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2.

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Die Spanier drehten sich voll Überraschung zu der imposanten Dreimast-Galeone um, die da wie eine Geistererscheinung aus dem Regendunst heransegelte. Allmählich wurden ihre Konturen für die Besatzungen der Galeeren scharf und konkret, aber zu spät begriffen die Spanier, daß sie es mit einem Gegner zu tun hatten. Sie glaubten wohl auch nicht daran, daß ein Feind die Dreistigkeit besitzen würde, sich bei dem Stand der Dinge an eine solche Übermacht heranzuwagen. Und genau das war ihr Fehler.

Die 17-Pfünder der „Isabella“ wummerten los. Über dem Backbordschanzkleid puffte weißer Qualm hoch. Die Kanonen spuckten ihre Ladungen gegen den Feind aus, rollten vom Rückstoß getrieben zurück und wurden durch die Taljen gestoppt. Al Conroy, Gary Andrews, Matt Davies sowie alle anderen Geschützführer der Backbordseite und ihre Helfer lugten gespannt über das Schanzkleid.

Ein Heulen war zu vernehmen, dann riß eine der Kugeln der nächstliegenden Galeere das Heck auf. Gleichzeitig fegten mehrere Geschosse dicht über ihr Mittelheck. Ein Beiboot wirbelte plötzlich in Trümmern durch die Luft. Das Schreien von Männern war zu hören. Die 17-Pfünder-Kugeln räumten unter der spanischen Mannschaft auf. Panik brach aus.

„Hurra!“ rief Matt Davies. „Das hätten sie nicht erwartet, diese Bastarde. Dabei haben wir erst unseren Einstand gegeben. Na wartet!“

Die Reaktion des Gegners erfolgte viel zu spät. Er wollte manövrieren, seine Geschütze auf die „Isabella“ richten und das Feuer erwidern, aber sie war bereits vorbei.

Hasard bediente eine der Drehbassen auf dem Achterkastell. Er hatte sie sorgfältig justiert, wartete jetzt seinen Moment ab und zündete die Ladung, als die „Isabella“ sich aus den Fluten hob und die Galeere gerade einen Wogenhang hinüberglitt. Die „Isabella“ sackte wieder etwas tiefer, die Galeere stieß aus dem Wellental hoch – die Drehbasse brüllte auf und entließ fauchend ihre Ladung.

Die Eisenkugel rasierte der Galeere an der Steuerbordseite glatt die Hälfte ihrer Riemen ab.

„Holla!“ rief Ferris Tucker. „Das war ein sauberer Schuß; Hasard! Jetzt ist er vollends flügellahm, der Don!“

„Anluven“, ordnete der Seewolf an. „Jetzt geben wir dem nächsten Zunder.“

Die „Isabella“ ging auf Nordkurs und segelte mit halbem Wind. Der zweite Gegner, ebenfalls eine Galeere, befand sich in Lee des getroffenen Spaniers. Seine Mannschaft stand bereits klar zum Entern der in Bedrängnis geratenen englischen Galeone. Aber jetzt brüllte der Kapitän wütende Befehle, und die Männer stürzten an die Geschütze. Hastig wurden die Segel gesetzt, damit das Schiff mehr Fahrt erhielt und manövrierfähiger wurde.

Die „Isabella“ glitt so nahe an die Galeere heran, daß Hasard und seine Crew die Rufe der Sklavenaufseher auf dem Unterdeck vernehmen konnten. Die trieben die armen Teufel an, die dort festgekettet saßen. An Steuerbord wurde angerudert, an Backbord gestrichen, die Galeere drehte sich, um der „Isabella“ die Steuerbordbreitseite zu präsentieren. Hasard blickte durch das Spektiv und sah den Kapitän, der wie der Leibhaftige auf dem Achterdeck tobte.

„Heilloser Aufruhr“, sagte er grimmig. „Aber das führt zu nichts. Je mehr Zustand herrscht, desto besser stehen die Dinge für uns. Der Capitan hat Vollzeug setzen lassen, aber damit schneidet er sich ins eigene Fleisch. He, Shane und Batuti, Feuer!“

Der Gambia-Neger hockte bei Dan O’Flynn im Großmars. Big Old Shane, der Schmied und Waffenmeister von Arwenack, war in den Fockmars aufgeentert. Schon einmal hatte er bewiesen, was er als Bogenschütze wert war. Das war beim Kampf in der Mona-Passage gewesen, als sie Caligu, dem Piraten, das Fürchten beigebracht hatten. Batuti hatte sich herausgefordert gefühlt. Und so war es auch jetzt. Die beiden Riesen veranstalteten ein Wettzielschießen auf die zweite Galeere.

Zuerst fing das Großsegel der Galeere Feuer, dann die Fock, und schließlich loderte es aus der gesamten Takelage himmelan, daß die Männer der „Isabella“ vor Begeisterung johlten.

Der Seewolf ließ die Spanier auf dem Oberdeck der Galeere nicht aus den Augen. Als einige von ihnen trotz des allgemeinen Durcheinanders noch die Steuerbordgeschütze zu zünden versuchten, gab er seinen Männern auf dem Achterkastell einen Wink und rief wieder: „Feuer!“

Die restlichen fünf Drehbassen krachten. Ferris Tucker verzeichnete einen Volltreffer im Schanzkleid der Galeere. Splitter wirbelten, Spanier sackten getroffen zusammen. Zwei kippten samt ihrer Kanone durch eine Lücke im Schanzkleid außenbords. Ben Brighton hatte dem Gegner eine Kugel unter die Wasserlinie gesetzt. Die Galeere lief völlig aus dem Ruder. Dann, als die „Isabella“ vorüber war, schlug sie quer. Auch die erste Galeere sank.

Der Jubel von Hasards Männern kannte kaum noch Grenzen. Zwei Schiffe hatten sie abserviert, ohne daß der Gegner Zeit für Gegenmaßnahmen gefunden hatte.

„Jetzt verputzen wir den nächsten!“ rief Carberry. „Und diesmal setzen wir unsere Steuerbordbreitseite ein!“

Während auf der Backbordseite der Kuhl und auf dem Achterkastell in fliegender Eile die Geschütze nachgeladen wurden, segelte Hasard an der englischen Galeone und den beiden Karavellen vorbei. Die Galeone war wirklich übel dran. Außer dem verlorengegangenen Fockmast hatte sie offenbar noch mehr Treffer zu verzeichnen. Kaum noch manövrierfähig, krängte sie immer mehr nach Backbord, nahm Wasser über und drohte vollends querzuschlagen.

Hasard hob den Kieker ans Auge. Aber noch konnte er den Kapitän nicht erkennen. Durch den Regendunst waren nur die Gestalten der Mannschaft zu sehen. Wie Schemenwesen huschten sie über Deck.

Unterdessen schickte sich die dritte Galeere an, das Entervorhaben zu vollenden. Sie rückte von Westen auf die englische Galeone zu. Die beiden Karavellen verhielten nördlich. Beide richteten ihre Steuerbordbreitseiten auf die Galeone. Die weiter östlich stehende hätte beidrehen und eine Salve auf die „Isabella“ abgeben können. Aber ihr Kapitän war augenscheinlich ein besonnener Mann. Er wartete auf eine bessere Gelegenheit und schien davon überzeugt zu sein, daß sich ihm diese Chance bieten würde. Dieser Spanier war also nicht zu unterschätzen.

Hasard hatte ein waches Auge auf ihn und auf die andere Karavelle. Unterdessen steuerte die „Isabella“ in einer weiten Schleife nach Westen und geriet damit in den Wind, so daß die Segel zu killen begannen. Sie knatterten so heftig, daß die Männer die Köpfe einzogen. Baldwin Keymis sank auf der Back zu Boden. Er rang die Hände und wimmerte.

„Waschlappen“, sagte Smoky verächtlich. „Und so was schleppen wir nun mit. Wir hätten dich auf Hispaniola lassen sollen.“

Die „Isabella“ ging über Stag und vollendete ihre 180-Grad-Schleife. Sie segelte nun bei Westwind über Backbordbug und hielt mit südlichem Kurs direkt auf die englische Galeone zu. Jetzt wurde es ernsthaft gefährlich für den Seewolf und seine Männer. Die Spanier, die den ersten Angriff unversehrt überstanden hatten, hatten ihren Schreck überwunden und genügend Zeit gehabt, sich auf die nächste Attacke vorzubereiten.

Hasard beobachtete durch das Spektiv. Die beiden Karavellen luvten nun auch an und zeigten ihm ihre Hecks. Sie waren bereit, ihn in die Zange zu nehmen. Wenn er nicht den Kurs änderte, würde er zwischen beiden Gegnern hindurchsegeln – durch eine Art Korridor. Nur einer konnte so verrückt sein, die Herausforderung zu akzeptieren und sich freiwillig zum Spießrutenlaufen zu begeben: er, Philip Hasard Killigrew.

„Ben“, sagte er. „Natürlich irritieren wir diese Burschen. Erst fallen wir ab und tun so, als wollten wir wieder auf die Küste zuhalten. Sie werden entsprechend manövrieren. Danach luven wir wieder an und segeln zwischen ihnen hindurch.“

Es wurde kein leichtes Unterfangen. Hasard verlangte seinen Männern alles ab, was an seemännischem Können in ihnen steckte. Schließlich war die „Isabella“ kein sehr wendiges Schiff. Es kostete allerhand, die Kapitäne von zwei Karavellen an der Nase herumzuführen und dann doch zwischen ihnen hindurchzulavieren. Aber Hasard schaffte es.

Er sprang zum Quarterdeck hinunter und wollte von dort aus durch die Kuhl zum Vorkastell. Aber vorher vergewisserte er sich, daß Gwen auch wirklich nicht mehr die Nase aus dem Achterkastell steckte. Für eine Frau zeigte sie geradezu eine unerhörte Portion Mut, doch er hätte es sich nie verziehen, wenn sie im Gefecht auf Deck verletzt worden wäre. Dort unten, in der Kammer des Achterkastells, befand sich seine ganze Zuversicht: Gwen, seine große Liebe, seine Ehefrau – und das Kind, das aus ihrer Leidenschaft erwuchs. Sicher, ein Kritiker hätte ihm vorwerfen können, daß es verantwortungslos war, mit Gwendolyn an Bord zusätzlich eine Seeschlacht zu entfesseln. Was war denn jetzt vorrangig, sein Triumph über die Spanier oder die Sicherheit des größten Schatzes, den er auf Erden besaß?

Natürlich war Gwen wichtiger. Aber Hasard konnte andererseits auch nicht seine Prinzipien ablegen. Er hatte der englischen Krone Treue und den Dons Tod und Verderben geschworen. Davon ging er nicht ab. Es wäre ein Verrat an sich selbst gewesen.

Hasard lief auf die Back und sagte zu Smoky: „Als erste seid ihr mit euren vier Drehbassen an der Reihe. Das Feuer wird die Dons in Atem halten. Gleich darauf werden Shane und Batuti ihre Brandpfeile auf die Reise schicken. Dies ist der Auftakt zu dem Höllenkonzert, das ihnen unsere beiden Breitseiten bieten werden.“

Kurz darauf dröhnten die Drehbassen auf dem Vorkastell los. Eisenkugeln und gehacktes Blei rasten gut verteilt zu den Karavellen hinüber, zwei Ladungen zu der östlich, zwei zu der westlich postierten. Es war ein eher lächerlicher Auftakt. Was konnten vier Drehbassen schon groß ausrichten? Aber den Spaniern verging das Lachen. Die Eisenkugeln und das gehackte Blei rissen Treffer in die Bordwände und Schanzkleider der Karavellen und verletzten Männer.

Smoky, Stenmark, Sam Roskill und Jean Ribault, die vier Geschützführer, lachten und rieben sich die Hände.

„Nein, das haben sie nicht erwartet!“ rief der Franzose. „Daß wir auf diese Entfernung und bei der See treffsicher zielen!“

Brandpfeile verließen die Bogensehnen von Batuti und Big Old Shane. Zischend stießen sie durch die Luft. Regen drohte sie auszulöschen, doch die Glut ließ sich nicht erstikken, bis sie auf die Takelage der Gegner traf. Hoch züngelten die Flammen von den Segeln der Karavellen auf.

Die Spanier verfügten über keine Bogenschützen. Sie waren auf Distanz blessiert worden und konnten sich vorerst nicht zur Wehr setzen. Zwar stoben über ihren Bordwänden Rauchwolken hoch – sie setzten Drehbassen und Serpentinen ein – doch so gutes Zielwasser wie Hasards Männer hatten sie nicht getrunken. Die Geschosse rissen entweder vor der „Isabella“ Wasserfontänen hoch oder strichen über das Schiff weg, weil sie viel zu hoch gezielt waren.

Dann erfolgte die direkte Konfrontation.

Die „Isabella“ segelte zwischen den Karavellen hindurch. Hasard schrie „Feuer“, und der Geschützdonner beider Breitseiten ließ das Schiff bis in die Verspannungen erbeben. Auch die Spanier zündeten ihre Kanonen. Die Luft war von Orgeln, Heulen und Brausen erfüllt. Hasard und seine Männer warfen sich flach neben den Geschützen auf die Planken. Das Inferno hatte eingesetzt und raste über sie weg. Es dauerte ein paar Sekunden, dann waren sie der Hölle entwichen. Sie durften sich im beißenden Pulverqualm aufsetzen und nach achtern blicken.

Der Qualm lichtete sich. Hasard sah die Karavellen. Die in Westen liegende hatte einen Knick im Großmast davongetragen, die andere hatte es schwer mittschiffs erwischt. Auf der Kuhl herrschte unglaublicher Aufstand. Für einen Augenblick versetzte sich der Seewolf in die Lage der Kapitäne, die dort drüben wieder Ordnung herzustellen hatten. Er mochte nicht in ihrer Haut stecken.

Hasard stand ganz auf. Er hielt Bilanz. Sie fiel nicht schlecht aus. Auf der „Isabella“ hatte es kaum Beschädigungen gegeben. Die Dons waren wirklich miserable Schützen. Bob Grey und Henry Flood, einer der fünf Fischer von Falmouth, hatten leichte Verwundungen erlitten. Der Kutscher hockte schon bei ihnen und legte ihnen Verbände an.

„Deck!“ brüllte Big Old Shane plötzlich aus dem Vormars. „Die dritte Galeere will es mit uns aufnehmen!“

Hasard wandte sich um. Tatsächlich, die Galeere, das einzige noch unbeschädigte Schiff, pirschte sich aus Luv an, um ihnen in die Steuerbordseite zu fallen. Natürlich verfuhr ihr Kapitän nach einem einfachen Kalkül. Er setzte voraus, daß die „Isabella“ sämtliche Geschütze abgefeuert hätte.

„Ben, Ferris!“ rief Hasard zum Achterkastell. „Heizt ihnen mit den Drehbassen ein.“ Wohlweislich hatte er die Stücke auf der Poop noch aufgespart. Jetzt war ihm dies von unschätzbarem Vorteil. Während die Geschützführer auf der Back und in der Kuhl an ihren Culverinen und Bassen hantierten, ließ Hasard abfallen. Die „Isabella“ zeigte der Galeere das Heck, die Drehbassen belferten los.

Die Galeere führte plötzlich keinen Bugspriet und keine Galion mehr. Eine Kugel hatte sie zudem unterhalb der Wasserlinie in der Backbordwand erwischt. Und jetzt fingen auch Batuti und Big Old Shane wieder an, mit Brandpfeilen zu schießen.

Die „Isabella V.“ glitt auf die beiden ersten Galeeren zu. Die eine hatte sich ganz quergelegt. Ein paar Überlebende pullten mit Beibooten von ihr fort und trachteten verzweifelt danach, die letzte Galeere zu erreichen. Die zweite brannte lichterloh. Der Regen hatte die gleiche Wirkung wie die Spucke eines Mannes bei dem albernen Versuch, ein Lagerfeuer zu löschen.

Hasard blickte wie gebannt auf die englische Galeone. Sie rückte nun sehr nahe in Lee der „Isabella“. Hasard inspizierte ihre Decks durch den Kieker. Plötzlich, mitten im Jubelschrei seiner Crew, zuckte er wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

Er hatte erkannt, wem sie da zu Hilfe gekommen waren.

Hasard bemerkte erst jetzt, daß Carberry neben ihn getreten war. Der Profos spähte ebenfalls durch ein Spektiv. „Ja, ist denn das zu fassen? Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Der Bursche mit der Knollennase drüben auf dem Achterdeck, den kenne ich doch!“

„Und ob“, sagte Hasard.

„Das ist Sir John!“ schrie Dan O’Flynn aus dem Großmars.

Donegal Daniel O’Flynn senior, der nicht weit von Hasard und Edwin Carberry stand, wandte den Kopf. Er kniff die Augen zusammen. Da bedurfte es keines Kiekers mehr. Sie waren jetzt dicht genug an der englischen Galeone, um alle mit bloßem Auge zu sehen, was sie sich eingebrockt hatten.

„Sir John Killigrew“, sagte der alte O’Flynn. „Du vertrackter, holzköpfiger Bulle. Du gottverdammter Leuteschinder. Daß ich dich hier treffe, hätte ich wirklich nicht gedacht.“

Sir John lehnte sich drüben über das Schanzkleid und linste angestrengt zu ihnen herüber. Die Seewolf-Crew wurde ihrer letzten Zweifel an der Identität dieses Mannes enthoben, als jemand neben ihm auftauchte – ein zweiter Bulle von Mann, verschwitzt, mit rotem Gesicht, roten Haaren und aufgeworfenen Lippen.

Hasard ächzte. „John Malcolm Killigrew, mein verehrter Bruder. Das haut doch wirklich dem Faß den Boden aus.“

„Dieses Ferkelgesicht“, stieß Carberry hervor. „Was, wie, ausgerechnet diesen beiden Scheißkerlen mußten wir unter die Arme greifen?“

„O verdammt!“ brüllte Big Old Shane aus dem Vormars. „Ich würde mir am liebsten in den Hintern beißen.“

„Ich auch“, sagte der alte O’Flynn erbittert.

„Hört bloß auf“, versetzte der Seewolf. „Mir ist zum Kotzen zumute.“

„Wir hauen einfach ab und überlassen diese Schweinepriester ihrem Schicksal“, schlug der Profos vor.

Hasard wies nach Nordwesten, und Carberry begriff die Absurdität seiner Forderung. Die beiden Karavellen hatten südöstlichen Kurs genommen, segelten dicht hintereinander gestaffelt und schickten sich an, ihnen den Weg abzuschneiden. Die Spanier gingen aufs Ganze. Die dritte Galeere zog ebenfalls mit. Es waren drei ramponierte, aber durchaus noch aktionsfähige Gegner.

„Ich wäre ein Lump, wenn ich jetzt kneifen würde“, sagte Hasard.

Drüben auf der anderen Galeone reckte Sir John jetzt den Hals. Er hob beide Hände und winkte. Und dann bogen er und sein mißratener Sproß John Malcolm sich vor Lachen, denn sie hatten ebenfalls begriffen, mit wem sie es zu tun hatten.

Die „Isabella V.“ segelte an der Killigrew-Galeone vorüber. Bei steifem Backstagswind nahm sie schnell Fahrt auf. Hasard ließ erst die beiden zerstörten Galeeren vorbei, dann gab er den Befehl zum Anluven. Die Geschütze waren wieder geladen. Er erteilte ein Zeichen. Die Steuerbordbreitseite donnerte. Ein zwölffacher Gluthauch huschte auf die Verfolger-Galeere zu. Es genügte, um sie auszuschalten.

Hasard wartete auf die Karavellen. Den Besatzungen war es gelungen, das Feuer in den Takelagen teilweise zu löschen. Sie rüsteten zum Duell, und Hasard ließ sie ruhig heran. Er hatte keine Hast. Der größte Fehler war es, vorzeitig den Feuerbefehl zu geben.

Der Kapitän der ersten Karavelle beging diesen Fehler. Er hatte offensichtlich die Nerven verloren. In einer erbitterten Attacke wollte er den tolldreisten Gegner abwimmeln, doch seiner Steuerbordbreitseite mangelte es wieder an der nötigen Präzision. Hasard ließ den Geschützböller verebben und den Pulverqualm verfliegen, dann schickte er ihm die halbe Backbordbreitseite hinüber. Auf der Karavelle ging der Großmast in Höhe der Großrah in die Brüche, zur selben Zeit war ein Treffer in der Bordwand knapp oberhalb der Wasserlinie zu verzeichnen.

„Sieg!“ schrie Al Conroy. „Wir haben ihm ein Ding verbraten, von dem er sich nicht wieder erholt. Seht doch!“

In der Tat, das Schicksal der Karavelle war besiegelt. Krachend schlug der obere Teil des Großmastes auf Deck nieder. Das Gewirr aus Spieren, Segeltuch, Fallen, Wanten, Schoten, Brassen und Stengen begrub einen Teil der Mannschaft, rutschte nach Steuerbord und hing schließlich über. Die Karavelle krängte gefährlich, Wasser trat in das Loch in der Bordwand.

„Schlagen wir uns zum letztenmal in die Schanze!“ rief Hasard. „Laßt den fünften Don aufrücken, dann zeigen wir ihm die Krallen. Matt, was für ein Geschoß hast du in deinem 17-Pfünder?“

„Stabkugel“, meldete Matt lakonisch.

„Setze sie ihm mittschiffs in die Laderäume, dann haben wir ihn ein für allemal vom Hals.“

„Aye, aye, Sir.“

Etwas mehr als eine Minute verstrich. Der letzte Gegner steckte nicht auf. Er bewies Mut und Geschick. Sein Kapitän war derjenige, den Hasard von Anfang an am meisten im Auge behalten hatte – ein Mann, der seine Ehre zu verteidigen hatte. Wieder bewies er Besonnenheit. Trotz der heiklen Lage auf seinem Schiff ließ er sich zu keiner voreiligen Aktion hinreißen. Er segelte so weit wie möglich auf die „Isabella“ zu. Dann erfolgten die Geschützdonner beider Schiffe fast gleichzeitig.

Einige Geschosse des Gegners waren gut gezielt. Eine Kugel riß eine Bresche ins Backbordschanzkleid der „Isabella“ und heulte dann quer über die Kuhl. Nur der Geistesgegenwart der Männer war es zu verdanken, daß es zu keinem Blutbad kam. Flach wie die Flundern preßten sie sich auf die Planken. Die Kanonenkugel fegte über sie weg. Manch einer schickte in diesem Augenblick ein stilles Stoßgebet zum Himmel. Geflucht wurde erst anschließend, als das Geschoß über die Steuerbordreling hinaus war und sich in der Ferne verlor. Die Männer hatten den Schreck überwunden und sahen zu, was sich auf der spanischen Karavelle zutrug.

Die letzte halbe Breitseite der „Isabella“ traf das Gegnerschiff voll. Auch die Drehbassen auf der Back von Hasards Galeone spuckten nun Eisen, Feuer und Verderben. Batuti und Shane schossen ihre Pfeile in das Chaos aus Feuer und Rauch. Aber dann duckten sie sich, auf der Kuhl und den anderen Decks suchten die Männer Deckung.

Matt Davies’ Stabkugel hatte ihr Ziel gefunden.

Der Stab war mit brennendem Material gefüllt. Der geringste Funke beim Aufprall genügte, um diesen Zunder in Brand zu setzen. Und Matt mußte aus purem Zufall die Pulverkammer der Karavelle erwischt haben. Die Wirkung war verheerend.

Eine Stichflamme stob aus der Karavelle hoch, dann wirbelten die Trümmer durch die Luft, und unter heftiger Rauchentwicklung jagte die Druckwelle auf die „Isabella V.“ zu. Beide Schiffe lagen zu diesem Zeitpunkt nur noch etwas mehr als eine Kabellänge voneinander entfernt. Hasard und seine Männer hatten den Eindruck, die Karavelle würde von einer Gigantenfaust aus der See gehoben und dann zerrissen. Der Luftdruck erreichte die „Isabella“ und rüttelte an ihr.

Der Seewolf kauerte hinter dem Backbordschanzkleid des Quarterdecks. Er wartete den ersten Schub heißer Luft ab, dann hob der den Kieker, um zur Karavelle hinüberzuspähen. Ben Brighton und Ferris Tucker befanden sich oberhalb des Niederganges auf dem Achterdeck, Karl von Hutten, der Profos und der alte O’Flynn auf dem Quarterdeck, als es geschah. Auch Pete Ballie wurde Zeuge des Vorfalls.

Eine halbe Rah, wahrscheinlich vom Großmast der Karavelle, segelte in rasender Geschwindigkeit heran. Sie sauste schräg von oben herab auf den Seewolf zu. Ben Brighton und Karl von Hutten stießen noch Warnrufe aus, aber es war zu spät.

Die schwere Spiere schlug Hasard gegen den Kopf.

Er kippte hintenüber. Der Kieker entglitt seinen Händen. Alle sahen, wie er fiel und reglos liegenblieb. Die Rah rollte von seinem Körper ab und polterte auf Deck. Ein einziger Aufschrei der Männer stieg in den Himmel.

Seewölfe Paket 3

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