Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 6
2.
ОглавлениеAls der Friedensrichter verschwunden war, winkte der Seewolf die Männer dichter zu sich heran.
„Los, näher ran mit euch, noch näher“, sagte er. „Was ich euch jetzt zu sagen habe, braucht Mister Keymis nicht zu hören.“
Die Crew, die neuen wie die alten, bildeten einen dichten Kreis um Hasard. Dann sahen sie ihn gespannt an.
„Normalerweise kann jeder Mann an Bord hören, was ich zu sagen habe“, begann er, „aber in diesem Fall ist das anders. Dieser Friedensrichter ist ein Mann, der nicht zu uns paßt. Wer Sonderrechte in Anspruch nimmt, wer sich vor der Arbeit an Bord drückt, wer die verachtet, die ihn wieder nach England bringen und für seine Sicherheit sorgen wollen, der gehört nicht zu uns. Es gibt nur ein Mittel, einen solchen Dreckskerl zu kurieren: Keiner spricht mit ihm, keiner beantwortet ihm eine Frage, gleich, um was es geht. Dieser Kerl ist für euch Luft. Er erhält sein Essen, sein Trinken. Er kann sich an Deck aufhalten oder auch im Großmars hocken, es interessiert uns nicht. Bedient wird er jedenfalls nicht, und du, Gwen, unterstehst dich, auch nur einen Finger für diesen Mann zu rühren. Dich wollte er als Bedienung haben, am liebsten hätte ich ihm für diese Frechheit vorhin ein paar reingehauen.“
Die Männer grinsten, aber irgendwie wirkten ihre Gesichter dabei gar nicht fröhlich. Sie stellten sich vor, was es für einen Mann bedeutete, innerhalb einer so engen Gemeinschaft, wie sie nun einmal an Bord der „Isabella“ herrschte, in Verschiß zu geraten.
Ed Carberry drückte aus, was sie dachten, als er mit grollender Stimme sagte: „Für meinen Geschmack hast du dich mit diesem Halbaffen viel zu lange aufgehalten, Hasard. Dieser Keymis ist ein Arsch. Er soll sich in acht nehmen, daß ich ihm denselben nicht noch bis zu den Schulterblättern aufreiße!“
Damit wandte sich Carberry an die Neuen unter der Crew.
„Und ihr habt auch gehört, was der Seewolf gesagt hat. Ich werde euch schon Feuer unter dem Hintern anzünden. Bis wir in England sind, werdet ihr euch nicht mehr daran erinnern, jemals als Landratten auf die Welt gekommen zu sein!“
Ferris Tucker, Dan, Smoky und noch ein paar andere grinsten hinter ihm her, als er zum Vorderkastell hinüberging, um am Ankergeschirr einiges zu klarieren. Sie kannten Carberry alle, seine rauhe Schale, seinen Lieblingsspruch vom Affenarsch, der sich manchmal schlimm anhörte, aber sie wußten, daß er unter seiner rauhen Schale ein weiches Herz verbarg, daß er jedem half, der Hilfe brauchte, daß er nie zögerte, einem Bordkameraden beizuspringen, und wenn er dabei sein eigenes Leben riskierte.
Sie ahnten nicht, daß sie gerade diesen Mann so zornig und so unnachgiebig erleben sollten, wie ihn noch keiner von ihnen allen jemals kennengelernt hatte.
Nach und nach kehrten die Männer an ihre Arbeit zurück oder ruhten sich aus, sofern sie zur Freiwache gehörten. Der Friedensrichter ließ sich nicht blicken. Gwen, das schlanke, hochgewachsene Mädchen mit den rotblonden Haaren, saß mit Dan und dem alten O’Flynn wieder auf dem Vorderkastell. Manch verstohlener, bewundernder Blick traf sie – und manchmal auch ein hungriger. Die Männer an Bord der „Isabella“ hatten schon lange keinen Kontakt mehr zu Frauen gehabt, und Gwen war bestimmt kein Mädchen, an dem ein Seemann einfach vorbeipeilte. Trotzdem hatte Gwen nicht das geringste zu befürchten, denn keiner der Männer war so verrückt, Gwen für ein Mädchen zu halten, bei dem man auf die schnelle Tour zwischen Topp und Takel landen konnte.
Auf der „Isabella“ hatten sich Gruppen gebildet. Auf dem Vorkastell waren Al Conroy und Smoky damit beschäftigt, die „Neuen“ in verschiedene Bereiche der Bordarbeit einzuweisen. Al Conroy brachte den Fischern hauptsächlich den Umgang mit den Drehbassen bei, eine Sache, die für die „Isabella“ eines Tages über Sieg oder Untergang entscheiden konnte. Und die Fischer erwiesen sich als äußerst gelehrig, außerdem bereitete ihnen die Arbeit Spaß. Smoky hatte sich hingegen mehr mit den Landratten befaßt, in stundenlanger, unermüdlicher Arbeit erklärte er ihnen seemännische Begriffe, die Arbeit an den Brassen und Fallen, die Bedienung des Spills, scheuchte sie schließlich in die Wanten und unterwies sie in der wichtigsten Regel, die es für einen Seemann überhaupt gibt – eine Hand für den Mann, die andere fürs Schiff. Und auch Smoky mußte zu seinem Erstaunen feststellen, wie rasch sie begriffen, wie schnell sie selbst mit schwierigeren Dingen vertraut wurden. Sogar der Stadtschreiber, Robert Rowe, gab sich die erdenklichste Mühe, daß es ihm im Gegensatz zu den anderen an Kondition mangelte, dafür konnte er nichts, und das trug Smoky ihm auch nicht nach.
Hin und wieder griff einer der anderen Männer helfend und unterstützend ein, die Neuen hatten jedenfalls sofort das Gefühl, an Bord keine Fremden, sondern längst in die Crew aufgenommen zu sein.
Batuti und Will Thorne, der Segelmacher, saßen auf dem Hauptdeck und besserten die schweren Schlechtwettersegel aus. Sie wußten, daß es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis die „Isabella“ diese Segel wieder brauchen würde. Hin und wieder warfen sie einen Blick zu den Neuen hinüber.
„Gutes Leut!“ radebrechte der riesige Gambianeger in seinem schauderhaften Englisch. „Wollen lernen! Wenn nicht verfluchtes Friedensrichter an Bord, dann alles gut. Geben Ärger, Batuti wissen, spüren hier!“ Batuti schlug sich gegen die Brust.
Der Segelmacher nickte. Er spürte es ebenfalls. Außerdem kannte er den Gambianeger und mochte ihn. Auch schon deshalb, weil Batuti im Lauf der Zeit mehr und mehr Vorliebe für seemännische Handarbeiten entwickelt hatte, weil er spleißen konnte, wie kaum ein zweiter an Bord, und weil er des öfteren geradezu erstaunliche Verbesserungsvorschläge für die Takelage brachte, über die sogar der technisch äußerst versierte Ferris Tucker in Erstaunen und helle Begeisterung geriet.
„Mir wäre auch lieber, Batuti, dieser Kerl wäre uns nie in den Kurs geraten. Aber er ist nun mal an Bord, wir sollten trotzdem ein wachsames Auge auf ihn haben. Es gefällt mir nicht, daß dieser Mensch in seiner Kammer hockt und sich an Deck überhaupt nicht sehen läßt!“
Will Thorne stach mit der Segelnadel zu.
„Der brütet etwas aus, darauf kannst du Gift nehmen, Batuti. Ich kenne diese geiergesichtigen Typen, diese verkniffenen Lippen, diese arroganten. Scheißkerle. Er ist von Carberry und später auch vom Seewolf gedemütigt worden, das vergißt der nie! Ich denke, wir werden in England und unterwegs noch einen Haufen Scherereien mit ihm kriegen!“
Big Old Shane, der Waffenmeister und Schmied von Arwenack, saß nicht weit von den beiden entfernt. Er hatte jedes Wort gehört.
Mit einem Ruck legte er den großen Bogen, an dem er arbeitete und der wegen seiner ungewöhnlichen Konstruktion von Batuti und dem hünenhaften Schiffszimmermann schon bewundert worden war, auf die Decksplanken. Dann schob er sich, ohne aufzustehen, näher an die beiden heran.
Eine Weile sah er den Segelmacher aus seinen grauen Augen an.
„Ich fürchte, du hast recht“, sagte er dann. „Es paßt mir nicht, daß dieser Kerl im Achterkastell wohnt. Schon deswegen nicht, weil Gwen dort auch ihre Kammer hat.“
Batuti und der Segelmacher fuhren hoch.
„Was willst du damit sagen, Shane? Du hältst ihn doch wohl nicht für so verrückt, daß er sich an Gwen ...“
„Ich würde es ihm nicht raten!“ grollte der Schmied und rollte die gewaltigen Arme, die von dicken Muskelsträngen durchzogen waren. „Aber wissen kann man das bei diesen Typen nie. Ich habe in Falmouth solche Herren gekannt“, und er betonte das Wort Herren auf ganz besondere Art, „die pflegten aufgrund ihres Standes jedes Mädchen als Freiwild zu betrachten, und in den allermeisten Fällen wagte auch niemand, sie zur Rechenschaft zu ziehen.“
Der Waffenmeister ballte die Rechte zur Faust.
„Aber er soll sich in acht nehmen! Ich erschlage ihn wie einen tollen Hund und werfe ihn anschließend den Haien zum Fraß vor!“
Er rutschte zurück. Unwillkürlich warf er einen Blick zum Achterkastell hinüber, auf dem sich Ferris Tucker, Carberry und Stenmark befanden. Und genau in diesem Moment geschah es. Baldwyn Keymis, der Friedensrichter aus Falmouth, betrat das Deck.
Einen Moment blieb er bei der dikken Bohlentür, die den Zugang zu den Wohnräumen im Achterkastell bildete, stehen und blinzelte in die Sonne. Dann stieg er langsam die Stufen zum Achterkastell hoch.
An der Schmuck-Balustrade, die das Deck des Achterkastells gegen die Kuhl sicherte, blieb er stehen und blickte die drei Männer an, aber die nahmen keinerlei Notiz von ihm.
Baldwyn Keymis spürte die Welle von Abneigung, die ihm entgegenschlug, und er begann sich zu ärgern. Ruckartig setzte er sich in Bewegung und marschierte auf Stenmark, den langen Schweden zu.
„Welcher Kurs liegt an?“ schnarrte er. „Wo sind wir, und wann werden wir in den Atlantik gelangen?“
Stenmark rührte sich nicht. Es war, als hätte der Friedensrichter mit dem Großmast gesprochen.
Keymis lief rot an.
„Ich habe dich etwas gefragt!“ fuhr er den Schweden an. „Und ich verlange eine Antwort!“
Stenmark schien ihn gar nicht zu hören. Pfeifend schlenderte er zu einer der Drehbassen hinüber und begann sie zu reinigen.
Der Friedensrichter starrte ihm nach wie einer Erscheinung. Er fuhr auf dem Absatz herum und ging auf Ferris Tucker zu. Dort wiederholte er seine Fragen, aber der Schiffszimmermann schien ihn ebenfalls nicht zu hören. Er stand an der Achterreling und blickte angelegentlich ins Wasser. Als Keymis ihn mit der Rechten erbost anstieß, um ihn damit zu zwingen, Notiz von seiner Anwesenheit zu nehmen, wischte der rothaarige Hüne den Friedensrichter zur Seite wie ein lästiges Insekt. Das war aber auch die einzige Reaktion, die Keymis bei Tucker erzielte.
Er starrte Carberry an, aber der schien irgendwo an der gerade noch erkennbaren Küste von Hispaniola etwas Hochinteressantes entdeckt zu haben und reagierte ebenfalls nicht.
Keymis begann zu kochen. Aber noch gelang es ihm, sich zu beherrschen. Mit langen Schritten stelzte er über das Achterkastell. Er spähte auf die Kuhl, während er den Niedergang hinunterstieg. Dort glaubte er, sein nächstes Opfer in Gestalt von Batuti entdeckt zu haben. Dieser Nigger würde es nicht wagen, ihn wie Luft zu behandeln, ihn, den vom Lordkanzel eingesetzten Friedensrichter von Falmouth!
Vor Batuti blieb er stehen. Als der Schwarze sich nicht rührte, stieß er ihn mit der Fußspitze an.
„He, du!“ fuhr er ihn an. „Steh gefälligst auf, wenn ich mit dir rede, oder ich werde dafür sorgen, daß man dir dein schwarzes Fell mit der Neunschwänzigen gerbt! Ich will, daß du mir auf der Stelle einen Becher Wasser holst, außerdem liegt in meiner Kammer ein Bündel dreckiger Wäsche. Bis heute abend wünsche ich die Wäsche wieder sauber in meiner Kammer vorzufinden! Los, hoch mit dir, du dreckiges Niggerschwein!“
Er versetzte Batuti einen kräftigen Tritt, und im selben Moment spürte er, wie zwei gewaltige Fäuste zupackten, ihm die Beine unter dem Körper wegrissen und ihn mit einem Ruck, der Keymis fast die Besinnung raubte, gegen die Steuerbordreling schleuderten.
Keymis spürte nur den schmetternden Schlag, mit dem er gegen das eisenharte Holz und die schweren Beschläge prallte. Er rang verzweifelt nach Luft und konnte nicht begreifen, was da eben mit ihm geschehen war.
Als er seine Lungen wieder voll Luft gepumpt hatte, fuhr er hoch, dabei vergaß er sogar den wilden Schmerz, der seinen hageren Körper durchzuckte.
Er kam auf die Füße, starrte den Schwarzen an, der weiterhin neben Will Thorn, dem Segelmacher, auf dem Deck saß und ihm beim Ausbessern eines schweren Schlechtwettersegels half. Batuti saß da, als wäre nichts geschehen. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, auf den Friedensrichter verschwendete er keinen Blick.
Baldwyn Keymis explodierte.
„Holt diesen Killigrew, holt den Kapitän des Schiffes. Ich will ihn sprechen, auf der Stelle! Ich befehle euch, Mr. Killigrew zu holen!“ Seine Stimme überschlug sich vor Zorn, er zitterte vor Wut am ganzen Körper.
Carberry tauchte an der Schmuckbalustrade auf.
„Was gibt es? Wer, zum Donnerwetter, schreit da unten so idiotisch herum?“ Er starrte Keymis an.
„Ich will auf der Stelle Mr. Killigrew sprechen! Dieser dreckige Nigger da hat es gewagt, sich an mir zu vergreifen, ich ...“
„Mr. Killigrew schläft, er wird jetzt nicht gestört. Wegen solcher verrückten Beschuldigungen schon gar nicht. Batuti soll sich an Ihnen vergriffen haben?“ Carberry schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht, er ist einer der friedlichsten Männer an Bord. Außerdem, sehen Sie doch selber – er arbeitet. Seit Stunden schon. Ich vermute, Sie sind ihm irgendwie zu nahe gerückt, vielleicht hat er sich lediglich mal bewegt, das reicht dann schon für so einen wie Sie. Sie müssen wissen, daß Batuti ungeheure Kräfte hat. Wir alle wissen das und gehen entsprechend vorsichtig mit ihm um. Was meinst du, Ferris? Und du, Stenmark? War es so?“
„Ich denke schon“, sagte der Schiffszimmermann grinsend. „Mr. Keymis sollte sich dringend ein wenig mit dem Bordleben der ‚Isabella‘ vertraut machen, ich bin sicher, daß ihm dann so etwas nicht wieder passiert.“
Carberry, Stenmark und Tucker verschwanden wieder auf dem Achterkastell. Und Batuti rührte sich immer noch nicht, ebensowenig wie Will Thorn oder einer der anderen Männer, die an Bord irgendeiner Beschäftigung nachgingen, während die große, schwere Galeone durch die grünblaue See der Karibik pflügte.
Baldwyn Keymis wußte, daß die ganze Sache ein abgekartetes Spiel war. Daß diese Kerle einen Spaß daran hatten, ihn zur lächerlichen Figur zu stempeln. Der Friedensrichter schwor sich, daß sie für alles büßen sollten, jeder einzelne von ihnen. Besonders jedoch dieser verdammte Nigger und dieser Carberry. Hängen lassen würde er die beiden in England, in Ketten legen lassen. Sie sollten sich vor ihm nur in acht nehmen!
Er sah sich um, und noch immer zitterte er vor Wut. Er erblickte die herrlich gewachsene Gwen, die in der Sonne auf dem Vorkastell neben ihrem Vater zu schlafen schien. Seine Blicke wanderten an ihrem jungen Körper entlang, glitten über die Brüste, die sich unter dem hellgrünen Seemannshemd deutlich abzeichneten.
Baldwyn Keymis verzog seine schmalen Lippen zu einem höhnischen Grinsen.
„Gut, diese Kerle schneiden mich, wahrscheinlich auf Anordnung von diesem Seewolf, dem es nicht gepaßt hat, daß ich von Anfang an klargestellt habe, wer ich bin und wer er ist“, murmelte er. „Aber sie trauen sich nicht an mich heran, sie hüten sich, tätlich gegen mich zu werden, und wenn, wie eben dieser Nigger, dann leugnen sie es hinterher. Gut, sie sollen ihr Spiel kriegen, ich werde ihnen zeigen, wer Baldwyn Keymis ist und wie man sich seinem Willen unterzuordnen hat. Vielleicht wird sie das kurieren! Sie sollen toben vor Wut, aber sie können nichts gegen mich unternehmen. Zu viele Zeugen befinden sich an Bord, die später in England aussagen werden.“
Er warf abermals einen Blick zu Gwen hinüber.
„Dieser Nigger wird sich noch wundern, wie bald meine Wäsche gewaschen sein wird und wie bald mich diese kleine Hure da bedienen wird. Gerne bedienen wird, so wie Baldwyn Keymis, der Friedensrichter von Falmouth, es von ihr verlangt!“
Er verließ eilig die Kuhl und verschwand im Innern des Achterkastells. Er würde jetzt erstmal ein paar Gläser Rum zu sich nehmen. Eine Flasche stand in seiner Kammer, wahrscheinlich hatte dieser Bootsmann des Seewolfs sie dort vergessen.
Baldwyn Keymis goß sich ein. Es waren ungute, schlimme Gedanken, die dabei sein Gehirn durchzogen und seine Phantasie beflügelten. Als sich die ersten abendlichen Schatten über die Karibik senkten, stieß er ein böses Lachen aus, denn er hatte noch eine zweite Flasche in der Seekiste Ben Brightons entdeckt.
Er würde sich die „Isabella“ und ihre Ladung mal etwas genauer ansehen. Was er in dieser Beziehung aus Gesprächen der Männer aufgeschnappt hatte, war ja wirklich höchst interessant! Dieser Killigrew unterschätzt mich gründlich, dachte er. Er ahnt nicht einmal, über welche Beziehungen ich in England verfüge, aber er wird es zu spüren kriegen, das schwöre ich.
Baldwyn Keymis rollte sich zur Seite und schlief ein. Er merkte nicht mehr, wie sich die Nacht über die Karibik senkte und die dahinsegelnde Galeone mit ihrer schützenden Dunkelheit umhüllte.
Baldwyn Keymis schlief fast bis Mitternacht, aber dann war er plötzlich hellwach. Gierig griff er zu der zweiten Flasche, nahm einen gewaltigen Schluck und verzichtete diesmal sogar auf das Glas.
Wieder stieg jener Gedanke in ihm hoch, über den er schon vorher nachgegrübelt hatte. Er trank weiter, und je mehr sein Gehirn sich umnebelte, je festere Gestalt nahm sein wahnwitziges Vorhaben an.
Schließlich erhob er sich von seinem Lager.
„Was wollen sie denn schon dagegen tun?“ murmelte er. „Wenn ich, Baldwyn Keymis, der vom Lordkanzler eingesetzte Friedensrichter von Falmouth, es für richtig halte, etwas zu tun, dann haben alle anderen zu kuschen!“
Er bewegte sich auf die Tür seiner Kammer zu, zögerte noch einmal für einen Moment, weil irgendwo in seinem umnebelten Unterbewußtsein so etwas wie eine Warnung auftauchte, das Gefühl, irgend etwas bei seinen Überlegungen übersehen zu haben. Aber dann wischte er seine Bedenken mit einer Handbewegung weg.
„Was wollen sie schon dagegen tun?“ flüsterte er und verließ seine Kammer.
Auf dem Gang, der zu den anderen Wohnräumen im Achterkastell führte, blieb er einen Moment stehen und lauschte. Aber alles war still, auch von Deck drangen keinerlei Geräusche in die Stille. Nur das Rauschen und Gurgeln der Hecksee, die hinter der dahinsegelnden Galeone eine phosphoreszierende Bahn bildete, war deutlich zu hören.
Keymis schlich weiter. Vor der Kammer des Seewolfs lauschte er noch einmal, und wieder huschte ein böses Grinsen um seine dünnen Lippen, als sich auch dort nichts rührte. Er strich sich über seinen Ziegenbart, seine grauen Augen begannen zu funkeln. Dann schlich er weiter.