Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 24

8.

Оглавление

Juan de Faleiro kochte vor Wut. Am liebsten hätte er befohlen, die Riemen wieder auszulegen und weiterzupullen, aber er wußte, daß der Seegang die meisten Riemen zerstören konnte, und dann konnten sie die französische Galeone endgültig abschreiben.

Die Nacht über hatte er beim Licht der Kerzen in seiner Kammer gehockt und die Karten studiert. Es war für ihn klar gewesen, daß die Galeone unter vollen Segeln nach Westen laufen würde. Die Gelegenheit, der Galeasse zu entwischen, die bei diesen Wetterverhältnissen nur mit gekürzten Segeln laufen konnte, war zu günstig.

Aber der Sturm würde auch mal wieder nachlassen, und dann war er mit der Galeasse wieder im Vorteil.

Juan de Faleiro wurde grün im Gesicht, als er daran dachte, wie nahe er den Engländern auf der „Mercure“ schon gewesen war. Verdammt, wenn die Stückmeister der beiden Vierundzwanzigpfünder nur besser gezielt hätten! Sie würden seine Wut schon noch zu spüren kriegen. Er würde ihnen zeigen, was es hieß, in seiner Gegenwart eine solch stümperhafte Leistung zu vollbringen!

Fast sehnsüchtig wartete er auf das Morgengrauen. Unter seinen stechenden, dunklen Augen hatten sich Ringe gebildet, das Geiergesicht war bleich und sah übernächtigt aus. Immer wieder wurde er von einer Art Fieberschauern geschüttelt. Er kannte das. Er hatte oft versucht, seiner Wutausbrüche Herr zu werden, aber es war wie eine Krankheit. Er wußte, daß er sich erst wieder wohler fühlen würde, wenn er die Schuldigen an dem Debakel bestraft hatte.

Dann schlief er doch noch ein, mit dem Gesicht auf den verschränkten Armen. Er erschrak regelrecht, als er erwachte und sah, daß es draußen bereits hell war. Die Kerzen waren heruntergebrannt.

Er sprang abrupt auf. Der Stuhl polterte hinter ihm zu Boden. Wieder begann sein ganzer Körper zu zittern. Sie hatten ihn schlafen lassen! Als sei er auf der Galeasse überflüssig!

Er tobte den Aufgang zur achteren Plattform hinauf und sah sich wild um. Fast hatte er gehofft, Jesus Valencia als ersten zu Gesicht zu kriegen, aber der Erste Offizier hielt sich in der Nähe des Vormastes auf und beriet mit dem Lotsen Santiago, ob sie die Segel wieder vergrößern konnten.

Juan de Faleiro spürte die Blicke der Ruderknechte auf sich ruhen. Er sah Angst, Haß und Mordlust in ihren Augen, und das belebte ihn. Es zeigte ihm, welche Macht er über diese Menschen ausübte.

Teniente Ribera hielt sich auf der vorderen Plattform auf. Er wich dem Blick des Kapitäns aus.

„Ihr Hurensöhne!“ flüsterte Juan de Faleiro. „Irgendwann werde ich mir jeden von euch vornehmen. Und dann gnade euch Gott!“

Er dachte wieder an die beiden lächerlichen Schüsse am gestrigen Abend, die die Galeone verfehlt hatten, und plötzlich wußte er, an wem er seine Wut, die ihn fast auffraß, auslassen konnte.

„Die beiden Stückmeister der Jager zu mir auf die achtere Plattform!“ brüllte er.

Seine schrille Stimme schien die Atmosphäre auf der Galeasse von einem Moment zum anderen zu verändern. Alle Köpfe hatten sich nach dem Kapitän auf dem Tabernakel umgedreht. Jeder an Bord schien zu wissen, was folgen würde.

Zwei Männer schoben sich unter der vorderen Plattform hervor und marschierten über den Laufgang nach achtern. Teniente Ribera folgte ihnen und blieb neben Jesus Valencia stehen, der sein Gespräch mit dem Lotsen unterbrochen hatte.

„Was will er von ihnen?“ fragte Ribera leise. „Sie können doch nichts dafür, daß gestern abend ein Sturm aufzog und die Franzosen uns entwischen konnten.“

Jesus Valencia zuckte mit den Schultern.

„Sie haben ihn doch schon zur Genüge kennengelernt“, gab er leise zurück, daß es nur Ribera hören konnte. „An irgend jemandem muß er seine Wut ablassen.“

„Aber nicht an meinen Leuten!“ stieß Ribera wütend hervor. „Er sollte sich lieber um seine brutalen Aufseher kümmern, die die Atmosphäre an Bord vergiften. Wenn auch ein Haufen Verbrecher unter den Ruderern sind, im Falle eines Falles würden meine Männer mit ihnen zusammen gegen die Aufseher vorgehen.“

„Lassen Sie das nicht de Faleiro hören“, warnte Jesus Valencia. „Für diese Worte würde er Sie glatt hängen lassen.“

Teniente Ribera preßte die Lippen zusammen. Er verfluchte den Tag, an dem er den Befehl erhalten hatte, mit seinen Männern an Bord der Galeasse „San Antonio“ zu gehen. Einige Kameraden hatten ihn vor Juan de Faleiro gewarnt, aber er hatte nicht gedacht, daß ihre Schilderungen noch untertrieben waren.

Zusammen mit Jesus Valencia folgte der Teniente den beiden Stückmeistern, die vor dem Tabernakel stehenblieben und zu Juan de Faleiro aufschauen mußten.

Die stechenden Augen des Kapitäns zeigten deutlich, wie voll er mit Gift und Galle war. In seinen Mundwinkeln bildete sich Schaum, der zu einer klebrigen weißen Masse trocknete.

„Wozu sind Sie eigentlich ausgebildet worden?“ brüllte Juan de Faleiro die beiden Männer an. „Die Schüsse auf die Galeone waren das Stümperhafteste, das ich in meiner bisherigen Laufbahn gesehen habe!“

Einer der beiden Stückmeister atmete tief durch, bevor er erwiderte: „Es war unmöglich, die Galeone zu treffen, Señor Capitán. Das Schiff war schon zu weit entfernt, als wir von Ihnen den Befehl zum Feuern erhielten.“

Ein Anfall schüttelte Juan de Faleiro. Dieser freche Kerl wagte es, zu widersprechen!

„Dann hätten Sie eben die Rohre erhöhen müssen!“ brüllte er.

„Das hätte keinen Sinn gehabt, Señor Capitán“, widersprach der Stückmeister mit gepreßter Stimme. „Eine weitere Erhöhung hätte nichts gebracht, nur einen Steilschuß, und der wäre noch kürzer ausgefallen.“

Juan de Faleiro sah die beiden Männer, die unter ihm auf dem Laufgang standen, plötzlich nur noch wie durch einen roten Schleier. Ohne daß er sich dessen bewußt wurde, sprang er vor, auf einen seiner Aufseher zu. Er riß dem Mann die Peitsche aus der Hand, wirbelte herum und zog das Leder dem Stückmeister, der ihm widersprochen hatte, brutal durchs Gesicht.

Einen kurzen Moment stand der Stückmeister wie erstarrt da. Blut lief aus der Platzwunde auf seiner Wange. Dann übermannte auch ihn der Zorn. Ehe sein Kamerad ihn zurückhalten konnte, schoß seine Faust vor, traf Juan de Faleiro am Schlüsselbein und schleuderte ihn auf die Planke des Laufganges.

Für Augenblicke waren alle Männer an Bord der „San Antonio“ wie erstarrt. Jeder war sich bewußt, was diese Reaktion des Stückmeisters nach sich ziehen würde.

Juan de Faleiro hatte Mühe, sich wieder zu erheben. Hinter dem Schlag des Stückmeisters hatte eine ziemliche Wucht gesessen, und außerdem war er beim Sturz mit der Schläfe auf die Planken geschlagen.

Er torkelte, als er sich endlich wieder auf den Beinen befand. Der Zuchtmeister sprang an seine Seite und griff nach seinem Arm. Aber de Faleiro schüttelte seine Hand ab. Sein Geiergesicht war krebsrot vor Erregung. Wild schaute er sich um. Seine stechenden dunklen Augen blieben auf dem Gesicht von Jesus Valencia hängen, als suche er darin einen Ausdruck des Triumphes oder Hohnes.

Aber das Gesicht des Ersten Offiziers zeigte nichts als Erschrecken, denn er wußte, daß sich der Stückmeister in seinem Jähzorn einen schlechten Dienst erwiesen hatte. Ein Untergebener, der seinen Offizier niederschlug, mußte mit der schwersten Strafe rechnen.

Juan de Faleiro fing sich nur langsam. Für einen Moment sah es so aus, als würde er ruhig bleiben, doch von einer Sekunde zur anderen schoß eine unbändige Wut in ihm hoch, und er begann zu toben wie ein Berserker.

„Legt dieses Schwein in Ketten!“ kreischte er. „Wo ist die Peitsche? Gebt mir die Peitsche!“

Der Zuchtmeister, ein Baum von einem Kerl, stieß den anderen Stückmeister zur Seite und wollte sich nach der Peitsche bücken, die der Kapitän bei seinem Sturz auf die Planken aus den Händen hatte gleiten lassen.

Der zweite Stückmeister, der ahnte, daß auch er diesen Tag nicht ungeschoren überstehen würde, reagierte blitzschnell. Sein rechter Fuß zuckte vor und stieß die Peitsche zurück auf den Laufgang, wo sie ein Stück weiterrutschte und zwischen zwei Duchten fiel. Einer der Ruderknechte bückte sich schnell und nahm die Peitsche an sich, unbemerkt von den Aufsehern, die ihre Blicke auf den Zuchtmeister gerichtet hatten.

Der bärenstarke Kerl wurde wütend. Er langte zu, und seine kürbisgroße Faust wischte den zweiten Stückmeister von den Beinen.

Juan de Faleiros Stimme überschlug sich. Immer noch kreischte er nach einer Peitsche, die ihm schließlich einer der Aufseher reichte. Wie ein Verrückter hieb der hagere Kapitän auf die beiden Stückmeister ein.

Manuel Quintana, der Stückmeister, dem Juan de Faleiro schon mit dem ersten Peitschenschlag die Wange aufgerissen hatte, deckte sein Gesicht mit dem rechten Unterarm ab. Er war immer noch erschrocken über seine eben erfolgte Reaktion. Er wußte, daß sein Leben in dem Augenblick verwirkt gewesen war, als er den Kapitän angegriffen und niedergeschlagen hatte.

Als die Peitsche de Faleiros seinen Arm zum drittenmal traf und er spürte, wie ihm das Blut zum Ellbogen hinunterlief, setzte sein Verstand aus. Er sah alles wie durch einen roten Schleier. Fast mechanisch stieß seine linke Faust vor, als die Peitsche wieder auf ihn niederzuckte. Blitzschnell packte sie zu und schloß sich um die Lederschnur.

Er brüllte vor Schmerz auf, als Juan de Faleiro die Peitsche mit einem heftigen Ruck zurückreißen wollte. Wie ein Messer schnitt ihm die Schnur in den Handteller, doch er ließ nicht los.

Es gab einen kurzen Ruck, als Quintana die Schnur mit einer schnellen Bewegung um seine Hand wickelte. Der hagere Kapitän verlor fast das Gleichgewicht.

„Schlagt die Hunde zusammen!“ kreischte er, ließ die Peitsche los und wollte sich auf die achtere Plattform in Sicherheit bringen.

Manuel Quintana war wie von Sinnen. In seinen Augen war ein irres Glitzern. Er sah nur den kreischenden Mann, der für sein Unglück verantwortlich war, und ehe sich ihm jemand in den Weg stellen konnte, sprang er auf den Kapitän zu und riß ihn mit seinen Bärenkräften zu Boden.

Das Schreien Juan de Faleiros ging in ein Winseln über.

Der Zuchtmeister wirbelte herum. Zusammen mit zwei Aufsehern stürzte er sich auf Quintana und riß ihn an der Jacke zurück. Der Stückmeister hatte seine Hände um den dünnen Hals des Kapitäns gekrallt. De Faleiros Gesicht lief schon blau an. Krampfhaft schnappte er nach Atem.

Die Faust des Zuchtmeisters donnerte auf Quintanas Haupt und löschte sein Bewußtsein aus. Dennoch hatten die beiden Aufseher Mühe, seine Hände vom Hals des Kapitäns zu lösen.

Juan de Faleiro schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Langsam veränderte sich die Farbe seines Gesichtes wieder von Blau in ein dunkles Rot. Er wollte etwas sagen, doch nur ein Krächzen drang über seine Lippen.

Er starrte über den bewußtlos auf dem Tabernakel liegenden Quintana hinweg auf den zweiten Stückmeister, der geduckt vor zwei anderen Aufsehern stand, die Pistolen auf ihn gerichtet hatten.

„Seien Sie vernünftig, Sotero“, sagte Teniente Ribera eindringlich.

Antonio Sotero schüttelte den Kopf.

„Sie müßten den Capitán doch gut genug kennen, Teniente“, stieß er heiser hervor. „Er wird uns wegen Meuterei an die Rah hängen lassen, und niemand wird mehr danach fragen, daß er es war, der uns ungerechterweise provoziert hat. Er ist ein Teufel, und ich glaube, daß derjenige, der ihn zur Hölle schickt, ein gottesfürchtiges Werk vollbringt.“

„Versündigen Sie sich nicht, Sotero“, sagte der Teniente gepreßt. Ribera gab dem Stückmeister im stillen recht, doch ihm waren die Hände gebunden. Er konnte nur hoffen, daß es ihm gelang, den Kapitän davon abzuhalten, die beiden Männer zu töten.

Antonio Sotero senkte den Kopf.

„Er ist der Teufel“, murmelte er.

Manuel Quintana erwachte aus seiner Ohnmacht und drehte sich stöhnend auf den Rücken. Mit verzerrtem Gesicht trat Juan de Faleiro an ihn heran und stieß ihm die Spitze seines Stiefels in die Seite.

Quintana krümmte sich. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu erheben.

Teniente Ribera ging zwei Schritte auf den Kapitän zu. Sofort schoben sich die Aufseher näher an ihn heran.

„Bleiben Sie mir vom Leib!“ sagte de Faleiro mit schriller Stimme. Seine Augen weiteten sich, als er an den Aufsehern vorbei auf die Seesoldaten starrte, die wieder alle Musketen in den Händen hielten, deren Läufe wie zufällig auf die achtere Plattform gerichtet waren.

„Ich habe nicht die Absicht, Sie anzugreifen, Señor Capitán“, sagte Ribera kalt. „Ich weiß, daß Quintana und Sotero ein schweres Unrecht begangen haben, aber ich möchte Sie bitten, bei Ihrem Strafmaß zu bedenken, daß Sie es waren, der zuerst mit der Peitsche zugeschlagen hat.“

Juan de Faleiro wurde von Zorn und Haß geschüttelt.

„Sie brauchen mir keine Ratschläge zu erteilen, Señor Ribera“, erwiderte er zischend. „Auf diesem Schiff hat nur einer Befehle zu erteilen, und das bin ich! Ich habe auch das Recht, jeden hier an Bord zu züchtigen, wenn er meinen Befehlen zuwiderhandelt oder sie nicht richtig ausführt.“

Jesus Valencia, der sich bis jetzt still verhalten hatte, konnte sich nicht mehr beherrschen.

„Das gilt aber nur, wenn die Befehle vernünftig und ausführbar sind, Señor Capitán“, sagte er heftig. „Als Sie den Stückmeistern den Befehl zum Feuern gaben, war die Galeone bereits viel zu weit von uns entfernt, als daß ein Treffer möglich gewesen wäre!“

Juan de Faleiros Geierkopf ruckte herum, als hätte er nur darauf gewartet, daß sich sein Erster Offizier einmischte. Er atmete keuchend. Seine dünnen Lippen zitterten vor Wut.

„Ich weiß, Señor Valencia, daß Sie auf meinen Posten aus sind“, stieß er hervor. „Aber Sie werden Ihr Ziel nicht erreichen, das verspreche ich Ihnen. Wenn wir zurück in Cadiz sind, werde ich der Admiralität Meldung erstatten, in welcher Weise Sie sich gegen Ihren Capitán gestellt haben!“

Jesus Valencia nickte mit bleichem Gesicht.

„Auch ich werde einen Bericht verfassen, Señor Capitán“, erwiderte er. „Der Capitán eines Schiffes hat nicht nur die Macht über Leben und Tod seiner Besatzung, sondern auch die Pflicht, jeglichen Schaden von der Mannschaft fernzuhalten.“

„Señor Valencia, lassen Sie die Riemen auslegen“, sagte de Faleiro kalt. „Lassen Sie weiterrudern.“

Jesus Valencia preßte die Lippen aufeinander. Er wußte, daß er diesen Befehl auszuführen hatte und die Auseinandersetzung mit dem Kapitän nicht fortsetzen konnte. Der Wind hatte etwas nachgelassen, und es war durchaus möglich, die Galeasse mit Riemeneinsatz schneller voranzubringen. Er drehte sich abrupt um und gab seine Befehle an die Aufseher weiter, die sich über den Laufgang verteilt hatten.

Die Rudersklaven, die das Geschehen beim Tabernakel in atemloser Spannung verfolgt hatten, gehorchten, als die Aufseher ihre Peitschen schwangen und auch ein paarmal auf ihre Rücken sausen ließen.

Die Riemen klatschten ins Wasser. Jesus Valencias Befehle klangen über Deck. Die Takttrommel begann dumpf zu tönen, und dann war das gleichmäßige Eintauchen der Riemen ins bewegte Wasser zu hören. Die Ruderer hatten Mühe, sich an die unruhige See zu gewöhnen, und der Erste Offizier war voll damit beschäftigt, Ruhe in die Reihen der Rudersklaven zu bringen. Er befahl den Aufsehern, die Peitschen nicht mehr zu benutzen, und half auf einigen Duchten nach, wenn ein Riemen durch die Luft stach und aus dem Rhythmus geriet. Obwohl er immer ein Ohr auf das Geschehen auf dem Tabernakel gerichtet hatte, kriegte er nicht mit, was der Kapitän sagte.

Juan de Faleiros Wut war immer noch nicht verraucht, obwohl er inzwischen ruhiger geworden war. Im ersten Impuls hatte er die beiden aufsässigen Stückmeister an die Rah hängen lassen wollen, doch dazu hätte die Galeasse beidrehen müssen, und er hätte Zeit verloren, von der er jede Minute brauchte, um die französische Galeone wieder einzuholen.

Dann hatte er daran gedacht, daß ihm Ruderer fehlten und er seinen Zorn an einem Toten nicht mehr auslassen konnte.

„Legt die Kerle in Ketten!“ sagte er scharf zu seinen Aufsehern. „Und dann ab mit ihnen auf die Ruderbank!“

„Nein!“ Manuel Quintana brüllte dieses Wort über Deck. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung riß er sich von den beiden Aufsehern los, die ihn festgehalten hatten, und stürmte wieder auf Juan de Faleiro los.

Dieser konnte sich gerade noch mit einem Satz zur Seite in Sicherheit bringen. Eine Peitsche klatschte auf Quintanas Rücken, eine andere wikkelte sich um seine Knöchel und riß ihn von den Beinen. Schwer krachte er aufs Tabernakel.

Er schlug wie ein Verrückter um sich, als sich drei Aufseher auf ihn warfen, doch seine Kräfte waren schon erlahmt. Sie prügelten unbarmherzig auf ihn ein, bis er sich nicht mehr rührte.

Dann rissen sie ihn wieder auf die Beine. Er hing in ihrem harten Griff, den Kopf auf die Brust gesenkt, die Augen mit einem glasigen Ausdruck.

Antonio Sotero, sein Leidensgenosse, atmete keuchend. Schauer rannen über seinen Rücken, die seine Willenskraft schwächten. Er ahnte, warum ihnen der Kapitän die Todesstrafe versagte, und der Gedanke daran, daß sie die Hölle auf Erden vor sich hatten, raubte ihm fast den Verstand.

Widerstandslos ließ er sich von den Aufsehern zu einer Ruderbank führen, wo einer der Gefangenen losgeschlossen wurde. Sie stießen ihn auf die Ducht und ketteten seine Fußknöchel an. Die anderen drei Sklaven pullten inzwischen allein weiter.

Eine Peitsche klatschte auf seinen Rücken, und mechanisch griffen seine Hände nach dem Riemen. Er begann zu pullen. Seine Augen waren starr auf den narbigen Rücken seines Vordermannes gerichtet und er wußte, daß er das Tor zur Hölle durchschritten hatte.

Manuel Quintana wurde auf eine andere Ducht geschleppt. Jemand schüttete einen Eimer Salzwasser über die aufgeplatzten Striemen auf seinem Rükken. Er brüllte wie ein Stier, aber die Aufseher lachten nur hämisch.

Sein Nebenmann auf der Ducht griff mit der Linken nach seinen Händen und legte sie auf den Riemen. Das brachte ihm einen Schlag mit der Peitsche ein, aber er zuckte dabei nicht einmal zusammen.

„Ruder an, Mann!“ zischte der Ruderknecht. „Sonst schlagen sie dich zu Mus!“

Manuel Quintana klammerte sich an dem Riemen fest. Die ersten Male wurde er noch hin und her gerissen, doch dann legte er sich mit der letzten Kraft, die noch in ihm steckte, zurück und half den drei neben ihm sitzenden Sklaven, den Riemen durch das aufgewühlte Wasser zu ziehen.

Der Teniente hatte das Geschehen mit zusammengekniffenen Lippen verfolgt. Sein Inneres war aufgewühlt vom Zorn und dem Gefühl der Ohnmacht. Niemand hatte die Macht und das Recht, einen wahnsinnigen Kapitän in seine Schranken zu verweisen. Er hatte schon das Leben von ein paar Ruderknechten auf dem Gewissen, aber was zählten die schon?

„Ich sehe Ihrem Gesicht an, daß Sie mit meinem milden Urteil nicht einverstanden sind, Señor Ribera“, sagte Juan de Faleiro hämisch. „Hätten Sie vielleicht lieber gesehen, wenn wir die Meuterer an der Rahnock aufgehängt hätten?“

„Mir steht kein Urteil über Ihr Verhalten zu, Señor Capitán“, erwiderte Ribera gepreßt. „Ich habe mir nur überlegt, wer jetzt im Falle einer Auseinandersetzung mit dem Feind die beiden Vierundzwanzigpfünder bedienen soll.“

Juan de Faleiro wurde giftig.

„Soweit ich informiert bin, sollte ein Teniente im Gebrauch von Geschützen ausgebildet sein“, sagte er. „Falls das bei Ihnen nicht der Fall sein sollte, wird Ihnen wohl nichts anderes übrigbleiben, als ebenfalls auf einer Ruderbank Platz zu nehmen, damit Sie für das Schff wenigstens ein bißchen nützlich sind.“

„Das würden Sie nicht wagen!“ Ribera war einen Schritt zurückgetreten, bleich im Gesicht.

„Täuschen Sie sich nicht“, sagte de Faleiro kalt. „Ihre Hampelmänner können hundertmal ihre Musketen auf mich richten. Es würde doch niemand wagen, auf mich zu feuern. Sie sollten sich ein für allemal merken, daß auf meinem Schiff Zucht und Ordnung herrschen, Señor Ribera. Kümmern Sie sich darum, daß die Geschütze besetzt sind, wenn wir in eine Auseinandersetzung geraten. Bis dahin verbiete ich Ihnen, die vordere Plattform zu verlassen!“

Ribera erwiderte nichts. Ein paar Sekunden starrte er in die stechenden Augen des Kapitäns, dann wandte er sich abrupt ab und stiefelte an den Aufsehern vorbei zur vorderen Plattform, wo er zwei seiner Schützen an die Vierundzwanzigpfünder beorderte, um die Mannschaften dafür zu vervollständigen.

Juan de Faleiro nahm einem seiner Aufseher die Peitsche aus der Hand und schritt über den Laufgang. Drei Schritte von Manuel Quintana entfernt blieb er stehen. Ein widerliches Grinsen zog seine schmalen Lippen in die Breite. Fast gemächlich holte er aus und ließ das Leder quer über Arme und Brust des Stückmeisters sausen.

Manuel Quintana pullte weiter, als habe er das schneidende Leder überhaupt nicht gespürt. Seine Augen waren starr auf den Rücken seines Vordermannes gerichtet. Er zuckte auch nicht zusammen, als ihn die Peitsche ein zweites Mal traf.

Juan de Faleiros Wut steigerte sich, als er erkannte, daß Quintana nicht reagierte. Doch dann sah er die haßerfüllten Augen vieler Ruderknechte auf sich gerichtet. Plötzlich fror er, denn er ahnte, daß viele dieser Männer ihn töten würden, wenn sie nur die geringste Möglichkeit dazu erhielten.

Er reichte dem Zuchtmeister die Peitsche und sagte zischend: „Sobald er aussetzt, muntern Sie ihn ein wenig auf. Das gleiche gilt für das andere Schwein.“

Er wandte sich um, ging mit kleinen, schnellen Schritten zur achteren Plattform und verschwand unter Deck, ohne sich noch um jemanden zu kümmern.

Seewölfe Paket 14

Подняться наверх