Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 35

4.

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Die Nacht verlief still und friedlich, für die Ankerwache gab es nichts zu vermelden.

Auch drüben an Land rührte sich nichts, und die Männer, die jeweils Wache gingen, vernahmen nur das Plätschern des Wassers, das an die Bordwände schlug. Vereinzelt war auch ein leises Knistern, Knacken und Stöhnen im Holz der Sambuke zu hören.

Erst der nächste Morgen brachte für den kleinen Segler und seine Besatzung den ersten Ärger.

Kaum hatte Ben Brighton den Befehl gegeben, ankerauf zu gehen, da fingen Smoky und Pete Ballie, die den Anker aufhieven wollten, auch schon an zu fluchen.

„Donner und Wolkenbruch!“ stieß Smoky hervor. „Man könnte meinen, das verdammte Ding habe sein Gewicht über Nacht verhundertfacht. Das gibt es doch gar nicht!“

Erneut packten die beiden Männer zu, aber wiederum ohne Erfolg. Der Anker saß eisern fest.

„Vielleicht hat ein Wassermann seinen Fuß daraufgesetzt“, sinnierte Old O’Flynn, der argwöhnisch zu den beiden Männern hinüberäugte.

Smoky wurde wütend.

„Dann sag doch deinem Wassermann endlich, daß er seinen verdammten Fuß runternehmen soll, du Clown! Du hast doch immer eine gute Verbindung zu diesen niedlichen Kerlchen. Oder sitzt vielleicht auch noch eine Meerjungfrau mit ihrem zarten Popo auf dem Anker, wie?“

„Man soll die Hoffnung nie aufgeben“, brummte Pete Ballie. „Vielleicht verfällt unser guter alter Mister O’Flynn doch noch auf den Gedanken, daß er ja mal mit zupacken könnte. Mitunter soll das recht hilfreich sein.“

„Schon gut, schon gut“, brummte Old O’Flynn und marschierte zu ihnen hinüber. „Ich hab’s ja schon immer gesagt, daß ihr jungen Spunde keinen Mumm mehr in den Knochen habt. Ihr stellt euch an, als wäre das der erste Anker in eurem Leben, den ihr hieven sollt. Es wird Zeit, daß euch mal ein ausgewachsener Seemann zeigt, wie man so was hinkriegt.“

Der Alte mit dem verwitterten Gesicht spuckte unternehmungslustig in die Hände, und dann begann auch er, an der Trosse zu zerren.

Aber da halfen kein Fluchen und kein Spucken. Der Anker rührte sich nicht vom Fleck.

„Und was ist nun?“ fragte Pete Ballie spöttisch. „Ich denke, du wolltest uns mal zeigen, wie man so was hinkriegt?“

„Genau“, motzte Smoky. „Mit deinem Mumm scheint’s auch nicht mehr weit her zu sein.“

„Haltet endlich eure großen Mäuler!“ Der Alte stampfte wütend mit dem Holzbein auf die Planken. „Da stimmt doch was nicht, ihr abgetakelten Heringsschwänze! Oder habt ihr das noch nicht gemerkt?“

„Ach nee“, murmelte Smoky, „das ist uns noch gar nicht aufgefallen. Gut, daß du es uns endlich sagst.“

Inzwischen waren Ben Brighton und Al Conroy hinzugetreten. Auch sie packten noch mit an, aber das Ergebnis war das gleiche. Das verdammte Ding gab um keine Handbreite nach. Wußte der Teufel, was da los war. Irgendwo hatte sich der Anker verfangen, aber wo?

Ein Ankerspill hatte die Sambuke nicht. Deshalb verfiel Smoky auf die Idee, aus ihrem Takelgeschirr ein paar Taljen zusammenzubauen, damit alle Mann mit zugreifen konnten. Und mit vereinbarten Kräften mußte es doch schließlich gelingen, den Anker hochzuhieven.

Als die Taljen fertig waren, gab es ein kräftiges Hau-ruck, an dem sich jeder beteiligte. Aber auch das nutzte nichts.

„Scheiße!“ fluchte Bob Grey. „Da legt man sich ins Zeug wie ein Kamel beim Treideln, und dann ist es auch noch umsonst.“

Auch die mehrfache Wiederholung des Versuchs brachte kein anderes Ergebnis. Schließlich begriffen die Seewölfe, daß sie es so nicht schafften.

„Wir müssen nachsehen, was da los ist“, sagte Ben Brighton, „sonst zerren wir noch heute abend wie die Ochsen an der Trosse herum. Loten wir doch zunächst einmal die Tiefe.“

Smoky ging sofort an die Arbeit und kurze Zeit später stand das Ergebnis fest. Die Tiefe betrug viereinhalb Faden, das entsprach etwa acht Yards.

„Das ist nicht allzuviel“, stellte der schlanke, dunkelhaarige Sam Roskill fest und zog sich bereits das Hemd über den Kopf. „Ich schau mal nach, was da unten los ist.“

„Daß du ja sofort wieder auftauchst!“ erklärte der alte O’Flynn. „Wir möchten es nämlich auch wissen.“

„Du kannst mich ja begleiten“, erwiderte Sam Roskill. „Dann weißt du es etwas früher. Vielleicht sitzen sogar zwei Meerjungfrauen auf dem Anker, dann bleibt für dich auch noch eine übrig.“

„Nun hüpf schon außenbords, du Themsefloh“, brummte der Alte und winkte auffordernd.

Sam Roskill tat ihm den Gefallen. Er sprang ins Wasser und tauchte an der Ankertrosse entlang nach unten, um die Lage zu peilen.

Die übrigen Männer warteten ungeduldig, doch es dauerte nicht lange, und Sam Roskill tauchte wieder auf. Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und grinste breit.

„Na und?“ fragte Old Donegal Daniel O’Flynn ungeduldig.

„Es sind keine Meerjungfrauen“, sagte Sam Roskill. „Sonst wäre ich nämlich noch ein bißchen unten geblieben.“

„Was dann, du Hering?“

„Nichts Besonderes“, berichtete Sam, während er über das Schanzkleid kletterte. „Außer einer Galeone hängt nichts an unserem Anker.“

„Einer Galeone?“ fragte Old O’Flynn erschüttert.

„Jawohl, einer Galeone“, sagte Sam Roskill.

Pete Ballie schüttelte den Kopf. „Entweder spinnst du, oder du willst uns einen Bären aufbinden.“

„Dann geh doch selber runter und schau nach“, sagte Sam. „Der Anker hat sich in der Geschützpforte einer wracken Galeone verklemmt. Da können wir lange herumzerren, bis wir es mit acht Mann schaffen, eine Galeone an der Ankertrosse hochzuhieven.“

Zunächst waren die Arwenacks ziemlich platt. Es waren ihnen zwar tausend Dinge und Möglichkeiten durch den Kopf gegangen, aber daß ihnen eine Galeone gewissermaßen an der Angel hing, das hatten sie absolut nicht erwartet.

„Ich hab’s!“ sagte Smoky und kriegte plötzlich ganz lüsterne Augen. „Wenn uns ein solcher Fisch an die Leine geht, dann sollten wir zumindest mal nachsehen, ob’s da noch was abzustauben gibt. Vielleicht handelt es sich bei dem abgesoffenen Kahn um eine Schatzgaleone der Dons oder so.“

Die Seewölfe sahen sich gegenseitig an.

„Eigentlich hast du recht“, sagte Al Conroy und legte die Stirn in Falten. „Nachsehen kostet ja nichts. Wenn es nichts zu holen gibt, können wir ja immer noch von hier verschwinden.“

Auch der alte O’Flynn nickte, und sein zerknittertes Gesicht nahm einen grüblerischen Ausdruck an.

„Eine Schatzgaleone“, sinnierte er, „o heiliger Patrick, das wär doch mal was zur Abwechslung, oder? Schon vorhin habe ich so ein verdächtiges Kribbeln in meinem Holzbein verspürt, und ich sage euch, das hat was zu bedeuten. Wir sollten den Kapitän des Schiffes da unten wirklich mal fragen, ob wir an Bord kommen dürfen. Er kann ja nun mit all seinem Zaster wirklich nichts mehr anfangen.“

Ben Brighton, der zunächst ein skeptisches Gesicht gezogen hatte, lächelte jetzt.

„Na gut“, sagte er. „Ich sehe schon an euren lüsternen Blicken, was die Stunde geschlagen hat. Ich würde zwar lieber weitersegeln, denn wir haben ja ein Ziel vor Augen, aber wenn ihr der Meinung seid, daß euch hier was in den Schoß fallen könnte – mir soll es recht sein. Das Kribbeln in Donegals Holzbein kann mich zwar nicht überzeugen, aber wer weiß, vielleicht hat ihm doch irgendein Wassermann was zugeflüstert.“

Old Donegal Daniel O’Flynn grinste überlegen.

„Laß nur mein Holzbein in Frieden“, sagte er. „Bis jetzt habe ich mich immer darauf verlassen können. Außerdem muß ja sowieso noch jemand runter, oder wollt ihr vielleicht unseren guten alten Stockanker da unten lassen und warten, bis die Trosse in den nächsten hundert Jahren langsam durchfault?“

„Du hast schon recht, Donegal“, erwiderte Ben Brighton. „Von mir aus kann’s losgehen. An mir soll es jedenfalls nicht scheitern.“

Die Sonne war inzwischen ein Stück höher geklettert, und ihr Lichteinfall hatte sich verstärkt. Die Handvoll Seewölfe, die sich unternehmungslustig über das Schanzkleid der Sambuke beugte, konnte jetzt sogar verschwommen die Umrisse der wracken Galeone erkennen. Sie lag auf dem Kiel und hatte sich nur leicht nach Backbord geneigt. Alles in allem handelte es sich, soweit sich das Wasser mit Hilfe des Sonnenlichtes „durchschauen“ ließ, um einen ziemlichen Brocken.

Und da juckte es den Männern erst recht in den Fingern.

Als die Töpfe und Pfannen, in denen Will Thorne ein kräftiges Frühstück zubereitet hatte, geleert waren, ließen sich die Seewölfe nicht mehr aufhalten. Zu groß war der Reiz des Unbekannten, Ungewissen, das da in einer Tiefe von etwa acht Yards verborgen lag.

Sam Roskill und Bob Grey waren die ersten, die ihr Glück versuchen wollten. Sie hatten sich bis auf die Hosen entkleidet und sich je eine Leine um den Leib geknotet. In ihren Gürteln steckten Messer.

„Haie haben wir zum Glück keine gesichtet“, stellte Ben Brighton fest. „Trotzdem, achtet auf die vereinbarten Signale. Wir werden inzwischen die Augen offenhalten.“

„Und vergeßt nicht, den Atem anzuhalten“, ergänzte Old O’Flynn. „Daß man euch Rübenschweinen aber auch alles vorkauen muß!“

„Wir werden daran denken, Mister O’Flynn“, sagte Bob Grey. „Und sollten wir auf eine junge, hübsche Meerjungfrau treffen; werden wir ihr in deinem Auftrag einen Klaps auf den Achtersteven geben. Ist es so recht?“

„Recht so, Leute“, bestätigte der Alte, „und bildet euch bloß nichts auf die Taucherei ein. Wenn ich mein Holzbein nicht hätte, würde ich längst keine Maulaffen mehr feilhalten, sondern schon seit einer halben Stunde die Galeone da unten ausräumen. Damals, auf der ‚Empreß of Sea‘, da haben wir …“

„Schon gut, Donegal“, mischte sich Ben Brighton ein, „wir wissen schon, daß du damals die Haie am Kinn gekrault hast. Doch für heute wollen wir lieber hoffen, daß sie sich woanders herumtreiben. Dir und Will fällt eine wichtige Funktion zu. Ihr beide habt höllisch aufzupassen – einmal auf die Leinen und die vereinbarten Signale und zum anderen auf die Wasserfläche, für den Fall, daß doch ein ungebetener Gast auftauchen sollte.“

„Aye, aye, Sir“, sagte der alte O’Flynn. „Eine solche Verantwortung kann man den jungen Hüpfern heute sowieso nicht mehr zutrauen. Die Kerls haben doch nichts als Rum und Weiber im Kopf!“

„Du hast es wieder einmal erfaßt, Mister O’Flynn“, erwiderte Sam Roskill. „Während wir da unten herumspazieren, werden wir an nichts anderes denken als an die drallen, kreischenden Weiber in der Kneipe des dicken Plymson. Mann, das wird ein Spaß!“

Mit grinsenden Gesichtern hechteten die beiden Seewölfe über Bord und schossen wie dunkle Schatten in die Tiefe. Natürlich waren sie nicht die einzigen Lebewesen, die flink und zielstrebig durch das Wasser der Bucht von Kanais glitten.

Fische verschiedener Größenordnungen kreuzten ihren Weg, und da sie den Menschen als Feind noch nicht kannten, störten sie sich wenig an den beiden Tauchern. Neben zahlreichen Meerbarben und Meerbrassen begegneten ihnen Grundeln und Zackenbarsche – vorwiegend also Fischarten, die in den Küstengewässern des Mittelmeeres beheimatet sind. Sam Roskill und Bob Grey waren erstaunt über die Vielfalt der Meeresbewohner, die sie teils argwöhnisch und teils neugierig musterten.

Das Sonnenlicht drang mittlerweile bis weit unter die Wasseroberfläche, und da die Tiefe hier in Küstennähe nur ungefähr viereinhalb Faden betrug, bot sich den beiden Seewölfen auf dem Meeresboden ausreichende Sicht. Das fiel besonders Sam Roskill auf, der bereits vor dem Frühstück wegen des blockierten Ankers einen ersten Tauchversuch unternommen hatte. Die Lichtverhältnisse kamen ihnen im Hinblick auf ihr Vorhaben sehr entgegen.

Die beiden Männer erreichten das Wrack fast gleichzeitig. Da sie in etwa abschätzen konnten, wie lange ihr Luftvorrat ausreichen würde, gingen sie rasch und zielstrebig an die Arbeit.

Die Galeone bot einen düsteren Anblick. Ihr Leib wirkte dunkel und drohend wie ein Ungetüm aus grauer Vorzeit, umgeben von einer Aura des Todes. Im Rumpf klafften riesige Lecks, aus denen zerborstene Planken hervorragten. Die Masten, vor allem der Besan, waren zum größten Teil weggesplittert, deshalb ragten sie trotz der geringen Tiefe, in der die Galeone lag, nicht aus dem Wasser. Teile des Schanzkleides hingen in Fetzen, das Heck war stark zertrümmert. Auf dem mulmigen Grund in der Nähe eines mannhohen Lecks lagen einige Fässer, über die ein Schwarm silbrig glänzender Fischleiber hinwegzog.

Viele Fragen bewegten sie beiden Männer. Was war das für ein Schiff, und was hatte zu seiner Zerstörung, zu seinem Untergang, geführt? War die Besatzung zugrunde gegangen, oder hatte sie noch schwimmend die Küste erreichen können? Auf all diese Fragen gab es im Moment noch keine Antwort, und die beiden Seewölfe hatten auch nicht die Zeit, sich jetzt, da unten auf dem Meeresgrund, über das Schicksal der Galeone und ihrer Besatzung viel nachzudenken.

Während Sam Roskill vorsichtig in ein riesiges Loch, das im Heck des Wracks klaffte, einstieg und dabei sorgfältig darauf achtete, daß sich seine Leine, die ihn mit der Sambuke verband, nirgends verfing, entdeckte Bob Grey unter einem grünen Algenteppich verwitterte Buchstaben. Zumindest die ersten beiden Schriftzeichen waren frei von dem rasenartigen Bewuchs.

Der blonde, drahtige Mann zog sein Messer aus dem Gürtel und schabte, so gut es ging, einen Teil der Algen von der Beplankung. Auf diese Weise konnte das erste Geheimnis des Wracks enthüllt werden.

Deutlich war der Name des Schiffes zu lesen. Bob Grey war zwar nicht der Größte, was die Kunst des Lesens betraf, aber der Name, der da in verschnörkelten Buchstaben am Rumpf des Wracks stand, lautete ohne Zweifel „San Marco“. Das war ein Schiffsname, wie er häufig von den Veneziern benutzt wurde. Offenbar handelte es sich demnach um eine venezianische Galeone.

Da laust mich doch ein Affe, durchfuhr es Bob Grey. Wenn es sich hier tatsächlich um ein Schiff aus der Lagunenstadt jenseits des Mittelmeeres handelt, dann ist da auch was zu holen! Die Kauffahrer aus Venedig fahren selten mit leerem Bauch.

Die Unternehmungslust hatte den braunäugigen Mann gepackt, dennoch spürte er, daß ihm die Luft langsam knapp wurde.

Aber wo blieb Sam? Hatte er im Heck des Wracks etwas entdeckt? Verdammt, auch ihm mußte doch langsam die Puste ausgehen! Warum war er nicht schon wieder aus dem Schiffsleib aufgetaucht?

Bob Grey arbeitete sich, so rasch es ging, zu dem riesigen Loch hinüber, in dessen dunklem Schlund Sam Roskill verschwunden war. Im selben Augenblick entdeckte er hinter einer Wolke von aufgewühltem Schlamm die Leine, die von Sams Körper aus nach oben führte. Sie schien bis zum äußersten gestrafft zu sein. Plötzlich meinte er sogar, ein Ziehen und Rucken zu bemerken, das von den Männern an Bord der Sambuke ausging.

Was war los? War Sam in Gefahr? Den blonden, drahtigen Mann überfiel eine böse Ahnung. Obwohl ihm die Luft immer knapper wurde und er bereits einen ungeheuren Druck auf der Brust spürte, glitt er durch die dunkle Öffnung in den zerborstenen Schiffsleib. Er würde nicht mehr lange durchhalten, deshalb war größte Eile geboten.

Kaum war er durch das Leck geschwommen, da sah er, was geschehen war.

Die Leine, die Sam Roskill mit der Sambuke verband, hatte sich unmittelbar hinter dem Rücken Sams zwischen zwei Holzbalken festgeklemmt. Verzweifelt versuchte Sam, sich um die eigene Achse zu drehen, um mit den Händen an die verklemmte Leine zu gelangen. Aber diese hatte sich durch seine bisherigen Versuche nur noch fester verklemmt, so daß der schlanke, dunkelhaarige Mann wie eine Maus in der Falle saß. Sein Messer konnte er nicht benutzen, sonst hätte er das Seil längst gekappt. Noch unmittelbar bevor sich die Leine zwischen den Balken verfangen hatte, war ihm sein Messer, bei dem Versuch, ein Schott zu öffnen, entglitten und lag nun irgendwo zwischen den Trümmern im Schlamm.

Oben auf der Sambuke, die zwischen der Schlammwolke als dunkler Schatten zu erkennen war, hatten die Männer wohl bemerkt, daß es Schwierigkeiten gab. Aber auch ihr Ziehen und Rucken an der Leine hatte bisher nichts genutzt. Im Gegenteil: sie hatte sich nur noch fester verklemmt und sich zudem noch in einigen verrosteten Nägeln, die aus dem Holz ragten, verhakt.

Bob Grey überschaute sofort die Lage. Er wußte, daß es jetzt um Sekunden ging. Aus dem Mund Sam Roskills perlten bereits Luftblasen, die sofort nach oben stiegen. Natürlich war er sich darüber im klaren, was eine solche Blasenbahn zu bedeuten hatte. Wenn ein Mensch unter Wasser damit begann, die Luft auszustoßen, dann mußte er sofort auftauchen, weil sämtliche Reserven verbraucht waren.

Noch während sich Bob Grey dem Kameraden näherte, hatte er selbst das Gefühl, als zersprenge ihm eine ungeheure Kraft den Brustkorb. Auch bei ihm konnte es nur noch Augenblicke dauern, bis er die verbrauchte Luft aus seinen Lungen stoßen mußte.

Unter größter Anstrengung riß er sein Messer aus dem Gürtel und kappte die Leine Sam Roskills, der zum Glück noch bei Bewußtsein war. Gleichzeitig gab er durch die Leine ein Signal, dann packte er Sam Roskill am Gürtel und zog ihn hinter sich her durch das Leck.

Beide schossen sofort nach oben, und das im letzten Augenblick.

Auch Bob Grey, der meinte, jeden Moment innerlich zerrissen zu werden, mußte noch während des Auftauchens die gespeicherte Luft durch den Mund entweichen lassen.

Prustend und spuckend durchstießen die beiden Seewölfe schließlich die Wasseroberfläche. Sie japsten nach Luft wie Fische, die man aufs Trockene geworfen hat, während sie von der restlichen Besatzung an Bord gezogen wurden.

Über die Stirn Ben Brightons hatte sich eine steile Falte gelegt.

„Was war los?“ fragte er kurz, nachdem sich die beiden Taucher wieder etwas erholt hatten.

Sam Roskill winkte mit einer schwachen Handbewegung ab.

„Verdammt!“ keuchte er dann. „Das hätte leicht schiefgehen können. Wenn ich allein da unten gewesen wäre, hätte mich einer von euch holen müssen. So aber hat Bob die Lage rasch erfaßt.“ Noch während sich sein Brustkorb in raschen Intervallen hob und senkte, berichtete er in kurzen Worten, was vorgefallen war. Erst dann fiel sein Blick auf Smoky, der bereits das Hemd abgelegt hatte.

„Ich wollte gerade hinunter“, sagte der Decksälteste, „aber da sahen wir euch schon auftauchen.“

Sam Roskill grinste schwach, und während er Smoky wortlos zunickte, boxte er Bob Grey in die Seite. Der wußte, wie die rauhe Geste zu verstehen war.

Sämtliche Blicke waren fragend auf die beiden Männer gerichtet, und Old O’Flynn bewegte sein Holzbein, wohl aus einer inneren Erregung heraus, mit scharrenden Geräuschen hin und her.

„Und, ihr Läuseknacker?“ platzte es plötzlich aus ihm heraus, „was bringt ihr für Neuigkeiten? Nachdem ihr eure Bäuche wieder mit Luft vollgepumpt habt, werdet ihr ja wohl die Zähne auseinander kriegen, wie?“

Auch in Pete Ballies Gesicht lag ein angespannter, erwartungsvoller Ausdruck.

„Ist es ein Don?“ fragte er.

Bob Grey schüttelte den Kopf. „Nein, ein Spanier ist es offensichtlich nicht. Die Galeone trug den Namen ‚San Marco‘. Wahrscheinlich handelt es sich um einen venezianischen Kauffahrer. Das Schiff sieht ziemlich übel aus, da ist kaum noch etwas heil geblieben.“

„Vielleicht wurde es von einem Sturm gegen die Felsen des Kaps geschmettert“, sagte Ben Brighton nachdenklich. Über seinem Gesicht lag ein ernster Zug.

Bob Grey nickte. „Das ist durchaus möglich, und wie lange das Wrack schon da unten liegt, läßt sich schwer sagen. Stellenweise ist die Bordwand schon mit Algen bewachsen. Aber das geht hier ja schnell.“

Der alte O’Flynn räusperte sich. „Das ist ja alles schön und gut. Und was auch geschehen sein mag, es wird sich nicht mehr ändern lassen. Ich bitte die Gentlemen deshalb, doch endlich mal auszupacken. Habt ihr denn außer Algen nichts gesehen? Ich meine – ist es nun eine Schatzgaleone oder nicht?“

„Nur nicht so stürmisch, Mister O’Flynn“, sagte Sam Roskill, dessen Gesicht noch etwas blaß war. „Wir jungen Hüpfer haben ja schließlich nicht mehr so viel Schwung drauf wie du. Und wenn du meinst, daß wir in den paar Minuten, die wir unten verbracht haben, das Wrack von vorn bis achtern und von achtern bis vorn durchgestöbert haben, dann muß ich dich enttäuschen. Wir sind zwar sehr anspruchslose Menschen, aber ab und zu mal einen kurzen Atemzug mußt du uns schon noch gönnen.“

„Das ist mir völlig klar, du kurzatmige Kanalratte“, sagte der Alte. „Wie ich sehe, kannst du schon wieder schnaufen wie ein Walroß. Aber – Himmelarsch – hast du im Schiffsrumpf nun was gesehen oder nicht?“

Sam Roskill grinste hinterhältig. „Und wenn ich es dir erst morgen erzähle?“

„Dann spiele ich dir mit meinem Holzbein zum Tanz auf, du sturer Bock. Oder meinst du; ich merke nicht, wie du ausgewachsene Seefahrer auf die Folter spannen willst, he?“

Auch die übrigen Männer warfen den beiden Tauchern nun ungeduldige Blicke zu.

„Also gut“, sagte Sam Roskill, „ich will mich kurz fassen. Bis jetzt gibt es nämlich gar nicht viel zu berichten. Ich konnte das Schott zu einem Laderaum aufbrechen, deshalb verlor ich ja auch mein Messer. Dort habe ich dann, obwohl es nicht besonders hell war, mehrere Kisten, Fässer und Truhen gesehen. Und da die Behälter nicht im Wasser herumgeschwommen sind, ist anzunehmen, daß auch was drin ist. Leider habe ich nicht mehr die Zeit und Gelegenheit gefunden, den Kram genauer zu untersuchen.“

„Das kann man ja nachholen“, meinte Pete Ballie und rieb sich die mächtigen Pranken. „Um ehrlich zu sein, mir kribbelt es in den Fingern, und ich bin fast schon so neugierig wie unser ehrenwerter Mister O’Flynn.“

„Mir geht es auch so“, gestand Smoky, der bereits den Oberkörper entblößt hatte. „Wie wär’s denn mit uns beiden, Mister Ballie? Wir könnten ja auch mal unser Glück versuchen. Vielleicht gelingt es uns, die Kisten und Truhen zu öffnen.“

Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Auch Ben Brighton nicht.

„Reicher sind wir hinterher auf jeden Fall“, meinte er, „entweder an Schätzen oder aber an Erfahrung.“

In fieberhafter Eile, als gelte es, einen Wettlauf mit irgendwelchen Konkurrenten zu gewinnen, rüsteten sich die Seewölfe zum nächsten Tauchgang. Wenig später sprangen Smoky, der Decksälteste, und Pete Ballie, der Rudergänger, in das klare Wasser der Bucht von Kanais.

Seewölfe Paket 14

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