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PHILOSOPHISCHE ÜBERLEGUNGEN

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Um den Liquor cerebrospinalis in einem Diagnose- und Behandlungsplan zu nutzen, braucht es mehr als eine Synthese anatomisch-physiologischer Details und mehr als ein von Laboruntersuchungen begleitetes Studium der Liquor-Charakteristika in Gesundheit, Traumen oder Krankheit. Um die Erfahrung, mit dieser lebendigen Flüssigkeit in einem lebendigen Organismus – dem menschlichen Körper – zu arbeiten, greif bar zu machen, bedarf es der Kunstfertigkeit der Palpation.

Wenn wir nun über Palpation sprechen: Ich stelle sie mir gern in zwei zusammenwirkenden Phasen vor. Es gibt den Input, also das Wahrnehmen der Aktivität im Körper mit Hilfe der Palpation, und es gibt den motorischen Output (ich nenne es angewandte palpatorische Kunstfertigkeit), der darin besteht, dass ich mit der beim Palpieren wahrgenommenen Aktivität arbeite, um eine Veränderung innerhalb dieser Aktivität oder des Funktionsmusters zu erzielen. Für mich ist solch angewandtes palpatorisches Können als motorischer Output sensibler und subtiler in der Anwendung als eine sogenannte manuelle Technik.

Alles, was ich im Rahmen einer Behandlung mit dem Liquor cerebrospinalis als einer lebendigen, bereits in Bewegung befindlichen Flüssigkeit tue, erfordert von mir als Behandler Sensibilität, wenn ich bei meiner klinischen Nutzung der Flüssigkeitsdynamik des Liquor cerebrospinalis maximale Effektivität erreichen will. Das Thema Palpation bringt uns zu einer weiteren erwähnenswerten Eigenschaft: Zur Palpation gehört die Nutzung von Energie sowohl beim sensorischen Input wie auch beim motorischen Output und sie kann nur mit Hilfe von Quantenphysik erklärt werden.

Ein Artikel in Science News fasst diesen Gedanken zusammen:

„Mechanistische Philosophie der klassischen Wissenschaft: Ein Ding hat eine eigene objektive Realität. Die Basis von Wissenschaft ist Objektivität […] im Bereich der Quantenphysik jedoch eher nicht. Daher macht die Quantenphysik den Beobachter zum Beteiligten. Nicht nur im Sinne von Heisenberg, dass der Beobachter das stört, was er misst, sondern in dem tieferen Sinne, dass das, was er zu messen beschließt, das Ergebnis seiner Messung bestimmen wird. Getrennt vom Akt des Beobachtens hat die Realität keine objektive Existenz. Wheeler kommentiert: ‚Auf merkwürdige Weise ist dies ein Universum des Beteiligtseins. Was wir gewohnt waren ‚physische Realität‘ zu nennen, stellt sich nun im Wesentlichen als Papiermaschee-Konstruktion unserer Vorstellung heraus, eingegipst zwischen die soliden eisernen Säulen unserer Beobachtungen. Die einzige Realität bilden diese Beobachtungen.

Und er fasst zusammen:

„Bevor wir nicht sehen, warum das Universum so gestaltet ist, haben wir nicht das Geringste davon verstanden … wir können davon ausgehen, dass wir erst dann verstehen werden, wie einfach das Universum ist, wenn wir erkennen, wie seltsam es ist.“ 19

Mir geht es um Folgendes: Wenn ich als Behandler mit den lebendigen Fluktuationsmustern des Liquor cerebrospinalis im Patienten arbeite, bin ich an diesem Fluktuationsmuster beteiligt. Ich habe teil an der Erfahrung dessen, was ich durch die Palpation mit sensorischem Input beobachte, und dessen, was sich als Resultat des in Form eines motorischen Outputs angewandten palpatorischen Könnens innerhalb des Musters verändert. Die einzige in Betracht zu ziehende Realität ist ständige Veränderung – Veränderung, die stattfindet, während ich die Muster beobachte, Veränderung, die stattfindet, während angewandtes palpatorisches Können Muster modifiziert, und Veränderung, die sich in der anatomisch-physiologischen Struktur des Patienten vollzieht, wenn sie im Anschluss an mein Diagnose- und Behandlungsprogramm die an diesem Tag geschehene Arbeit fortsetzt.

Es ist äußerst wichtig, dass der Behandler bei seinem Palpieren der Funktionsweise des Liquor cerebrospinalis die Rolle des Beteiligten einnimmt.

Mir gefällt der Gedanke, Beteiligter zu sein anstatt außenstehender Beobachter, wenn es gilt, sich um ein Problem im Körper des Patienten zu kümmern – mag dies nun eine Dysfunktion des Bewegungsapparates, ein fasziales Dysfunktionsmuster oder ein mit dem Primären Atemmechanismus zusammenhängendes sein. Ich habe bei der Diagnose wie bei der Behandlung das Gefühl, dass ich die Veränderungen, die im Patienten stattfinden, direkt erfahre und so in Bezug auf die Art der Dysfunktion einen besseren diagnostischen Einblick bekomme. Ich kann daher bei den an diesem Tag möglichen Korrekturen auch die Behandlungsresultate besser beeinflussen. Ich finde es notwendig, den Gedanken zu akzeptieren, dass ich ein Beteiligter bin, und dieses Bewusstsein während meiner diagnostischen und therapeutischen Überprüfung aufrechtzuerhalten. Denn als Beteiligter erreiche ich bei dem, was ich erfahre, wie auch bei den Behandlungsresultaten eine viel tiefere Qualität als in der Rolle eines außenstehender Beobachters.

Wenn wir beim Arbeiten mit den natürlichen Ressourcen im Körper, zu denen auch der Liquor cerebrospinalis gehört, die sensorischen und motorischen Qualitäten unseres Bewusstseins nutzen wollen, müssen wir, um die Mechanismen, um die es hier geht, besser verstehen zu können, zunächst drei Begriffe – Selbst-Organisation, Fluktuation und Transmutation – definieren und zwei Prinzipien – den Atem des Lebens und das Atmen von Luft – erläutern.

Selbstorganisation: die dem Menschen angeborene Fähigkeit, Leben physisch, mental, emotional und philosophisch auszudrücken.

Jeder Mensch hat zwei Mechanismen, die lebenslang zusammenwirken: eine willkürliche Fähigkeit zu arbeiten, zu spielen und zu ruhen, und einen komplexen unwillkürlichen Mechanismus, der dafür geschaffen ist, Gesundheit aufrechtzuerhalten und sich an Traumen bzw. Krankheit anzupassen. 1932 beschrieb Cannon diese Selbstorganisation des Körpers als Homöostase, eine dynamische Ausgewogenheit, bei der alle Körperprozesse in ihrem jeweiligen Gleichgewicht aufrechterhalten werden. Dies ist auf jeden Fall kein statischer, sondern ein kontinuierlicher, lebendiger Prozess. In A. T. Stills Autobiographie wird das folgendermaßen beschrieben:

„Ich hoffe alle die, die dies nach mir lesen, werden meine volle Überzeugung wahrnehmen, dass der Verstand Gottes in der Natur seine Planungsfähigkeit – sofern Pläne nötig sind – und die Schaffung selbst organisierender Gesetze ohne Muster für die Myriaden von Lebensformen bewiesen hat; er hat sie bestens mit den Maschinen und Batterien der motorischen Kraft für die Pflichten des Lebens ausgestattet. Jeder Teil ist voll ausgerüstet, seine Pflicht zu übernehmen, in der Lage auszuwählen und sich selbst aus dem großen Labor der Natur die Kräfte anzueignen, die er benötigt, um die Pflichten der jeweiligen Abteilungen in der Ökonomie des Lebens zuzuordnen … Etwa 12 Monate war ich damit beschäftigt, meinen Webstuhl zu überprüfen. Ich habe einen besonders fein gebauten Webstuhl; weder irdisch noch von Hand gemacht … Durch die in ihnen (Gewinden) enthaltenen Kunstfertigkeiten ist es für mich nur nötig, den Webstuhl in Bewegung zu setzen.“ 20

Die meisten von uns, egal ob als Behandler oder Patienten, vertrauen, was das Aufrechterhalten von Gesundheit und das Bekämpfen von Traumen und/oder Krankheit anbelangt, blind und fraglos auf ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation. Ich jedoch habe eine Frage: Wie viel mehr könnten wir als Ärzte und Chirurgen für unsere Patienten erreichen, wenn wir unser Bewusstsein für die Potenziale dieser Selbstorganisation in uns und in unseren Patienten, sooft diese uns konsultieren, entwickeln und nutzen würden? Jeder Einzelne von uns muss seine eigenen Fragen stellen und seine eigenen Antworten suchen.

Fluktuation: Die mit Hilfe von Palpation oder Perkussion beobachtete Bewegung einer Flüssigkeit in einer natürlichen oder künstlich geschaffenen Höhlung.

Der Liquor cerebrospinalis fluktuiert rhythmisch innerhalb einer natürlichen Höhle, dem Neurokranium. Das lässt sich durch Palpieren feststellen. Da der Körper im Grunde aus Flüssigkeit besteht und dazu noch der Liquor cerebrospinalis teilweise in sein Lymphsystem absorbiert wird, kann man die Fluktuation des Liquor überall im Körper wahrnehmen.

Die durch Palpieren feststellbaren, grundlegenden rhythmischen Fluktuationsmuster des Liquor cerebrospinalis stellen longitudinale, alternierend laterale und spiralförmige Muster dar. Es gibt wahrscheinlich noch viele andere Muster oder Musterkombinationen, die sehr klein und daher nicht so leicht zu bemerken sind. Ein spezifischeres rhythmisches Fluktuationsmuster des Liquor cerebrospinalis kann palpiert werden, indem man den Liquor cerebrospinalis entlang einer maximalen diagonalen Richtung in einem beliebigen Körperteil lenkt.

Allgemein nimmt man an, dass die Fluktuationsgeschwindigkeit des Liquor cerebrospinalis im gesunden Zustand bei 10–14 Mal pro Minute liegt. Sie kann jedoch den verschiedenen Dysfunktionszuständen im einzelnen Menschen entsprechend variieren und ist so bei chronischen Erkrankungen möglicherweise sehr verlangsamt, bei Fieber dagegen erhöht.

Wesentlich wichtiger als ihre Geschwindigkeit ist aber die Qualität der Fluktuationsmuster. Ist der Zustand gesund, spürt man beim Palpieren eine volle Amplitude, Vitalität und lebendige Dynamik. Liegt dagegen rheumatoide Arthritis vor, findet man aufgrund einer Stase in Bindegewebe und Lymphsystem eine dünne, verwässerte, niedrige Amplitude, und nach einer Meningitis oder Enzephalitis empfindet man sie als träge, da die reziproke Spannungsmembran die Qualität ihres physiologischen Tonus verloren hat. Das sind nur ein paar von vielen klaren Beispielen für die variable Qualität des Liquor-Fluktuationsmusters. Der lebendige Liquor cerebrospinalis reagiert mit ihrer offenkundigen Fluktuation auf die Herausforderungen eines von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag wechselnden Gesundheitsmusters im einzelnen Organismus und reflektiert durch Veränderungen ihrer Qualität und Geschwindigkeit diese Vorgänge.

Dr. Sutherland sagt uns, dass die Fluktuation des Liquor cerebrospinalis an erster Stelle steht, als ein Phänomen an sich, und ich bin mit diesem Gedanken vollkommen einverstanden. Es gibt andere, die anderer Meinung sind, und sie mit der Kontraktilität des Zentralen Nervensystems oder der rhythmischen Inhalation oder Exhalation des respiratorischen Systems in Verbindung bringen möchten. Es ist offensichtlich, dass es Zusammenhänge und Beziehungen gibt zwischen allen lebendigen Geweben und der Geschwindigkeit ihrer rhythmischen Funktion, der Motilität des Zentralen Nervensystems, der wiegenden Bewegung der reziproken Spannungsmembran, dem rhythmischen respiratorischen Mechanismus und anderen, sowohl willkürlichen als auch unwillkürlichen Mechanismen und dass diese die Fluktuation des Liquor modifizieren und umgekehrt wiederum von ihr modifiziert werden. Trotzdem werden wir als Behandler mit unserer bewussten Wahrnehmung und unseren palpatorischen Methoden bei Diagnose und Behandlung bessere Arbeit leisten, wenn wir uns beim Umgang mit den Flüssigkeitsdynamiken des Liquor cerebrospinalis von dem Gedanken leiten lassen, dass der Liquor das primäre Phänomen ist. Als Analogie könnte man hier heranziehen, dass ich ja auch dem Herzen aufmerksamer zuhöre, wenn ich weiß, dass es die Hauptpumpe des kardiovaskulären Systems ist. Das bringt uns zurück zu dem vorhin Gesagten: Wir sind beim Anwenden unserer Fähigkeiten beteiligt an einem lebendigen Dasein in einem lebendigen Körper.

Nun zu einer anderen Form von Fluktuationsmuster: Die Fluktuation des Liquor cerebrospinalis sowie die Motilität des Zentralen Nerven-systems und der reziproken Spannungsmembran produzieren innerhalb des Kraniosakralen Mechanismus eine mit Außen- und Innenrotation der paarigen Knochen verbundene rhythmische Flexion und Extension der Gelenkmobilität der kranialen Knochen in der Mittellinie und des Os sacrum. Diese rhythmischen Muster sind nicht auf den Kraniosakralen Mechanismus beschränkt, sie treten überall im gesamten anatomisch-physiologischen Mechanismus des Körpers auf. Und diese Mikrobewegung in jedem Knochens, jeder Zelle und jeder Flüssigkeit ist einer der essenziellen Faktoren der auf Gesundheit gerichteten Selbstorganisation des Körpers. Das ganze Leben eines Menschen hindurch ist es diese unwillkürliche Bewegung, die ihren Beitrag zu Cannons Homöostase leistet und zu Stills ‚ewigem Gesetz von Leben und Bewegung.‘ Sie geht mit allen willkürlichen Bewegungen des arbeitenden, spielenden oder ruhenden Menschen einher und kann palpatorisch erspürt werden.

Ich möchte hier zwei diagnostische Tests empfehlen, die diese unwillkürliche Bewegung und Selbstorganisation des Körpers nutzen:

1.Der Patient hat einen Bereich mit einer somatischen Dysfunktion, die du als Behandler korrigieren möchtest. Mit Hilfe einer aufmerksamen und zugleich ruhigen Palpation überprüfst du zunächst irgendwo anders im Körper des Patienten und dann speziell im Bereich der somatischen Dysfunktion, von welcher Qualität die Muster der unwillkürlichen Flexion/Außenrotation bzw. der unwillkürlichen Extension/Innenrotation sind. Überprüfe das erneut, nachdem sich die somatische Dysfunktion in der Behandlung korrigiert hat. Wenn du nun im Bereich der somatischen Dysfunktion eine unwillkürliche Bewegung von ungefähr gleicher Qualität spürst wie im Testbereich, kannst du sicher sein, dass sich deine Korrektur weiter in Richtung Gesundheit für das behandelte Problem entfalten wird. Erspürst du jedoch nach der Korrektur im Bereich der somatischen Dysfunktion keine verbesserte unwillkürliche Bewegung, hast du zwar möglicherweise die Mobilität in diesem Bereich verbessert, aber seine inhärente Funktion steht dem Körper nicht zum sofortigen Gebrauch zur Verfügung.

2.Sei dir mit einer aufmerksamen und gleichzeitig ruhigen Palpation aller Komponenten der Selbstorganisation bewusst, die mit der Qualität der Liquorfluktuation und der unwillkürlichen Bewegung im Körper verknüpft sind. Palpiere nun, um die Gesamtvitalität der anatomisch-physiologischen Mechanismen zu befunden. Obwohl diese Vitalität nicht unbedingt elektrischer Natur ist, vergleiche ich es gerne mit einem Messen von Voltspannung und erstelle für jeden Patienten einen geschätzten Befund. Anders gesagt: Die Vitalität des Durchschnittspatienten sollte sich so anfühlen, als läge sie bei 110 Volt. Bei einer Dysfunktion, zum Beispiel einem chronischen Zusammenbruch des Nervensystems, kann die Voltspannung dagegen 60, 50 oder weniger betragen. Dasselbe gilt für rheumatoide Arthritis. Ist der Patient in einem Zustand akuter Müdigkeit, kann dieser Vergleich mit einer Voltspannung ebenfalls einen niedrigen Befund ergeben, bei dem man aber spürt, dass er zeitlich begrenzt ist und sich während eines guten Nachtschlafes vermutlich selbst korrigieren wird. Bei einem professionellen Athleten liegt die Spannung nicht bei 110, sondern bei 220 Volt. Das ist auch nötig bei all dem, was diese Leute in ihrem Sport aushalten müssen.

Dies ist ein nützlicher Test, weil er dir ein Gefühl für die Qualität der Vitalität gibt, mit der du bei der Diagnose und Behandlung von Problemen arbeitest. Ausreichende VOLTAGE bedeutet ausreichend Vitalität, um damit eine Korrektur durchzuführen und diese sich weiter entfalten zu lassen, so wie du es dir wünschst. Niedrige VOLTAGE ist ein Hinweis darauf, dass deine Korrekturversuche die Möglichkeiten des Patienten, die Korrektur zu nutzen, nicht übersteigen sollten, weil eine Überkorrektur in diesem Zustand verringerter Vitalität nicht von Dauer sein und die bereits herrschende lokale und generelle Erschöpfung des Patienten noch verstärken wird.

Diesen zweiten von mir empfohlenen Test sollte man nicht mit dem Zählen des Cranial Rhythmic Impulse (CRI) verwechseln, denn er ist einfühlsamer und aussagekäftiger. Über beide von mir erwähnten Tests könnte man noch länger sprechen; ich habe aber hoffentlich genug gesagt, um eure Aufmerksamkeit darauf zu richten.

Transmutation: Die Umwandlung einer Sache in eine andere; die Veränderung eines chemischen Elements in ein anderes.

Die Fähigkeit zur Transmutation ist ein natürliches Phänomen, das im Körper ein Leben lang vorhanden ist. Zur rhythmischen Fluktuation des Liquor cerebrospinalis gehört diese Fähigkeit zur Transmutation. Sie schafft einen rhythmisch balancierten Austausch mit dem Plexus choroideus, den physiologischen Zentren im Boden des vierten Ventrikels, den Neuronen des zentralen und peripheren Nervensystems, der Hypophyse-Hypothalamus-Achse, der Epiphyse und anderen Hormondrüsen im gesamten Körper, dem lymphatischen System und tatsächlich mit allen Zell- und Flüssigkeitssystemen des Körpers.

Diesen Transmutationsfaktor in der Fluktuation des Liquor cerebrospinalis kann der Behandler im Patienten vom Behandler bereichern, revitalisieren und maximieren. Wenn er sein waches Wahrnehmen, Palpieren und angewandtes palpatorisches Können nutzt, kann er auf kontrollierte Art und Weise die existierenden longitudinalen, alternierend lateralen oder spiralförmigen Fluktuationsmuster des Liquor cerebrospinalis komprimieren, um diesen herunterzubringen, bis sie jene flüchtige rhythmische Funktionsperiode erreicht, die man ‚Stillpunkt‘ nennt. Indem man sie zu diesem Stillpunkt herunter und durch ihn hindurch bringt, kommt es zu einem sofortigen rhythmisch ausbalancierten Austausch zwischen allen Körperflüssigkeiten. Seine physiologischen Folgen sind weitreichend.

Dazu zwei dramatische Fallbeispiele: 1947 wurde ein neun Monate altes Baby zu mir gebracht, das schrie und weinte. Es litt bereits seit acht Monaten vom Kopf bis zu den Fußsohlen an einer ausgeprägten Dermatitis, mit Hautrissen, nässend und an vielen Stellen sogar blutig, und war schon erfolglos einem Dutzend Ärzte vorgestellt worden. Was konnte ich für dieses Kind tun? Ich hatte keine Ahnung. Dann behandelte ich es mit Hilfe einer CV4-Technik, einer ‚Kompression‘ des vierten Vent-rikels also. Innerhalb von 18 Stunden nach dieser Behandlung war dem Kind eine komplett neue Haut gewachsen, ohne jeglichen Makel. Als es drei Tage später erneut zu mir in die Praxis gebracht wurde, war die neue Haut immer noch intakt, jedoch mit einzelnen kleinen Flecken. In den folgenden Monaten verbesserte sich die Situation noch weiter.

Ebenso dramatisch war der Fall eines 55-jährigen Mannes. Seine rheumatoide Arthritis hatte den Zustand der chronischen Behinderung erreicht, bereitete ihm jedoch keine Schmerzen. Ich sagte zu ihm zwar, dass ich für seine ‚Arthritis‘ nichts tun könne, gab ihm aber, da er nun schon mal in meiner Praxis war, eine Behandlung. Aufgrund der peripheren Resistenz – bedingt durch die lymphatischen Stase in seinem gesamtem Körper – benötigte ich 45 Minuten, um eine CV4-Technik durchzuführen und die Fluktuation hinunter zum Stillpunkt und durch ihn hindurch zu bringen. Eine Woche später kam der Patient wieder und bestand auf einer weiteren Behandlung. Er zeigte mir seine von mir zuvor nicht untersuchten Unterschenkel, die von einer trockenen Exanthemkruste bedeckt waren. Seinen Angaben zufolge war dies ein seit Jahren nässendes Exanthem gewesen. Ich behandelte ihn erneut mit einer CV4-Technik; diesmal dauerte es 30 Minuten. Innerhalb einer weiteren Woche heilte die Haut auf seinen Beinen komplett und blieb auch gesund.

Howard Lippincott, DO beschreibt die Resultate der CV4-Technik so:

„Es ist schwer, zurückhaltend zu sein, wenn es um den Nutzen geht, den wir durch die Kompression des vierten Ventrikels erreichen. Denn wenn diese mächtige Flüssigkeit durch besagte Technik aktiviert wird, kommt es zu Ergebnissen, die Begeisterung rechtfertigen.

Es kommt zu einer günstigen Wirkung auf das gesamte zirkulatorische System, mit Abnahme von Stauungen, Ischämien und Ödemen, soweit dies ohne Chirurgie überhaupt möglich ist.

Die Stoffwechselvorgänge werden verbessert, einschließlich der Ernährung aller Gewebe und der schrittweisen Absorption fibröser und kalziumhaltiger Ablagerungen, die nicht physiologischer oder kompensatorischer Natur sind.

Die Kompression des vierten Ventrikels verbessert auch die Funktion der Organe, und bei Infektionen wird das Immunsystem durch die Wirkung auf die Milz, Pankreas und Leber gestärkt.

Das endokrine System wird entsprechend der unmittelbaren Bedürfnisse des Körpers reguliert.

Der Liquor cerebrospinalis hat das Kommando über den Stoffwechsel, einen Großteil der unwillkürlichen Funktionen, und den autoprotektiven Mechanismus des Organismus.

Dr. Sutherland machte darauf aufmerksam, dass sekundäre osteopathische Dysfunktionen nach der Kompression des Ventrikels weniger offensichtlich sind. Die Kompression ist daher nützlich, um die primäre Dysfunktion zu bestimmen.“ 21

Wie man sieht, wird die unwillkürliche Mobilität des Körpers, mit seinen Mikrobewegungen der Flexion/Außenrotation und Extension/ Innenrotation revitalisiert. Außerdem wird die Lebens-Batterie – die wir vergleichbar mit Voltspannung evaluieren – sofort transmutiert/umgewandelt in Richtung auf den physiologischen Idealzustand für diesen Patienten, seien das nun 110 oder 220 Volt.

Eine kontrollierte Kompression der Fluktuation des Liquor cerebrospinalis, indem man sie zur ihrer kurzen rhythmischen Periode bzw. ihrem Stillpunkt herunter und durch diesen hindurch bringt, lässt sich von den Ossa parietalia, dem Os frontalis bzw. den Ossa frontalia, den Ossa temporalia oder dem Os sacrum aus durchführen. Es muss aber nicht unbedingt eine Kompression des vierten Ventrikels (CV4-Technik) sein. Im Gegenteil: Bei einem schweren kranialen Trauma oder bei vermuteten Frakturen des Kraniums sollte diese Technik vom Sakrum aus angewendet werden.

Was ist dieser Transmutationsfaktor? Dr. Sutherland sagte, dass es immer dann, wenn die Fluktuation des Liquor cerebrospinalis zu dieser kurzen, rhythmischen Zeitspanne – dem Stillpunkt – heruntergebracht wird, zu einen rhythmisch balancierten Austausch mit dem Atem des Lebens kommt. Er hatte keine Erklärung für diesen Transmutationsfaktor und begründete auch nicht, warum die Fluktuation des Liquor cerebrospinalis an erster Stelle steht. Die Resultate der Veränderungen in allen Körperflüssigkeiten können vor und nach dem Anwenden dieser Techniken für den Liquor cerebrospinalis gemessen werden, und die Testergebnisse werden für sich sprechen. Das Prinzip des Lebensatems, das dabei wesentlich ist und den hauptsächlichen Transmutationsfaktor innerhalb der Selbstorganisation des Körpers bildet, bleibt unsichtbar und nicht messbar. Das Bewusstsein des Behandlers kann dieses Prinzip der Transmutation als eine Tatsache annehmen, als etwas, was sich in der Arbeit mit dem Liquor cerebrospinalis nutzen lässt. Die Resultate sind vom Behandler durch Palpation und angewandtes palpatorisches Können, aber auch durch Labortests messbar.

Folgende Fallgeschichten, von denen einige ein reines Experiment waren, zeigen die Wirkung wiederholter Kompression des vierten Ventrikels als einzige Anwendung:

1945, als meine Tochter drei Jahre alt war, hatte sie eine Lobärpneumonie. Innerhalb von drei Tagen war sie durch den gesamten Krankheitsprozess durchgegangen und ihre Lungen waren wieder frei. Innerhalb von acht Tagen entsprach ihre Vitalität wieder komplett der physiologischen Gesundheit. Ähnliche Ergebnisse bekam ich in einer Reihe von Lobärpneumonie-Fällen bei Erwachsenen.

1955 hatte mein damals 20-jähriger Sohn schweres Pfeiffer’sches Drüsenfieber. Nach 30 Tagen drückte sein Gesamtmuster wieder Gesundheit aus, sein Differenzialblutbild inbegriffen. Er war lange vor seinen ebenfalls erkrankten Klassenkameraden wieder gesund. Dies geschah erneut in mehreren ähnlichen Fällen.

Bei über 50 Fällen von nervösem Zusammenbruch, jeweils mit dünnen, wässrigen Fluktuationsmustern mit geringer Amplitude und niedriger Voltspannung, wurde eine Kompression des vierten Ventrikels einmal wöchentlich für sechs bis neun Monate angewandt. In jedem Fall wurde ein sich selbst erhaltendes, gesundes physiologisches Fluktuationsmuster wiederhergestellt; wenngleich die Resultate sich während der ersten Behandlungshalbzeit nur langsam zeigten und ich bei manchen Patienten viel Überzeugungskraft auf bringen musste, um sie so lange bei der Stange zu halten, bis die gewünschten Resultate erreicht waren.

Eine vergleichbare Anzahl von Fällen mit rheumatoider Arthritis reagierten ähnlich positiv und erlangten ihre inhärente Vitalität wieder. Obwohl die betroffenen Gelenke weiterhin eingeschränkt waren, schmerzten sie doch sehr viel weniger. Auch zog sich die Behandlung über sechs bis neun Monate hin. Zwei der Patienten reagierten nicht so stark, aber sogar sie spürten eine Verbesserung. Wie bei dem vorhin beschriebenen Fall des 55-jährigen dauerte es auch bei ihnen zu Beginn der Behandlungen lange, bis sich der Stillpunkt einstellte. Das wurde jedoch von Woche zu Woche besser und sie reagierten auf den rhythmisch balancierten Austausch in ihrem verstopften Gewebe.

In vielen Fällen konnten sterbenskranke Krebspatienten, einige zum Beispiel mit inoperablen Gehirntumoren, in den letzten Wochen und Monaten vor ihrem Tod relativ schmerzfrei und erträglich leben.

Dieses Kontrollieren der Fluktuationen des Liquor cerebrospinalis, indem man sie hinunter bringt zu ihrer kurzen rhythmischen Zeitspanne, habe ich auf verschiedenste Art und Weise und in Hunderten von Fällen angewandt, um den unterschiedlichsten Erfordernissen gerecht zu werden. Ich benutze das nicht bei jedem Patienten, der in meine Praxis kommt, sondern immer dann, wenn es mir bewusst wird, dass es angebracht ist. Es entspricht stets der jeweiligen Herausforderung, wenn auch meist mit viel weniger dramatischen Wirkungen als in den beschriebenen Fällen. Durch Palpation und angewandte palpatorische Fähigkeiten erspüre ich jedoch, dass das erreicht wurde, was an diesem Behandlungstag notwendig war.

Das Prinzip des Lebensatems: Dr. Sutherland zufolge kann die Potency des Liquor cerebrospinalis als ein grundlegendes Prinzip in der Funktion des Primären Atemmechanismus angesehen werden. Er bezeichnete sie auch als Atem des Lebens, als ein Unsichtbares Element und gab ihr noch andere Namen, die unsere Aufmerksamkeit auf ihre hohe Bedeutung für das Funktionieren des Liquor cerebrospinalis lenken. Dr. Sutherland verbrachte viel Jahre damit, sämtliche Elemente und Komponenten des Kraniosakralen Mechanismus verstehen zu lernen: die kranialen Gelenkmechanismen und das Os sacrum, die reziproke Spannungsmembran, die Motilität des Zentralen Nervensystems und die Fluktuation des Liquor cerebrospinalis. Er arbeitete ganz für sich alleine und experimentierte mit komprimierenden Bandagen am eigenen Schädel, um Dysfunktionen der Extension, der Flexion, der Sidebending-Rotation und der Torsion zu erzeugen; er produzierte auch membranöse Gelenks-Dysfunktionen, einige davon recht extrem, und korrigierte sie dann. Mit diesen komprimierenden Bandagen studierte er die intensive Reaktion auf das Arbeiten mit dem Liquor cerebrospinalis, wenn er den Liquor hinunter brachte zu seiner kurzen rhythmischen Zeitspanne, seinem Stillpunkt, und er konnte den Melk-Effekt beobachten, den dies auf die Lymphe und andere Flüssigkeiten in seinem gesamten Körper hatte. Mit seinen denkenden, fühlenden, sehenden, wissenden Fingern arbeitete er an seinen eigenen Mechanismen, um das exakte Funktionieren aller Elemente des Primären Atemmechanismus wirklich zu kennen, bevor er mit diesem Behandlungsansatz an die Probleme seiner Patienten heranging. Sein Verständnis, seine Terminologie und seine Konzepte basieren alle auf einem teilhabenden Wissen, das er aus sich selbst schöpfte und nicht einfach nur aus den klinischen Beobachtungen bei entsprechenden Tests an anderen Menschen.

Wir können als Behandler unser teilhabendes Bewusstsein, unser Gespür und unsere angewandten palpatorischen Fähigkeiten fördern. Für die meisten von uns ist die Entwicklung unserer eigenen denkenden, fühlenden, sehenden, wissenden Finger ein schmerzlich langsamer Prozess, bis wir endlich in unseren eigenen Patienten das spüren, was uns Dr. Sutherland in Bezug auf alle Phasen des Primären Atemmechanismus vermittelt hat.

Ich persönlich finde nicht, dass Dr. Sutherland uns eine Erklärung hätte geben sollen für die überragende Stellung der Fluktuation des Liquor cerebrospinalis als Phänomen an sich oder für das Phänomen der Transmutation und des Austausches mit der Potency, dem Lebensatem oder wie auch immer ihr das nennen wollt (ich habe meinen eigenen privaten Namen dafür), was während der kurzen rhythmischen Periode, dem Still-punkt, stattfindet – und zwar zusammen mit einem sofortigen rhythmisch balancierten Austausch, der auf physiologischem Weg in allen Körperflüssigkeiten erfolgt. Dr. Sutherland vermittelte uns seine Terminologie vor vielen Jahren. Die moderne Wissenschaft ist noch auf der Suche nach Terminologien und Verständnis in allen Zweigen der Wissenschaft, wie Wheeler es in einem schon vorhin erwähnten Zitat ausdrückte:

„Wir können davon ausgehen, dass wir erst dann verstehen werden, wie einfach das Universum ist, wenn wir erkennen, wie seltsam es ist.“

Dr. Sutherland bewies die Richtigkeit seiner Konzepte aus sich selbst heraus. Wir beweisen sie durch unsere klinische Erfahrung mit unseren Patienten.

Das Prinzip des Atmens von Luft: Genauso wie das Prinzip des Lebensatems uns darüber informiert, dass der Liquor cerebrospinalis eine fluktuierende rhythmische Funktionseinheit ist, die dem Austausch mit einer Lebenskraft dient, liefert uns das Prinzip des Atmens von Luft Information in Bezug auf alle anatomisch-physiologischen zirkulatorischen und rhythmischen Funktionssysteme, die wir für unsere Anwesenheit auf dieser Erde brauchen. Um uns als ein Individuum zu manifestieren, benötigen wir nämlich einiges mehr als lediglich eine Lebenskraft. Wir brauchen Nahrung, Wasser, Luft, Licht, Dunkelheit, Mobilität, Motilität und andere Faktoren; wir haben eine Vielzahl von internen Systemen, einige willkürlich und einige unwillkürlich – alle geschaffen, um andere zu modifizieren und gleichzeitig von anderen modifiziert zu werden, wenn sie ihre zirkulatorischen und rhythmischen Dienste und Funktionen ausüben. Wir besitzen etwas, das wir Geist nennen oder Bewusstsein, und das lässt uns begreifen, dass wir nicht einfach nur unsere eigenes Produkt sind (auch wenn wir denken, das sei das Wichtigste), sondern das Produkt unseren gesamten Umgebung, und in einem rhythmisch balancierten Austausch mit dieser Umgebung stehen müssen. Dies sind einige der Elemente, die für eine integrierte Funktion der Selbstorganisation des menschlichen Lebens notwendig sind, um Gesundheit aufrechtzuerhalten und sich an Krankheit bzw. Traumen anzupassen.

Als Behandler ist uns eine ständig sich entwickelnde, riesige Auswahl an diagnostischen und therapeutischen Werkzeugen gegeben, die wir nutzen, um bei dem Menschen, der mit einem Problem zu uns kommt, einen Befund zu erheben und ihn zu behandeln. Zu den wertvollsten dieser Werkzeuge gehören unser eigenes bewusstes Wahrnehmen, unser Spüren und unsere angewandte palpatorische Fähigkeit. Mit ihnen haben wir teil am innerlichen Milieu des Patienten, sei es bei einer primären Betreuung oder bei einer ergänzenden Behandlung im Rahmen eines Untersuchungs- und Behandlungsprogramms.

Zum Zwecke dieser Erörterung habe ich die Selbstorganisation des Menschen in ein Prinzip des Lebensatems und ein Prinzip des Atmens von Luft unterteilt. In Wirklichkeit sind sie jedoch 1 : 1 in der inhärenten Fähigkeit des Individuums, das Leben physisch, mental, emotional und philosophisch auszudrücken. Als Osteopath kann ich alle Möglichkeiten der modernen Medizin und Chirurgie nutzen, um dem Patienten zu helfen, der meine Unterstützung sucht. Und als ein Beteiligter kann ich dank meines bewussten Wahrnehmens, meines Gespürs und meines angewandten palpatorischen Könnens mit den dem Patienten innewohnenden Fähigkeiten arbeiten, um in diesem dynamischen, homöostatisch gesteuerten, dem ‚einen ewigen Gesetz des Lebens und der Bewegung‘ gehorchenden Körper eine Balance der Funktion zu erreichen.

Der Liquor cerebrospinalis als eine jener inhärenten Fähigkeiten eröffnet uns noch einen weiten Raum, um seine Möglichkeiten zu erforschen.

Rollin Becker - Leben in Bewegung & Stille des Lebens

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