Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 36

5.

Оглавление

Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Nur selten wurde die Hitze, die sie erzeugte, durch eine schwache Brise aus nordwestlicher Richtung unterbrochen.

Den Männern an Bord der Sambuke glänzte längst der Schweiß in den Gesichtern, auch dem alten O’Flynn und Will Thorne. Mit eifrigen Gesichtern überwachten die beiden die Leinen, die Smoky und Pete Ballie mit in die Tiefe genommen hatten.

Der Zeit nach mußten die Taucher jeden Moment wieder an der Wasseroberfläche erscheinen, um Luft zu holen. Einmal bereits hatten sie die Köpfe aus dem Wasser gestreckt, waren aber, sehr zum Leidwesen Old O’Flynns, sofort wieder weggetaucht. Jetzt aber war es an der Zeit für ein weiteres Luftschnappen.

„Wenn die Rübenschweine diesmal wieder wegtauchen wollen, halte ich sie an den Leinen fest“, prophezeite Old Donegal. „Erst sollen sie mal sagen, was da unten los ist, dann können sie meinetwegen wieder verschwinden.“

„Aber, aber, Donegal“, sagte Ben Brighton, „du wirst uns doch hoffentlich nicht vor Neugierde platzen. Von dieser Seite kenne ich dich noch gar nicht.“

„Neugierde? Sagtest du Neugierde?“ Der Alte warf Ben einen strafenden Blick zu. „Ho, Mister Brighton, du wirst doch wohl nicht behaupten wollen, ich sei neugierig! No, Sir, nicht die Spur bin ich das! Was du in deinem jugendlichen Leichtsinn als Neugierde bezeichnest, ist nichts anderes als Gemeinschaftssinn, jawohl, genau das ist es! Schließlich haben wir nicht jeden Tag das Vergnügen, Schätze vom Meeresgrund heraufzuholen. Und wenn das schon einmal der Fall ist, dann liegt das in unser aller Interesse.“

Ben Brighton grinste. „So also ist das. Gut, daß mir endlich mal jemand verklart, was Gemeinschaftssinn ist! Ich hab das bisher doch glatt mit Neugierde verwechselt. Außerdem wußte ich gar nicht, daß man euch damals auf der ‚Empreß of Sea‘ so eine gewählte Ausdrucksweise beigebracht hat. Und woher weißt du übrigens, daß Schätze da unten in dem Wrack liegen? Hängt dieses Wissen vielleicht wieder mit deinem Holzbein zusammen, he?“

Die Männer lachten über das verdutzte Gesicht des Alten, und für einen Moment verschwand sogar die Spannung, die bis jetzt in ihren Gesichtern gelegen hatte. Doch als plötzlich kräftig an den Leinen geruckt wurde, verstummten sie augenblicklich.

„Aha, jetzt ist es so weit“, sagte Old O’Flynn befriedigt. Dann begann er eilig, die Leine einzuholen, die er zu überwachen hatte.

Smoky und Pete Ballie waren rasch an der Oberfläche – und sie erschienen nicht mit leeren Händen. Doch das, was sie mitbrachten, löste beileibe nicht die Spannung unter den Seewölfen, sondern heizte sie nur noch kräftig an.

„Fang mal, Mister O’Flynn!“ rief Smoky mit nassem, aber lachendem Gesicht. Im selben Moment flog ein kleiner, glitzernder Gegenstand durch die Luft und kullerte auf die Planken der Sambuke.

Al Conroy bückte sich als erster danach und hielt gleich darauf das blitzende und funkelnde Ding in der Hand. Er stieß einen lauten Pfiff durch die Zähne.

„Bei allen Kameltreibern des Orients!“ rief er. „Ich reite auf einem Hering durch das Mittelmeer, wenn das kein Edelstein ist!“

Die übrige Crew sah ihn überrascht an, obwohl jeder im stillen lohnende Funde erhofft hatte. Old O’Flynn gewann als erster wieder seine Fassung.

„Na, was habe ich die ganze Zeit gesagt, Gentlemen?“ rief er mit einer Portion Stolz in der Stimme. „Da gibt es bestimmt noch mehr zu holen.“ Er wandte sich Smoky und Pete Ballie zu, die sich die Lungen mit Luft vollpumpten. „Was wartet ihr noch, ihr Lahmärsche? Los, wieder runter mit euch, und bringt beim nächstenmal gefälligst ein paar mehr von diesen hübschen Klunkerchen mit. Hurtig, hurtig!“

Ben Brighton mußte den Eifer des Alten wieder einmal abbremsen.

„Nur langsam, Donegal“, sagte er mit ruhiger Stimme, „laß die beiden erst einmal tief durchatmen. Schließlich steht niemand mit der Neunschwänzigen hinter uns, um uns anzutreiben.“

„Genau!“ pflichtete ihm Al Conroy bei. „Laß sie erst mal erzählen, was sie alles entdeckt haben. Vielleicht haben sie sogar ein paar nette Ohrringe für dich gefunden – aus Gold, versteht sich. Wir machen dann eine hübsche Lady aus dir.“

Das Lachen der Seewölfe ging jedoch schnell in ein andächtiges Staunen über, als Smoky und Pete Ballie zu berichten begannen.

Sam Roskill und Bob Grey, die als erste zu der wracken Galeone hinabgetaucht waren, hatten sich nicht geirrt. Die Kisten, Truhen und Fässer, die sie im zerborstenen Leib der „San Marco“ entdeckt hatten, waren tatsächlich nicht leer. Smoky und Pete Ballie war es gelungen, einige der Truhen zu öffnen, die in den Räumen unter dem Achterkastell verstaut waren. Fast hätten sie vor lauter Überraschung Wasser geschluckt, als sie den Inhalt erblickten. Zum Glück jedoch hatten sie sich rasch wieder daran erinnert, daß sie sich ein ganzes Stück unter der Wasseroberfläche befanden.

Die Kisten und Truhen waren vollbepackt mit Gold- und Silberschmuck, mit Edelsteinen, Perlen und zahlreichen anderen Wertgegenständen. Die „San Marco“ mußte tatsächlich eine schwimmende Schatzkammer gewesen sein.

Die Männer gerieten in helle Aufregung. Die Schätze würde man bergen, das war keine Frage mehr für sie.

Will Thorne, der grauhaarige Segelmacher, zitierte, wohl zum erstenmal in seinem Leben, seine Großmutter.

„Oft liegt das Geld auf der Gasse, man braucht sich nur danach zu bükken“, sollte die selige Lady des öfteren gesagt haben.

Doch ganz so einfach war der Fall hier an der nordafrikanischen Mittelmeerküste keineswegs.

„Sagen wir lieber, manchmal liegt es auf dem Meeresgrund, man braucht nur danach zu tauchen“, korrigierte Ben Brighton. „Vorausgesetzt, es tauchen keine Dreiecksflossen auf. Wenn in dieser Hinsicht keine Gefahr besteht, können wir es ja versuchen.“

An Bord der Sambuke herrschte im Handumdrehen ein reges Treiben. Niemand störte sich mehr an den sengenden Strahlen der Sonne, die ihnen immer wieder den Schweiß in die Gesichter trieb. Alle waren plötzlich nur noch von dem einen Gedanken besessen, die gewaltigen Schätze der venezianischen Galeone aus der Tiefe zu holen. In den Laderäumen der Sambuke gab es genug Platz dafür.

Schon bald herrschte auf dem Zweimast-Segler ein reger Betrieb. Die Seewölfe tauchten wie die Irren, und diese Arbeit war beileibe kein Zuckerschlekken. Brauchten zwei Männer etwas Ruhe und frische Luft, waren sofort zwei andere an der Reihe. Und nie kehrten sie mit leeren Händen zurück.

Gegen Mittag ordnete Ben Brighton eine längere Ruhepause an, damit sich die strapazierten Lungen der Taucher etwas erholen konnten. Old O’Flynn, der zusammen mit Will Thorne an den Leinen auf Station war, weil sie beide etwas zu alt für die anstrengenden Tauchgänge waren, hatte dafür kein allzu großes Verständnis.

„Die jungen Heringe haben keine Ausdauer mehr“, sagte er. „Außerdem hat vom Tauchen noch niemand eine Lungenschwindsucht gekriegt.“

Doch schließlich hatte auch er nichts dagegen einzuwenden, daß sich Will Thorne in seine Kombüse verholte, um ein Mittagsmahl zuzubereiten. Wenn all das Gold und die Edelsteine noch so betörend funkelten – satt wurde man davon jedenfalls nicht, wenn der Magen kräftig zu knurren begann.

Wenn sie die gesamten Schätze der „San Marco“ bergen wollten, dann lag noch ein gewaltiges Stück Arbeit vor ihnen, darüber waren sie sich im klaren. Nun war es schon fast Mittag geworden, und sie hatten erst ein knappes Viertel vom Inhalt der Truhen und Kisten an Bord der Sambuke geschafft. Dabei hatten sie Segeltuchsäcke zu Hilfe genommen. Dennoch war die Taucherei bis jetzt eine ziemlich anstrengende und mühsame Arbeit gewesen, und fast alle waren froh über die Ruhepause, auch wenn sie das nicht zugaben.

Die Männer hatten sich einfach auf die Decksplanken fallen lassen und reckten genüßlich alle viere von sich. Trotz des Ruhebedürfnisses ebbten jedoch die Gespräche und Debatten über die „San Marco“ und ihre Schätze nicht ab.

Der einzige, der schon eine Weile schwieg, war Al Conroy, der altbewährte Waffenmeister der verlorenen „Isabella“. Er starrte schon eine Zeitlang reglos zum blauen Himmel hoch.

„Was gibt’s denn da oben?“ fragte Pete Ballie, dem das lange Schweigen merkwürdig erschien. „Hast du etwa eine Verabredung mit einem blonden Engelchen, das dir von einer Wolke aus zugewinkt hat?“

Al Conroy nahm seine Frage jedoch nicht zur Kenntnis. Plötzlich richtete er sich ruckartig auf.

„Ich hab’s!“ sagte er. „Jawohl, ich hab’s!“

Pete Ballie blickte ihn argwöhnisch an. „Was hast du? Einen Sonnenstich vielleicht?“

„Blödsinn“, erwiderte Al Conroy. „Aber ich weiß jetzt, wie wir uns die Arbeit erleichtern können. Wenn wir nämlich so weiter herummurksen wie bisher, werden wir uns die Seele aus dem Leib schuften. Doch es geht auch einfacher, viel einfacher sogar!“

Der stämmige Rudergänger sah ihn verständnislos an. „Wie meinst du das?“

„Nun“, fuhr Al Conroy fort, „wir könnten doch versuchen, die Truhen auf das Achterdeck des Wracks zu schieben. Dann könnten wir sie mit Trossen umfangen und mit Hilfe von Taljen aufhieven. Das spart uns viel Zeit, Kraft und jede Menge Tauchgänge.“

Pete Ballie war beeindruckt.

„Das hätte dir aber auch früher einfallen können, du alter Rübenkopf“, brummte er und warf einen Blick zu Will Thorne hinüber, der gerade mit einer riesigen Schüssel die Kombüse verließ.

Will Thorne, der alte, grauhaarige Segelmacher, war ein stiller und besonnener Mann. Er hatte in all den Jahren, in denen die Seewölfe-Crew die Welt umsegelte, ruhig und ohne besonders aufzufallen, seine Arbeit getan, sei es als Segelmacher, als erfahrener Seemann oder aber als schlagkräftiger, mit Überlegung handelnder Kämpfer, wenn es nötig gewesen war, das Schiff oder die Besatzung aus einer mißlichen Lage herauszuhauen. Auch wenn es gegolten hatte, Piraten und Schnapphähnen einen Denkzettel zu verpassen oder den Dons fette Beute abzujagen, hatte der stille Mann stets voll seinen Platz ausgefüllt.

Doch niemand hätte gedacht, daß Will Thorne einen guten Koch abgeben würde, nein, das hatte ihm einfach niemand so recht zugetraut. Die Kochkünste jedoch, mit denen er die kleine Crew an Bord der Sambuke verwöhnte, seit sie den Hafen von Alexandria verlassen hatte, verblüfften die Männer immer wieder. Zugleich lernten sie daraus, daß es doch eigentlich bei jedem Menschen immer wieder neue Seiten zu entdekken gab.

Man konnte zwar nicht sagen, daß Will Thorne auf Anhieb den Kutscher ersetzt hätte, dem auf der ehemaligen „Isabella VIII.“ eine wesentlich größere und besser ausgestattete Kombüse zur Verfügung gestanden hatte, aber trotzdem ließ sich der ruhige Mann stets etwas einfallen, um mittels der frischen Vorräte, die man in Alexandria eingekauft hatte, Abwechslung in den Speiseplan zu bringen.

Jedenfalls war auch an diesem Mittag die kleine Crew vollauf mit Will Thorne zufrieden, und manch einer hatte mehr, als eigentlich gut war, auf seinen Zinnteller geschaufelt und lag nun satt und dösend in der prallen Mittagssonne.

Selbst Old O’Flynn war plötzlich wie verwandelt. Während er Will Thorne äußerst wohlwollende Blicke zuwarf, bemerkte er tadelnd: „Das hat man gern, ihr Bilgenflöhe! Sich den Wanst vollhauen bis zum Gehtnichtmehr und sich dann faul in die Sonne legen! Aber nicht einer von euch denkt daran, unserem Koch ein Lob für die gesegnete Mittagsmahlzeit auszusprechen. Mir hat es jedenfalls bestens geschmeckt, und im übrigen habe ich euch ja von Anfang an gesagt, daß unser guter Mister Thorne ein ausgezeichneter Koch sei!“

Das verschlug den Arwenacks nun doch die Sprache.

„Wie? Was?“ brummte Smoky. „Was willst du uns von Anfang an gesagt haben?“

„Gerade habe ich den Mund geschlossen. Ich bin doch nicht im Wiederholungsverein“, sagte Old O’Flynn würdevoll.

Nun drehte sich auch Al Conroy faul zur Seite.

„Das haut doch einer Muck den Boden durch!“ stellte er fest. „Wir gehen ja völlig mit dir einig, daß Mister Thorne ein guter Koch ist, Donegal, und daß er bestimmt auch ein dickes Lob verdient hat. Aber mir klingt da immer noch ein bißchen das Nörgeln eines gewissen brummigen, alten Arwenacks in den Ohren, von wegen Schlangenfraß, Gift und in Segeltuch einnähen. Und jetzt säuselst du so lieblich wie eine unschuldige Windsbraut.“

Der Alte mit dem verwitterten Gesicht winkte ab.

„Ach was“, sagte er. „Du hast wohl mal wieder die Flöhe husten hören, Mister Conroy, oder das Pulver vom letzten Gefecht sitzt dir noch in den Ohren. Will ist jedenfalls ein ausgezeichneter Koch, und würde er am englischen Königshof die Töpfe schwenken, dann würde selbst unsere gute alte Lissy auseinandergehen wie ein Hefekloß.“

Ein dickeres Lob für Kochkünste gab es eigentlich nicht, und gerade aus dem Munde Old Donegal Daniel O’Flynns wollte das schon etwas heißen, darüber war man sich im klaren.

Das Faulenzen und Dösen hatte jedoch bald ein Ende. Nach einer Pause von zwei Stunden wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Es ging schließlich nicht an, daß man die ungeheuren Schätze, die man entdeckt hatte, da unten im Wrack vor sich hin gammeln ließ. Bob Grey war sogar der Meinung, daß die Fische längst mit den funkelnden Klunkerchen Murmelspiele veranstalten würden.

Auch Ben Brighton, der das Kommando führte, hatte Al Conroys Vorschlag aufgegriffen. Man versprach sich eine wesentliche Arbeitserleichterung dadurch. So begann man damit, die Taljen am vorderen Mast zu fixieren und über die Bordwand ins Wasser zu lassen.

Nach Abschluß dieser Vorbereitungsarbeiten tauchten Pete Ballie, Smoky und Bob Grey zur „San Marco“ hinunter, um die Kisten und Truhen von den Lagerräumen aufs Achterdeck hinauszuwuchten. Und auch das erwies sich natürlich als Schwerstarbeit. Manche der Behälter waren schwer wie Blei, und es erforderte eine Menge Kraft, sie durch klaffende Lecks und über zerborstene Planken hinweg nach draußen zu schaffen. Bei all dem war noch Eile geboten, denn die Atemluft wurde den drei Männern oft äußerst knapp, so daß sie zwischendurch zum Luftholen auftauchen mußten.

Doch wenn sie geglaubt hatten, wenigstens ungestört arbeiten zu können, sollten sie bald enttäuscht werden. Pete Ballie, Bob Grey und Smoky, die gerade eine Truhe durch das Schott des Achterdecks auf der Steuerbordseite der „San Marco“ heraushoben, setzten ihre Last jäh auf die Planken, als vorn beim Bug des Wracks etwas ins Wasser peitschte. Eine gestreifte Meerbarbe, die in diesem Moment höchstens zwei Yards von ihnen entfernt über das Achterdeck schwamm, jagte – durch das Geräusch sichtlich erschreckt – mit heftigen Flossenschlägen davon.

Die drei Seewölfe sahen sich einen Moment fragend an. Es war ohne Zweifel ein Schuß gewesen, den man ins Wasser abgefeuert hatte. Doch sie kamen nicht dazu, lange zu überlegen, denn plötzlich wurde heftig an ihren Leinen gezogen – dreimal, immer kurz hintereinander. Das war das Signal für höchste Gefahr! Und die Ursache blieb ihnen nicht länger verborgen.

Jäh und unvermittelt tauchte ein dunkler Schatten auf, der um den Vorsteven der wracken Galeone herumjagte. Es war ein Hai, und zwar ein ganz kapitaler Bursche.

Die Männer an Bord der Zweimast-Sambuke waren gut gelaunt. Kein Wunder, wenn einem rein zufällig prall gefüllte Schatztruhen in die Hände fielen. Schließlich hätten sie am gestrigen Abend ihren Anker auch woanders auswerfen können, doch das Schicksal schien es gut mit ihnen zu meinen. Die Arbeit, die das Bergen der Schätze zwangsläufig mit sich brachte, würde man gern bewältigen, zumal jetzt, da die gute Idee Al Conroys die Sache wesentlich vereinfachen und beschleunigen würde.

Immer wieder beugten sich die Seewölfe mit erwartungsvollen Blikken über das Schanzkleid, um die Arbeit der Männer da unten mitzuverfolgen, auch wenn die klare Sicht durch aufgewirbelten Schlamm oft stark beeinträchtigt wurde.

Trotzdem vergaßen sie nicht, auch die Wasseroberfläche im Auge zu behalten. Bis jetzt war, so weit das Auge reichte, alles ruhig und friedlich geblieben. Nirgends gab es etwas Auffälliges zu sehen – weder im Wasser, noch drüben an der Küste, die nur aus Unmengen von Sand und Felsen zu bestehen schien.

Doch der Schein trog. Ein unerbittlicher, grausamer Tod hatte bereits seine unsichtbaren Finger nach den Seewölfen ausgestreckt.

Will Thorne entdeckte die berüchtigte Dreiecksflosse als erster.

„Ein Hai!“ Während sein lauter Ruf die übrigen Männer alarmierte, griff er sofort nach der bereitliegenden Muskete und feuerte auf den dunklen Schatten, der dicht unter der Wasseroberfläche entlangglitt.

Der Schuß mußte getroffen haben, denn der gefräßige Meeresräuber bäumte sich augenblicklich auf, dann ließen peitschende Schwanzschläge das Wasser hochspritzen. Sekunden später schoß der verwundete Körper des Hais nach unten, und im Wasser breitete sich eine dunkle Wolke aus, die unschwer als Blut zu erkennen war, das sich mit dem Wasser vermischte.

Auch die Männer, die an den Leinen auf Station waren, reagierten sofort. Ben Brighton, Al Conroy und Sam Roskill holten hastig und Hand über Hand die Leinen durch. Die Zeit drängte, denn inzwischen war schon ein zweiter Hai aufgetaucht.

„Himmel, Arsch und Wolkenbruch!“ fluchte Old O’Flynn. „Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn die Biester noch länger auf ihren Besuch verzichtet hätten.“ Dann legte er eine Muskete an.

Der Schuß löste sich krachend, doch der Schatten unter der Wasserfläche hatte sich just in diesem Moment zur Seite bewegt. Nachdem die Kugel eine kleine Fontäne hochgerissen hatte, schien der Hai einen Atemzug lang zu zögern. Offenbar hatte ihn der plötzliche Angriff erschreckt. Doch dieser Zustand war nur von kurzer Dauer, dann nun begann der gefräßige Räuber erst einmal Kreise zu ziehen.

Im selben Augenblick war zu erkennen, wie der erste, von Will Thorne verwundete Hai, der ein Stück abgetaucht war, wie ein Irrer in die Reste der Fockmastwanten des Wracks raste und dort hängenblieb. Das Tier geriet in Panik, und während sein Blut weiterhin das Wasser rötlich verfärbte, tobte es wie verrückt.

Pete Ballie, Smoky und Bob Grey erreichten in diesem Moment die Wasseroberfläche. Sie wußten, daß ihr Auftauchen ein Wettlauf mit dem Tod war. Deshalb hangelten sie sich unter Einsatz aller Kräfte blitzschnell an ihren Leinen hoch, die von den Männern an Bord der Sambuke sofort an Klampen belegt wurden. Keuchend stießen sie dabei die Luft aus ihren Lungen.

„Das war verdammt knapp!“ stellte Ben Brighton fest.

Und er hatte recht damit, denn der zweite Hai, der den Schauplatz lauernd umkreist hatte, zischte genau in diesem Augenblick dicht unter den aufenternden Männern hindurch. Er bewegte sich direkt unter der Wasseroberfläche, der riesige Körper war bereits etwas gedreht, und das furchtbare Maul war weit zum Zubeißen geöffnet.

Für einen Moment stockte den Seewölfen der Atem, doch dann bewies der alte, grauhaarige Will Thorne zum zweiten Male, daß er immer noch ein ausgezeichnetes Reaktionsvermögen hatte.

Noch während sich die drei Taucher an den Leinen hochhangelten, hatte er eine der noch von Ferris Tucker, dem Schiffszimmermann der „Isabella“, konstruierten Flaschenbomben gezündet, die mit Pulver, Eisenstücken und Nägeln gefüllt war. Und diese gefährliche Flaschenbombe flog jetzt, genau zum richtigen Zeitpunkt, zielgenau in den weitgeöffneten Rachen des Hais.

Das Fischmaul krachte sofort zu, und damit war der Untergang des gefährlichen Räubers besiegelt.

Es dauerte etwa fünfzehn Sekunden, dann flog der riesige Fischleib mit einem dumpfen Knall auseinander. Die Detonation hatte ihn buchstäblich in Stücke gerissen. Innerhalb von Augenblicken färbte sich das Wasser rot von seinem Blut.

Doch damit war der Spuk noch nicht zu Ende. Den Seewölfen, die sich jetzt alle sicher an Bord ihres Seglers befanden, standen schon gleich darauf erneut die Haare zu Berge, denn urplötzlich, als habe man sie herbeigezaubert, wimmelte es in der Bucht von Kanais nur so von Haien. Wohin sie auch blickten, überall wurde das Wasser von den Dreiecksflossen gepflügt.

Pfeilschnell und unaufhaltsam schossen die Raubfische, die durch das Blut im Wasser angelockt worden waren, auf die Überreste ihres zerstückelten Artgenossen zu. Auch jenen Räuber, der noch immer in den Fockwanten der „San Marco“ herumtobte, hatten sie längst im Visier.

Die wilde, grausige Freßorgie, die sich dann vor den Augen der Seewölfe abspielte, würde ihnen ohne Zweifel bis an das Ende ihrer Tage in Erinnerung bleiben.

Seewölfe Paket 14

Подняться наверх