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EIN UNIVERSELLES DESIGN

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Es gibt in diesem Kraniosakralen Mechanismus und in der gesamten Anatomie und Physiologie des ganzen Körpers auch den Aspekt der Universalität. Ungefähr zehntausend Generationen oder drei Millionen Jahre hat es gedauert, um den menschlichen Körper zu dem zu machen, was er heute ist. Grundsätzlich ist er so gestaltet, dass er als willkürlicher und unwillkürlicher Mechanismus funktioniert. Der einzige Grund, warum wir heute hier sitzen, ist, dass wir das Produkt von x Menschengenerationen sind, die es geschafft haben, zu überleben. Daher sind die Mechanismen in uns allesamt solche, die von der Natur zum Überleben bestimmt wurden.

Mit anderen Worten: Der fundamentale Leitgedanke in den Heilkünsten (ich habe absichtlich nicht gesagt ‚im osteopathischen Berufsstand‘ , weil es hier um etwas geht, was die Angehörigen aller Heilkünste verstehen sollten), der fundamentale Leitgedanke also ist, dass der Körper vom Kopf bis zu den Füßen einen wunderschönen Mechanismus darstellt und, obgleich aus vielen Teilen bestehend, als umfassende Einheit, als universelle Funktionseinheit gestaltet wurde. Je klarer wir verstehen, wie er in uns selbst als ein ganzheitlicher Mechanismus funktioniert – und damit meine ich sowohl den willkürlichen als auch den unwillkürlichen Teil –, desto präziser kann unsere Diagnose werden und desto fähiger sicherlich auch unsere Behandlung.

Gestern sprach man im Fachbereich über die architektonischen Grundlagen der Knochen des Neurokraniums. Wir alle haben Ossa temporalia, ein Os occipitale und sphenoidale, wir alle haben zwei Ossa parietalia und funktionell gesehen auch zwei Ossa frontalia. Es ist egal, wem sie gehören: In jedem von uns sind sie in der Hinsicht gleich, dass sie ein anatomisches Funktionsprinzip darstellen. Es gibt bei uns Angehörigen der Heilkunst eine automatische Tendenz, jemanden anzuschauen und zu sagen: „Aha, der hat eine Dysfunktion. Ich kann sehen, dass sein Gesicht schief ist, und das bedeutet, dass er ein Problem hat.“ Unser erster Gedanke sollte aber stattdessen sein: „Wie dient das Design dieses Schädelbereichs der Funktion in diesem bestimmten Menschen? Was ist sein Gesundheitsmuster, was ist seine Grundlage, um innerhalb dieses physischen Mechanismus zu funktionieren?“

Das Gleiche gilt für einen Arm. Wenn jemand mit einem Tennisarm in die Praxis kommt, haben wir es mit einer Extremität zu tun, in deren Mechanismus eine Dysfunktion produziert wurde. Unser erster Gedanke sollte sein, wie dieser Mechanismus aussehen würde, wenn er ohne dieses Dysfunktionsmuster hereingekommen wäre. Wie sollten die Muskeln sein? Was sind die Funktionsgrundlagen dieser Muskeln in diesem Arm, diesem Unterarm, diesem Handgelenk und dieser Schulter? Wie sind sie für den gesunden Zustand in dieser bestimmten Person gestaltet? Dann können wir, wenn wir den Arm anfassen, verstehen, wie er innerhalb dieser speziellen Schwierigkeit, mit der der Patient gekommen ist, funktioniert.

Unser eigentliches Ziel bei diesem Kurs ist deshalb nicht das Erlernen von Pathologien in den Körperbereichen, die wir besprechen und mit unseren Händen berühren. Wir wollen vielmehr begreifen lernen, was die zugrunde liegenden Gesetze für diesen Mechanismus sind. Wofür ist dieses oder jenes Ding im Patienten da? Die Frage lautet nicht: Was machen sie jetzt gerade? Was sie jetzt gerade machen, ist lediglich der diagnostische Hinweis darauf, dass da vielleicht ein Problem besteht. Die Frage ist: Wofür sind diese Mechanismen im Patienten da? Dabei spreche ich nicht nur über den Kraniosakralen Mechanismus, obwohl dies das Thema dieses Kurses ist. Die Grundprinzipien der Anatomie und Physiologie des Kraniosakralen Mechanismus sind identisch mit den Prinzipien eines jeden anderen Körpersystems – ob Bewegungsapparat, Verdauungs-system, Herz-Kreislauf- oder Atemsystem.

Wir müssen uns also fragen: Wie manifestiert sich dieses universelle System, wie arbeitet es im Patienten? Dieses universelle System hat in jedem Einzelnen einen individuellen Namen, es hat in jedem Patienten ein individuelles Muster, mit dem dieser herumläuft. Jeder Mensch hat ein einzigartiges Design, auf dessen Basis er funktioniert, aber seine einzelnen Anteile sind universell. Jede Komponente des Kraniosakralen Mechanismus hat Prinzipien, die allgemeingültig in jedem von uns funktionieren und dann ihren individuellen Ausdruck in der Persönlichkeit, zu der sie gehören, finden.

Dass wir beim Studieren in diesen Kursen nicht nach Pathologien suchen, sondern nach den Grundlagen, die diesen Mechanismus funktionieren lassen, erweitert unseren Horizont um einiges. Nicht um das sogenannte Normale zu studieren, seid ihr also hier, sondern um die Prinzipien zu verstehen, die bei dem individuellen Menschen, mit dem ihr gerade arbeitet, zum sogenannten Normalen gehören.

Rollin Becker - Leben in Bewegung & Stille des Lebens

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