es war nicht ganz geschlossen. Er blickte sich noch einmal um und ging dann durch das Tor hindurch auf den Friedhof. Es war kein allzu großer Friedhof, was bei einem Dörfchen mit nur 1.400 Einwohnern auch kein Wunder war. Also brauchte er auch nicht lange zu suchen, zumal die Polizei das Gebiet schön großräumig auch noch mit leuchtendem Absperrband markiert hatte. Und es stimmte tatsächlich: Dort war ein offenes Grab. Er ging ein paar Schritte weiter, hob die Absperrung hoch und trat noch näher an das offene, leere (geschändete?) Grab heran. Er blickte in die leere Grube. Es sah tatsächlich so aus, als ob die Bretter des leeren Sarges von innen nach außen gedrückt worden seien. Er schüttelte leicht den Kopf. Nein, sowas konnte einfach nicht sein./das konnte nicht sein! Wieso? Wie wäre so etwas denn überhaupt möglich? Und falls sie doch über übermenschliche Kräfte verfügte, so hatte sie bestimmt erst seit gestern dort drinnen gelegen, war für scheintot erklärt worden und heute aufgewacht und stinksauer gewesen. Ja, so und nicht anders.

Tom umrundete die Grube und bückte sich, um den Grabstein genauer zu betrachten. Also wenn die Kleine wirklich von hier stammte, hieß sie Christine Parsto. Er hatte schon schlimmere Namen gehört, dachte er beiläufig. Geboren am 10.10.1989, stand auf dem Grabstein. Ja, das Alter konnte hinkommen. Und was stand darunter? Tom starrte auf das eingravierte Datum: Gestorben am 05.11.2000. Ein Schauer, noch eisiger, als er ihn heute schon zweimal verspürt hatte, lief ihm über den Rücken. Das war einfach unmöglich! Dann konnte es sich nur noch um eine Verwechslung handeln. Sie war nicht das Mädchen, sie war nicht diese Christine Parsto! Ausgeschlossen! Tote sind tot und laufen nicht herum. Aber das Totenkleid, die Kälte, die sie ausstrahlte … Nein! – Tom stand auf und blickte sich um. Er wollte gerade umkehren, als er merkte, dass er hier auf dem Friedhof nicht mehr alleine war. Eine Gestalt näherte sich vom Tor her. Trotz der geringen Größe des Friedhofs war das Tor gute 300 Meter entfernt. Wer zu den ersten Gräbern gelangen wollte, musste erst noch einen Schotterweg erklimmen. Aufgrund der Entfernung und infolge der Dunkelheit sah Tom nur eine schemenhafte Gestalt den Friedhofsweg entlanggehen. Er fragte sich, welchen Grund dieser Jemand wohl hatte, hier nach Einbruch der Dunkelheit noch herumzuspazieren. Vielleicht sucht er ein von innen geöffnetes Grab, spekulierte er, weil er heute Mittag ein wildfremdes Mädchen mit nach Hause genommen hat, das ihm erzählt, es sei vor einem Jahr gestorben.

So richtig lächeln darüber konnte er nicht.

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