Читать книгу Tarlot - Robin Geiss - Страница 3
01 Vorwort
ОглавлениеMehr als elf Jahre sind vergangen, seit ich den ersten Satz für meinen vierteiligen Fantasy Thriller TARLOT geschrieben habe. Und noch viel länger ist es her, seit mir diese Geschichte in den Sinn gekommen ist.
Angefangen hat alles mit einem einzigen Satz, über den ich lange grübelte, den ich faszinierend fand und der mich nicht mehr los ließ. Es ist der erste Satz von Christine Parsto, den diese in meinem Buch ausspricht und ich fing an zu grübeln, wie so etwas passieren könnte und baute mir nach und nach eine Geschichte auf, die mich immer mehr fesselte und die sich immer weiter ausbreitete.
Natürlich habe ich nicht durchgehend an dieser Geschichte geschrieben, dann wäre ich selbst für einen Anfänger als Autor etwas langsam. Aber ich habe mich wirklich jeden Tag damit beschäftigt. Sei es nun das eigentliche Schreiben, Vorbereitungen treffen, Korrekturen vornehmen, Erinnerungen auffrischen, Notizen aufzeichnen, Recherchieren, Details ausdenken, Zukunftspläne schmieden und tausend Fragen an tausend Personen stellen.
Manchmal zog sich der Prozess so lange hin, dass ich schon an der Fertigstellung zweifelte. Nie hingegen zweifelte ich aber an der Qualität der Geschichte. Es ist für mich nach wie vor die ultimative Verschmelzung von Fantasy, Thriller und Horror. Und warum sollte ich sie auch nicht so super finden? Schließlich habe ich mir genau das ausgedacht, was ich selbst fesselnd und aufregend finde.
Etwas verwirrend mag die Tatsache sein, dass im ganzen ersten Buch nur sporadische Elemente der klassischen Fantasy zu finden sind. Aber im Gesamten betrachtet kann man das komplette erste Buch als Einleitung verwenden. Ich habe oft überlegt, ob ich gerade dieses Buch, das sehr oft überarbeitet wurde, am Ende nochmal neu schreiben sollte. Aber ich denke, wer alle vier Bücher gelesen hat wird mir zustimmen, dass die Reihe in sich 100% stimmig in ihrem Aufbau ist. Also liebe Fantasy Freunde, lasst euch nicht täuschen, die Einflüsse von Tolkien’s „Herr der Ringe“ werden noch spürbar. Und ich sage dies so offen, da es einfach natürlich ist, dass wir in unserem eigenen Schaffen ständig von unseren Erlebnissen beeinflusst werden. Seien es nun andere Romane, seien es Filme, die Musik (die mein ständiger Begleiter beim Schreibprozess war) oder einfach tägliche Erlebnisse. Ich wollte das Rad nie neu erfinden, sondern einfach meine Version eines spannenden Fantasy Romans schreiben, der zudem Einflüsse aus dem Thriller und Horrorbereich parat hält und eine epische Story bietet.
Es war ein seltsames Gefühl, mich von all den Figuren nach so langer Zeit zu verabschieden und das Ende zuzulassen, aber es war einfach an der Zeit. Diese Geschichte ist zu Ende erzählt, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und freue mich über ein Feedback jeglicher Art.
Vorhang auf für eine fremde Welt, fremden Personen und willkommen im TARLOT!
TEIL I
Kalt. Es war sehr kalt. Fast schon unerträglich kalt. Er wollte sich schütteln, sich bewegen, irgend etwas tun, um die Kälte aus seinem Körper herauszubekommen. Sein Körper aber reagierte nicht. Er sah nichts. Nichts! Nur Dunkelheit. Stille. Und diese entsetzliche Kälte. Sonst nichts. Er sah nichts, er roch nichts, er hörte nichts. Und wäre die Kälte nicht gewesen, so hätte er gar nichts gespürt. Und noch etwas stimmte nicht. Etwas in seinem Körper schien … er wusste nicht, wie er es hätte benennen sollen, verschwunden zu sein. Nein, nicht verschwunden. Irgendwie anders: Es war kein Körperteil mehr an seinem Platz. – Da! Er glaubte in der Dunkelheit etwas ausmachen zu können. Das Aufflackern einer Lichtquelle? Aber so schnell, wie es gekommen war, war es auch schon wieder verschwunden. Hatte er es wirklich gesehen? Er war sich dessen schon nicht mehr so sicher. Diese verdammte Kälte machte ihn noch wahnsinnig. Er konnte sich noch nicht einmal für eine Sekunde konzentrieren. Da war es schon wieder! Etwas schien aus einer riesigen Entfernung durch die gnadenlose Dunkelheit zu ihm herüberzuleuchten. Es war nur winzig klein, aber er sah es. Unter normalen Umständen hätte er es wohl nicht wahrgenommen. Aber wenn man die totale Finsternis um sich hatte und außer einer großen Kälte nichts spürte, nahm man auch den kleinsten und entferntesten Lichtpunkt wahr, in der Hoffnung auf eine Erleuchtung für alles, was hier geschah. Eine Erleuchtung für das, was er war und was hier vor sich ging. Der kleine Punkt wurde jetzt größer. Kaum merklich, doch er wurde größer. Er war, wie es schien, noch immer Hunderte von Kilometern entfernt, aber es sah aus, als komme er auf ihn zu. Oder war er es, der sich auf die Lichtquelle zubewegte? Er war sich dessen nicht sicher. Drangen jetzt auch Geräusche an sein Ohr? Oder bildete er sich das alles nur ein? Konnte er dem trauen, was er wahrzunehmen glaubte: ein leises Summen wie in einem Raum, in dem ein Fernseher eingeschaltet ist. Es war da! Zwar nicht so stetig wie das Fernsehersummen, aber eindeutig etwas, das er hören konnte. Da, der Punkt wurde abermals größer, gewann immer mehr an Umfang. Und auch die Geräusche wurden lauter. Er konnte jetzt sogar etwas riechen. Zwar konnte er nicht sagen, womit er das in Verbindung bringen sollte, aber ein Geruch war in der Luft, kein Zweifel. Das einzige, was unverändert blieb, war die eisige Kälte. Aber sie schien erträglicher zu werden, da es endlich auch noch andere Wahrnehmungen gab, auf die er sich konzentrieren konnte. Er wusste zwar noch immer nicht, wer oder was er war, wo er war und warum er hier war. Aber es wurde ihm klar, dass er lag. Ja, er lag, wenn er auch nicht wusste, wo. Und allmählich stellte sich auch so etwas wie sein Gleichgewichtssinn wieder her. Der Lichtpunkt füllte nun bald seinen gesamtes Blickfeld. Er war nicht mehr so strahlend hell, wie er ihn noch vor wenigen Augenblicken wahrgenommen hatte, dennoch aber hell. Weiß. Auch die Intensität der Geräusche nahm jetzt zu; doch je lauter die Geräusche wurden, desto mehr hörte er heraus, dass sie durch etwas gedämpft wurden. Sie drangen zwar an sein Ohr, doch konnte er nichts Eindeutiges aus ihnen schließen. Auch die Gerüche wurden nun klarer und unterscheidbar. Manche waren angenehm, andere erschienen ihm sogar vertraut; wieder andere blieben ihm fremd und unangenehm. Die Kälte hatte er schon fast völlig verdrängt, und obwohl sie noch immer ein großer Teil dessen war, was ihn ausmachte, lenkten ihn die anderen Sinneswahrnehmungen doch von ihr ab.
Körper. Er war in seinem Körper. Er lag mit seinem Körper da. Er strengte sich an. Das Weiß über ihm kam ihm vertraut vor. Ja, er wusste, was es war! Langsam, sehr langsam kamen seine Gedanken wieder in Ordnung. Er lag sehr weich. Angenehm weich. Wenn bloß diese Kälte nicht gewesen wäre! Aber er durfte sich nicht von ihr ablenken lassen. Er wusste jetzt, was er da über sich erblickte: Es war eine Zimmerdecke. Er war in einem Zimmer. Nein, nicht in einem Zimmer. Er war in seinem Zimmer. In seinem Schlafzimmer. Er lag auf seinem Bett in seinem Schlafzimmer in seinem Haus. Und er hörte Stimmengemurmel hinter der geschlossenen Schlafzimmertür. Stimmengemurmel und noch etwas anderes. Was war es? Ein Schluchzen? Ja, er glaubte, er höre immer deutlicher ein Geräusch, das wie ein Schluchzen klang. Und diese Gerüche? Sie kamen zum Teil von dem Bett, von den Tapeten, den Schränken, von etwas, das ihm vertraut erschien. Es waren Gerüche, die er nie bewusst wahrgenommen hatte, weil sie tagtäglich um ihn gewesen waren. Jemand aber, der aus einer alles umschließenden Finsternis erwachte, nahm diese Gerüche wahr.
Er roch Parfum. Das Parfum seiner Frau und das Parfum einer weiteren Person. Er roch Kuchen. Kaffee. Aufgewacht. Ja, er war aufgewacht! Er lag auf seinem Bett und war aufgewacht. Wieso hatte er hier geschlafen? Soweit er es beurteilen konnte, spürte er keine Bettdecke auf sich liegen. Und die Helligkeit im Zimmer kam nicht von einer Lampe. Sie kam durch das Fenster. Wieso lag er am hellichten Tag auf seinem Bett, wenn nebenan im Raum Leute waren. Allem Anschein nach sogar recht viele Leute. Und wenn sich so viele Leute versammelt hatten, so einparfümiert, und wenn sie Kuchen aßen und Kaffee tranken, wieso lag er dann hier auf dem Bett? Er musste hinausgehen! Sich präsentieren. Er hatte eine Verantwortung! Wo war seine Frau? Wieso ließ sie zu, dass er hier lag, während im Nebenraum eine Party stattfand? Er versuchte sich zu bewegen. Nichts geschah. Er konnte alles spüren, aber er konnte keinen Teil seines Körpers bewegen. Was war los mit ihm? Hatte ihn diese verdammte Kälte so sehr gelähmt, dass er sich nicht mehr bewegen konnte? Er versuchte es erneut. Nichts. Er konnte keinen Finger rühren, konnte den Kopf nicht heben. Er konnte noch nicht einmal seine Augen bewegen. Er konnte nur starr geradeaus blicken. Er wollte schreien, aber sein Mund öffnete sich nicht. Selbst seine Stimmbänder, so schien es, waren durch die Kälte starr geworden. Was ging hier vor sich? Er hatte noch immer dieses eigenartige Gefühl, dass in seinem Körper etwas nicht stimmte. Hier stimmte einiges nicht! In seinem Körper schien etwas zu fehlen. Und doch war es dort. Es war zwar keine Leere auszumachen, aber dennoch fehlte etwas. Und er wurde das Gefühl nicht los, dass es etwas Entscheidendes war. Entscheidend für das, was hier vor sich ging, und vielleicht für noch mehr. Er vernahm ein leises Klicken. Kurz darauf hörte er das Stimmengemurmel etwas lauter werden. Die Tür. Die Tür wurde geöffnet! Endlich kam ihm jemand zu Hilfe. Endlich würde er erfahren, was hier vor sich ging. Die Tür wurde leise wieder geschlossen und er hörte Schritte, die sich dem Bett näherten. Am äußersten Rand seines Sehfeldes nahm er schemenhaft eine Gestalt wahr. Erst als sie sich zu ihm aufs Bett setzte, konnte er erkennen, wer es war: Es war seine Tochter, seine achtjährige Tochter Jaqueline. Er wollte ihren Namen rufen, aber er konnte sich noch immer nicht rühren. Jacqueline saß neben ihm und schaute ihn an. Er bemerkte, dass ihr Tränen über die Wangen rollten. Was hatte sie nur? Seine arme kleine Tochter. Er wollte sie fragen, aber er hatte keine Kontrolle über seine Sprechwerkzeuge. Wieso weinte sie und starrte ihn einfach nur an? Sah sie, dass seine Augen geöffnet waren, er sich aber nicht regte? So etwas nahm man doch nicht als normal hin! Seine Tochter kannte ihn doch! Aber sie saß da und blickte ihn einfach nur an. Es schien, als starre sie einfach nur durch ihn hindurch. Was war mit ihr? Sie saß neben ihm in einer schwarzen Bluse, und, wenn er seinen eingeschränkten und verschwommenen und Wahrnehmungen trauen konnte, auch in einer schwarzen Hose und weinte. Dann öffnete sie den Mund, und er hörte ein leise geflüstertes „Pappi“. Was ging hier vor sich? Eine Frage schoss ihm durch den Kopf: Wenn ihm so kalt war, wieso zitterte er nicht? Wieso klapperten seine Zähne nicht? Sein Körper machte nicht die geringsten Anstalten, doch noch zu funktionieren. Mit Ausnahme seiner Sinneswahrnehmungen funktionierte gar nichts an seinem Körper. Gar nichts? Und das Atmen? Ihm wurde bewusst, dass er keinen Atemzug getan hatte, seit er aus dem dunklen kalten Nichts aufgetaucht war. Und die Leere, die er in seinem Körper fühlte, kam von seinem Herzen. Es war da! Doch genau so, wie man es nicht wahrnimmt, wenn es tagtäglich normal schlägt, nahm er jetzt wahr, dass sein Herz nicht schlug. Nein, unmöglich! Wenn sein Herz nicht schlüge, wäre er tot! Da ging die Tür zum zweiten Mal auf.
„Jacky? – Jacky, was tust Du hier? Du sollst doch nicht …“
Er erkannte die Stimme seiner Frau: „Ach, Jaqueline, komm her. Komm doch her!“
Seine Tochter erhob sich vom Bett und ging zu seiner Frau, die vermutlich an der Tür stand. So weit konnte er das nicht überblicken. Er hörte, wie sie tröstende Worte zu ihrer Tochter sprach.
Was ging hier vor? Er wollte schreien. Er nahm alle Kraft zusammen, um zu schreien. Doch nichts geschah. Er geriet in Raserei. In innerliche Raserei. Hätte er gekonnt, er hätte vermutlich in diesem Moment so laut geschrien, dass alle Fensterscheiben in der Nachbarschaft zersprungen wären.
Da erschrak er. Er sah, wie sich seine Frau über ihn beugte, ihre linke Hand ausstreckte, seine Augenlider berührte und sie mit einem „Ach, Schatz!“ schloss. Was ging hier vor sich? Warum nahm sie ihm jetzt noch das bisschen, was er sehen konnte? Wenn er seine Augen schon nicht bewegen konnte, wollte er wenigstens die Decke anstarren. Besser als diese Dunkelheit. Und diese Kälte. Nein! Das konnte alles nicht sein! Hilfe!! Jemand musste ihm helfen. Er würde wahnsinnig werden! Hyperventilieren! Nein, das konnte er ja gar nicht! Er konnte ja nicht atmen und sein Herz schlug nicht. Er wusste, was mit ihm geschehen war, doch weil er dieses Wissen immer wieder verdrängte, verfiel er langsam aber sicher dem Wahnsinn. Ihm kamen Erinnerungen an einen Krankenwagen. Er hörte das Pulsieren einer Herzrhythmusmaschine. Er hörte die Stimmen hektischer Ärzte. Er hörte Schreie. Er hörte ...
„Du weißt doch, Jacqueline, dass Du nicht hierhergehen sollst. Das macht alles nur noch schlimmer. Du weißt, was der Arzt gesagt hat. Aber ich kann Dich verstehen, mein Schatz. Auch ich will nicht wahrhaben, dass er von uns gegangen ist. Komm mit nach draußen. Dort ist jetzt die beste Ablenkung für uns.“
Mit einem lauten Krachen fiel die Tür ins Schloss. Und dieses Geräusch holte ihn zurück von der Schwelle des ihm drohenden Wahnsinns. Er war tot. Er lag auf seinem Bett und war tot. Draußen war seine Totenfeier im Gange. Wenn er hier auf dem Bett lag, so bedeutete dies nur, dass seine Frau ihren Willen durchgesetzt hatte, ihn bis zu seiner Totenfeier im Haus zu behalten. Und das Begräbnis würde wahrscheinlich spätestens morgen stattfinden.
Er war aufgewacht und doch war er tot.