Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 34
3.
ОглавлениеAm nächsten Morgen waren die Seewölfe früh auf den Beinen. Obwohl mancher, dank des ägyptischen Rotweins, noch einen ziemlichen Brummschädel hatte, gab es doch alle Hände voll zu tun. Eine frische Brise hatte das Tuch der beiden Segler gefüllt und schob sie durch den Hafen von Alexandria – hinaus auf die weite Fläche des Mittelmeeres.
Die Feluke, unter dem Kommando des Seewolfs, lag ungefähr eine halbe Kabellänge in Führung, doch die wendige Sambuke, für die Ben Brighton die Befehlsgewalt übernommen hatte, holte rasch auf.
Der neue Tag kroch langsam über die Kimm, und seine ersten hellen Schatten tauchten die Wasserfläche in ein trübes Grau. Doch das würde sich rasch ändern, wenn erst der Glutball der Sonne aus seiner Versenkung auftauchte.
Schon bald begannen sich die Wege der beiden Segler, wie vorher vereinbart, zu trennen. Ein letztes Mal dröhnten laute „Arwenack“-Rufe durch den beginnenden Morgen, begleitet von einem etwas wehmütigen Winken.
Während die Feluke, die der Seewolf dem Händler Ismail abgekauft hatte, auf die See hinaussegelte, wählte der ruhige und bedächtige Ben Brighton aus Sicherheitsgründen einen Kurs, der an der Küste entlangführte. Er war nun mal ein vorsichtiger Mensch, das entsprach ganz seiner Wesensart.
Noch einmal hob der untersetzte, breitschultrige Mann, der auf der Steuerbordseite an der Holzreling stand, die Hände und winkte zu der Feluke hinüber. Dann wandte er sich der kleinen Besatzung der Sambuke zu.
Sie bestand aus Pete Ballie, Al Conroy, Smoky, Sam Roskill, Bob Grey, Will Thorne und Old O’Flynn.
Sie alle waren gestandene Seeleute, und Ben Brighton konnte sich absolut darauf verlassen, daß auch an Bord der Sambuke jeder von ihnen seinen Platz ausfüllen würde. Die gemeinsamen Jahre auf See, das Abwettern von unzähligen Stürmen und Gefahren, hatten sie, trotz persönlicher Eigenheiten und „Mucken“, zu einer erstklassigen Crew geformt.
Auch Old Donegal Daniel O’Flynn, der rauhbeinige Alte mit dem Holzbein, hatte der Feluke lange nachgesehen. Nun aber stieß er sein Holzbein auf die Planken und wandte sich um. Auf seinem verwitterten Gesicht, das aus Granit und Eisen gemeißelt zu sein schien, lag ein undefinierbarer Ausdruck.
„Wir alle werden es schaffen“, sagte er zuversichtlich. „Die beiden Schiffchen sind ganz in Ordnung. Und wenn wir uns in der ‚Bloody Mary‘ des dicken Plymson wiedertreffen, dann wird auf die Pauke gehauen!“
Der Alte, zu dessen Gewohnheiten es gehörte, seine oft recht düsteren Ahnungen kundzutun, schien heute recht zuversichtlich zu sein. Irgendwie tat ihnen das allen gut, denn im Moment fühlten sie sich noch immer wie ein Baum, den man zur Hälfte abgesägt hat.
Auch Ben Brighton war bestrebt, seine Männer auf andere Gedanken zu bringen. Während von der Feluke Hasards, die jetzt Nordwestkurs segelte, nur noch schwache Umrisse zu erkennen waren, warf er einen prüfenden Blick zum östlichen Horizont.
„Bald wird uns die Sonne mächtig einheizen“, sagte er. „Das erinnert mich daran, daß mir schon lange der Magen knurrt. Wenn niemand was dagegen hat, sollten wir uns ernsthaft um ein kräftiges Frühstück kümmern.“
„Das nenne ich vernünftig“, erklärte der alte O’Flynn. „Ordentliche Mahlzeiten gehören zur täglichen Arbeit eines christlichen Seemannes. Ha, wenn ich daran denke, wie wir uns auf der guten alten ‚Empreß of Sea‘ manchmal den Bauch vollgeschlagen haben, da …“
Ben Brighton unterbrach ihn lächelnd. „Nur wäre da noch eine wichtige Frage zu klären, bevor wir unsere Mucks und Teller füllen.“
„Eine wichtige Frage?“ Old O’Flynn blickte ihn erstaunt an. „Seit wann gibt es vor dem Essen Fragen abzuklären, he? Mit Magenknurren klärt sich nichts, sage ich dir, überhaupt nichts!“
„Auch wenn du noch so verfressen tust, Donegal“, fuhr Ben Brighton fort, „werden wir wohl nicht an dieser Frage vorbeikommen. Wie euch sicher schon aufgefallen ist, befindet sich der Kutscher, unser Koch und Feldscher, an Bord der „Mercure“. Und wenn wir warten wollen, bis in unserer winzigen Kombüse etwas von selber bruzzelt, dann knurrt uns der Magen noch am Jüngsten Tag. Mit anderen Worten: Wer von euch ist bereit, uns mit seinen Kochkünsten zu verwöhnen?“
Zunächst sahen sich die Männer reihum verblüfft an, und auch dem alten O’Flynn waren die weiteren Worte im Hals steckengeblieben. Ja, daran hatte eigentlich noch keiner gedacht. An Bord der „Isabella“ war alles wie von selber gelaufen. Auch während der Zeit, in der sie sich mit den Beibooten bis Alexandria durchgeschlagen hatten, war es für den Kutscher selbstverständlich gewesen, sich um das leibliche Wohl der Crew zu kümmern. Aber jetzt waren sie nur noch ein kleines Häufchen, und irgendeinen von ihnen würde zwangsläufig das Los treffen und zum Kombüsendienst verdonnern. Daran führte kein Weg vorbei, wenn sie nicht von früh bis spät auf altem, vergammelten Brot herumkauen wollten.
Doch das Problem löste sich rasch. Noch bevor eine große Debatte darüber beginnen konnte, meldete sich Will Thorne, der grauhaarige Segelmacher, zu Wort.
„Ich übernehme das schon“, sagte er. „Am Tuch gibt’s hier vorerst sowieso nicht viel zu tun, und außerdem habe ich es früher schon einmal mit meinen Kochkünsten versucht.“
„Hä?“ fragte der alte O’Flynn entgeistert. Sein verwittertes Gesicht legte sich in tausend skeptische Falten. „Ausgerechnet du willst dich erdreisten, uns mit deinem Schlangenfraß zu vergiften? Du bist wohl scharf darauf, uns hinterher in Segeltuch einzunähen und über die Rutsche gehen zu lassen, wie?“
Will Thorne, ein ruhiger, besonnener Mann, lächelte nur.
„Mir geht es doch nicht wie dir, Donegal“, sagte er. „Du würdest dich beim Kochen doch aus Versehen glatt selber in die Pfanne hauen.“
„Das hör sich doch einer an!“ nörgelte Old O’Flynn. „Als wenn ich noch nie was Brauchbares aus den Töpfen gezaubert hätte. Wenn ich zurückdenke, an die stolze „Empreß …“
Wieder wurde der streitbare Alte von Ben Brighton unterbrochen. Mit einem leicht tadelnden Blick sagte er: „Wir sollten jetzt nicht zurückdenken, Donegal, sondern uns lieber mit unserer unmittelbaren Zukunft beschäftigen, sonst wird es niemals etwas mit einem ordentlichen Frühstück. Ich finde es großartig, daß sich Will freiwillig gemeldet hat, und ich bin überzeugt, daß er auch vom Töpfeschwenken was versteht.“
„Eben“, sagte Will Thorne zufrieden, „und wenn es Donegal nicht schmeckt, kann er mein echt englisches Frühstück ja außenbords kippen.“
„Da wird er sich hüten“, meinte Al Conroy, der stämmige, schwarzhaarige Waffen- und Stückmeister, „sonst würden sich ja wohl noch die Wassermänner und Meerjungfrauen den Magen dran verderben.“
Damit war das Thema zunächst erledigt, und Will Thorne begann gleich darauf in der kleinen Kombüse zu hantieren.
Die Sonne war inzwischen wie ein feuerroter Ball hinter der Kimm erschienen und warf einen rötlichen Schimmer auf die Wasserfläche. Die Sambuke gelangte gut voran, sie segelte mit Backstagsbrise auf westlichem Kurs. Anfänglich war sie in Küstennähe noch einigen Einmastseglern und zahlreichen Fischerbooten begegnet, die ebenfalls schon bei Tagesanbruch ausgelaufen waren, doch jetzt schien es, als sei sie das einzige Schiff vor der nordafrikanischen Küste.
Pete Ballie, der stämmige Bursche mit Fäusten so groß wie Ankerklüsen, stand an der langen Ruderpinne und hatte seinen Spaß daran, daß die Sambuke bei ihrem geringen Tiefgang so gute Fahrt lief. Pete Ballie war schon bei Francis Drake als Rudergänger gefahren, und er hatte es auch auf der verlorenen „Isabella VIII.“ meisterhaft verstanden, das von Ferris Tucker, dem Schiffszimmermann, konstruierte Ruder zu handhaben. Die Arbeit an der Ruderpinne der Sambuke betrachtete er als eine Art Kinderspiel.
Auch die übrigen Männer hatten sich ihrer Arbeit zugewandt: Smoky, ein Rauhbein, das früher als Decksältester unter Francis Drake gefahren war, Sam Roskill, ein schlanker, dunkelhaariger Draufgängertyp und ehemaliger Karibik-Pirat, Bob Grey, der als hervorragender Messerwerfer galt, Al Conroy und der alte O’Flynn, unter dessen rauher Schale sich ein weicher Kern verbarg.
Will Thorne hatte es in einer erstaunlich kurzen Zeit geschafft, eine schmackhafte Morgenmahlzeit aus seinen Pfannen und Töpfen zu zaubern. Die Männer waren überrascht, und selbst Old O’Flynn griff ordentlich zu, allerdings, ohne ein einziges Wort von sich zu geben.
„Na, wirkt es schon, Donegal?“ fragte Will Thorne.
„Hä? Was soll wirken?“
„Nun, eigentlich müßtest du bereits ein mächtiges Bauchgrimmen haben, denn damit fängt es doch meistens an. Ich hab extra für dich eine doppelte Brise Gift untergerührt und kann es kaum noch erwarten, dich in mein bestes Stück Segeltuch einzunähen, wenn es endlich soweit ist.“
„Ha, du Stint, da kannst du lange warten“, knurrte der Alte kauend. „Näh dir aus dem Tuch lieber ein Segel für deinen Nachttopf und hör auf, christliche Seeleute zu verulken. Schlimm genug, wenn ich mich mit diesem Fraß hier am Leben erhalten muß!“ Gleich darauf holte er sich einen kräftigen Nachschlag. Das Grinsen der übrigen Besatzungsmitglieder übersah er geflissentlich.
„Ja, ja“, fuhr er schließlich fort, indem er sich mit der Hand zufrieden über den Bauch strich, „so ein niedliches Wickelkindchen müßte man sein. Vielleicht hätte sich dann auch eine hübsche Pharaonentochter gefunden, die einen, wie damals Moses, in ein Schilfkörbchen gepackt und nach Hause verfrachtet hätte. In einem Schilfkörbchen wäre es bestimmt gemütlicher als auf diesem lausigen Seelenverkäufer hier.“
„Du scheinst dich aber, satt wie du bist, recht wohl zu fühlen, Donegal“ meinte Ben Brighton, „auch wenn wir dir kein weiches Schilfkörbchen als Koje zur Verfügung stellen können.“
Auch Smoky konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen.
„Eben“, sagte er, „wenn unsere Sambuke ein lausiger Seelenverkäufer ist, dann hättest du besser damals auf der Arche des Noah anheuern sollen. Da durften nämlich, wie der Kutscher einmal erzählt hat, von jeder Tierart ein männliches und ein weibliches Vieh an Bord gehen. Wenn du dich da unter die Kamele oder Wassermänner gemischt hättest, wär es vielleicht gar nicht aufgefallen.“
„Hör auf, das Schicksal herauszufordern“, tadelte der Alte. „Mit der Sintflut ist nicht zu spaßen, so was würde uns mit dieser Nußschale hier gerade noch fehlen. Da könnten wir alle lenzen, bis uns die Zungen aus dem Halse heraushängen würden. Damals hat es, wie es in der Bibel steht, vierzig Tage und vierzig Nächte strömend geregnet, bis die ganze Erde überschwemmt war.“
„Na, irgendwo wird es schon noch ein trockenes Fleckchen gegeben haben“, sagte Sam Roskill.
„Eben nicht!“ giftete der alte O’Flynn. „In der Bibel steht doch, daß der ganze Erdboden mit Wasser bedeckt war. Deshalb sind ja auch alle, die nicht in der Arche waren, jämmerlich ersoffen. Aber nur, weil sie so boshaft waren wie du.“
„Alles war unter Wasser?“ fragte Sam skeptisch.
„Klar, du Riesenhirsch! Wenn die große Sintflut nur eine örtliche Überschwemmung gewesen wäre, dann hätte das die lausigen Sünder, die der große Jehova damit bestrafen wollte, nicht weiter gestört. Sie wären einfach abgehauen und hätten sich auf dem Trockenen niedergelassen. Das gilt für das ganze Viehzeug, das Noah in die Arche genommen hat, genauso. Vor allem die Vögel hätten ja mit Leichtigkeit wegfliegen können. So aber hat es sie alle erwischt – bis auf einen, der heute noch sein großes Maul aufreißt, nämlich einen gewissen Mister Roskill.“
So, nun hatte er es diesem Zweifler aber besorgt. Old Donegal brummte zufrieden, während er einen letzten Schluck aus seiner Muck nahm.
Die Sambuke lief nach wie vor gute Fahrt, und der Rest des Tages, an dem die Sonne erbarmungslos vom Himmel brannte, verlief ohne Zwischenfälle.
Erst am späten Abend erreichte die Sambuke die Bucht von Kanais. Noch vor Einbruch der Dunkelheit ließ Ben Brighton an einer günstigen Stelle unter der Küste den Anker werfen. Er zog es vor, nur tagsüber zu segeln und die Nacht möglichst hinter der Deckung eines vorgeschobenen Kaps zu verbringen. Das hatte unter anderem den Vorteil, daß man vor dem auflandigen Wind geschützt war.
Der Anker faßte gut, trotzdem beschloß Ben Brighton aus Sicherheitsgründen, die Nacht über eine Ankerwache aufziehen zu lassen, die alle drei Stunden gewechselt werden sollte. So würde jeder der Männer genügend Schlaf haben.
Die Gegend um das Ras el Kanais, war, soweit das die Seewölfe übersehen konnten, menschenleer.