Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 39

8.

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Nach der Sonne zu urteilen, die vorsichtig, fast schüchtern, hinter dem Horizont hervorlugte, schien der 4. Juni im Jahre 1592 ein Tag wie tausend andere zu werden.

Für die Handvoll Seewölfe jedoch, die noch immer in der haiverseuchten Bucht von Kanais vor Anker lagen, war es ein besonderer Tag – ein Tag, angefüllt mit vielen Gefahren und Tücken, aber auch mit Hoffnungen und Erwartungen. Sobald die Männer an die Schätze dachten, die da unten in der wrakken Galeone lagerten, kribbelte es ihnen in den Fingern.

Und heute würden sie einen neuen Versuch wagen, zu der „San Marco“ hinabzutauchen. Doch daß an diesem Tag Menschen, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatten, versuchen würden, ihre Pläne zu durchkreuzen, ahnten sie am frühen Morgen noch nicht.

Ben Brighton und seine Männer sahen noch immer in den Haien, die sich in der Bucht aufhielten, die einzige Gefahr, die ihnen drohte. Deshalb waren Bob Grey und Pete Ballie schon kurz nach dem gemeinsamen Frühstück zum Kap hinübergerudert, um die „Fütterung der Raubtiere“ zu besorgen. Sie hatten die übliche Ausrüstung in das Beiboot gepackt und vertrieben sich nun an der Seeseite des Landvorsprungs die Zeit mit einer Art Wettangeln.

An Bord der Sambuke jedoch wurden inzwischen die Vorbereitungen für einen weiteren Tauchgang getroffen. Ben Brighton und Smoky schlangen sich bereits die Leinen um die Hüften, während die übrigen Männer sorgsam nach den wohlbekannten Dreiecksflossen Ausschau hielten.

Doch die Bucht war wie leergefegt. Nirgends war ein dunkler Schatten zu entdecken, der lauernd durch das Wasser glitt. Bob Grey und Pete Ballie schienen drüben an der Futterstelle recht erfolgreich zu arbeiten.

Old O’Flynn, der dem ganzen Frieden noch lange nicht traute, hatte Flaschenbomben und Musketen herangeschleppt.

„Schließlich kann ich ja nicht tatenlos zusehen, wie euch die Haie die besten Stücke abbeißen“, knurrte er.

Ben Brighton lächelte verschmitzt. „Notfalls kannst du ihnen ja dein Holzbein über den Schädel ziehen.“

Nachdem man sich nochmals vergewissert hatte, daß kein Hai in der Nähe war, tauchten er und Smoky an der Ankertrosse entlang in die Tiefe. Das Wrack der „San Marco“ schien wie ein dunkler Koloß aus dem Meeresboden zu wachsen.

Die Messer griffbereit im Gürtel, arbeiteten sie sich zielstrebig zu der Truhe vor, die man bereits am Tag zuvor aus dem Achterschiff geholt hatte. Rasch wurde eine Hievtrosse um den Behälter geschlagen, dann griff Ben Brighton zur Leine und gab das vereinbarte Signal nach oben.

Langsam wurde die erste Truhe aufgehievt.

Nachdem die beiden Männer noch vorsichtige Blicke in ihre Umgebung geworfen hatten, tauchten sie auf, um Luft zu holen, und, so gut es ging, beim Anbordnehmen der Truhe zu helfen.

Die Sache verlief reibungslos, kein Hai hatte sich gezeigt.

Den Seewölfen gingen fast die Augen über, als sie mehr oder weniger gewaltsam den Truhendeckel lösten. Neben weiteren Edelsteinen fanden sich zahlreiche Gold- und Silbermünzen, dazu eine Menge Schmuck.

Old O’Flynn schlich um die geöffnete Truhe herum wie ein verliebter Kater um die Katze. Verlegen fuhr er sich mit der rechten Hand durch die Bartstoppeln.

Ben Brighton konnte ein Grinsen nicht länger unterdrücken.

„Na, Mister O’Flynn“, fragte er. „Hast du irgendwelche Einwände gegen den Inhalt dieser Truhe?“

„Ich und Einwände?“ fragte der Alte mit empörtem Gesicht. „Hab ich nicht von Anfang an gesagt, daß wir das Zeug raufholen müssen, wie, was?“ Er leckte sich beinahe genießerisch über die Lippen. „O heiliger Patrick“, fuhr er dann fort. „Allein dieser Flitterkram reicht ja schon für eine neue ‚Isabella‘! Da werden Hasard und die anderen Stinte aber die Augen aufreißen, wenn wir damit in Plymouth aufkreuzen.“

Ben Brighton nickte. „Schön, daß du jetzt anscheinend doch nichts mehr gegen unsere Tricks einzuwenden hast, mit denen wir die Haie ablenken.“

„Hab ich vielleicht jemals etwas gegen Tricks und gute Einfälle gehabt, he?“ knurrte der Alte. „Nur das mit der Futterstelle, das will mir noch nicht so recht in den Kopf. Da könnten wir ja nächstens genauso Futterstellen für Kakerlaken einrichten, um sie aus der Kombüse fernzuhalten.“

Al Conroy verschluckte rasch einen kleinen Lachanfall.

„Wie wär’s, wenn du schon mal in dieser Hinsicht über geeignete Maßnahmen nachdenken würdest, Donegal?“ Er sah den alten O’Flynn mit todernstem Gesicht an.

Doch dieser drehte sich um und stelzte erhobenen Hauptes zu seinen schußbereiten Musketen hinüber. Dabei brummelte er irgend etwas von „Haifischzüchtern“ und „Verarschen“ vor sich hin.

Die Arbeit ging weiter.

Genauso unverdrossen wie die Angler, Bob Grey und Pete Ballie, die Haie fütterten, wurden von Bord aus die Tauchgänge fortgesetzt. Als die Mittagszeit herannahte, hatte man drei weitere Truhen heraufgeholt. Ihr Inhalt übertraf die kühnsten Erwartungen der Seewölfe, die mittlerweile in eine Art Goldrausch geraten waren. Immerhin hatten sie bereits vier Schatztruhen an Bord gehievt, von denen jede ein Vermögen enthielt. Hinzu kamen noch die Sachen, die sie schon am Vortag in Segeltuchsäcken geborgen hatten.

Obwohl die Sonne bereits hoch am Himmel stand, und den Männern der Schweiß in Strömen über den Körper rann, dachten sie noch nicht an eine Pause. Immerhin befanden sich noch fünf Truhen im Achterschiff der gesunkenen Galeone, und wenn sich die Haie noch ein wenig hinhalten ließen, konnten die Tauchgänge fortgesetzt werden.

„Wenn es uns gelingt, noch eine oder zwei der Truhen hochzuholen“, meinte Ben Brighton, „dann sollten wir uns zufriedengeben. Die Haie werden sich nicht ewig von uns foppen lassen, und Donegal hat insofern schon recht, wenn er sagt, daß man das Schicksal nicht herausfordern sollte. Es wäre nicht zu verantworten, wenn wegen dieses Zeugs da am Ende doch noch was passieren würde.“

Es sollte tatsächlich noch etwas passieren, und zwar schneller, als die Seewölfe dachten. Bis jetzt waren sie so mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen, daß noch niemand bemerkt hatte, was sich da in der glühenden Mittagshitze an Land und auf See zusammenbraute.

Erst ein lauter Ausruf Old O’Flynns schreckte die Männer, die sich gerade auf einen neuen Tauchgang vorbereiten wollten, hoch.

„Zwei Kamelreiter in Sicht!“ meldete der Alte mit dem verwitterten Gesicht. „Endlich sieht man außer Haien und goldgierigen Rübenschweinen mal wieder menschliche, Wesen. Was die Kerle wohl von uns wollen, he?“

Jetzt sahen auch die übrigen Seewölfe die beiden Reiter, die drüben an der Küste hinter den Dünen aufgetaucht waren.

Auch für Pete Ballie und Bob Grey sollte das Angeln und Fischefüttern rasch zu Ende gehen.

Pete, der von der Futterstelle zum Angelplatz zurückkehrte, erblickte als erster die beiden einmastigen Küstensegler, die sich der Bucht von Osten her näherten.

„Wir kriegen Besuch!“ rief er Bob Grey zu, der gerade einen zappelnden Fisch vom Haken nahm. „Die zwei Nußschalen halten direkt auf die Bucht zu. Ob die wohl was gegen uns im Schilde führen?“

Bob Grey warf seinen Fisch in die Bütte und erhob sich.

„Frag mich was Leichteres, Pete“, sagte er mit einem Schulterzucken. „Ob die Kerle in friedlicher oder feindlicher Absicht erscheinen, das weiß im Moment außer Allah höchstens noch Old Donegal – vorausgesetzt, sein Holzbein hat ihn nicht im Stich gelassen.“

Der kleine, stämmige Rudergänger grinste. „Die Vorsicht ist auf jeden Fall der bessere Teil der Tapferkeit. Es kann nicht schaden, wenn wir unseren Leuten ein Signal geben. Wer weiß, ob die vor lauter Flitterkram noch sehen, was sonst noch auf der Welt vor sich geht.“

Bob Grey nickte.

„Ich komme mit dir, Pete“, erwiderte er. „Falls uns die Burschen auf den beiden schwimmenden Mucks nur eben den Segen Allahs wünschen wollen, können wir ja wieder weiterangeln.“

Die beiden Männer kletterten vorsorglich zur Bucht hinunter, um die Crew zu wahrschauen. Doch dazu sollte ihnen keine Zeit mehr verbleiben.

Kaum spürten sie den heißen Sand des Strandes unter ihren Füßen, da drangen wilde, fremdartige Schreie an ihre Ohren.

Pete Ballie und Bob Grey, die bis jetzt ihr Hauptaugenmerk auf die beiden Küstensegler gerichtet hatten, wirbelten herum. Schlagartig erkannten sie, daß die größere Gefahr im Moment von der Küste aus drohte – zumindest, was sie beide betraf.

Zwei Kamelreiter hielten auf die Bucht zu. Sie ritten ein wildes Tempo und schwangen drohend ihre Säbel und Lanzen. Dabei stießen sie immer wieder laute, schrille Rufe aus. Und sie waren nicht allein. Hinter den Dünen tauchten weitere Reiter auf, die wie Besessene auf ihre Kamele eindroschen. Die Horde schien es zunächst auf die beiden Seewölfe abgesehen zu haben, denn die Sambuke war im Moment noch unerreichbar für sie. Jedenfalls hielten sie direkt auf Pete Ballie und Bob Grey zu.

„Verdammt und zugenäht!“ stieß der blonde, drahtige Bob Grey hervor. „Die Kameltreiber sind scharf auf uns. Die wollen uns bestimmt nicht zum Hammelbratenessen abholen!“

„Ganz bestimmt nicht!“ sagte Pete Ballie grimmig. „Und wir Helden haben vor lauter Fürsorge um den Appetit der Haie die Musketen im Beiboot gelassen. Wenn uns die Kerle hier schnappen, geht’s uns dreckig.“

„Na, dann nichts wie ab!“ Bob Grey setzte sich sofort in Bewegung. „Wenn wir unsere morschen Knochen auf Trab bringen, erreichen wir vielleicht doch noch vor den Kamelen das Boot.“

Die beiden Seewölfe stürmten durch den Sand, so rasch sie die Füße trugen. Das Geschrei hinter ihnen wurde immer lauter: Kein Wunder, denn die Kamele hatten wohl doch längere Beine als Pete Ballie und Bob Grey.

Auf der Sambuke hatte man inzwischen die Gefahr erkannt, die den beiden drohte. Seit Old O’Flynn die ersten beiden Kamelreiter gesichtet hatte, waren die Kerle keinen Moment aus den Augen gelassen worden. Als weitere sechs Reiter aufgetaucht waren und ebenfalls auf die beiden Seewölfe zuhielten, wartete Ben Brighton nicht länger ab.

„Wir müssen die Burschen aufhalten!“ rief er. „Sonst haben Bob und Pete keine Chance, das Boot zu erreichen! An die Musketen! Feuer!“

Grelle Feuerzungen stachen aus den Rohren und erfüllten die stille Bucht mit einem ohrenbetäubenden Krachen. Aber es war so gut wie unmöglich, aus dieser Entfernung einen Treffer zu erzielen. Zudem ritten die Kerle noch wie die Teufel. Ihr Geschrei wurde nur noch lauter und fanatischer, nachdem das Krachen und Bersten der Musketenschüsse verklungen waren.

„Wir müssen etwas näher ran, sonst können wir von hier aus nicht viel ausrichten!“ rief Sam Roskill.

„Näher ran ist gut“, sagte Al Conroy. „Sollen wir vielleicht die Ankertrosse kappen?“

„Du bist wohl verrückt!“ sagte Sam Roskill empört. „Unseren guten alten Stockanker lassen wir hier nicht zurück. Ich erledige das schon, seht ihr inzwischen zu, daß die Kerle da drüben Zunder kriegen.“

Bevor jemand etwas einwenden konnte, sprang Sam Roskill ins Wasser und tauchte, um den verklemmten Anker aus der Geschützpforte des Wracks zu wuchten. Haie waren, wie ihm ein rascher Blick bestätigt hatte, keine in der Nähe. Offenbar hielten sie sich noch an der Futterstelle auf.

Noch während die Crew weitere Schüsse zu den Kamelreitern hinüberschickte, gelang es Sam Roskill, den Anker freizukriegen. Von Old O’Flynn und Smoky wurde er sofort hochgehievt. Augenblicke später tauchte auch Sam wieder auf und enterte eilig an Bord.

Seewölfe Paket 14

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