Читать книгу Seewölfe Paket 3 - Roy Palmer - Страница 20

6.

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Sir John Killigrew erwachte aus seiner tiefen Ohnmacht und glaubte, es habe ihn geradewegs in die Hölle verschlagen. Zwei Gesichter schoben sich verschwommen, dann allmählich klarer, in sein Sichtfeld. Das eine war alt und verkniffen und von einem schlohweißen Haarschopf gekrönt, das andere war das eines pechschwarzen Dämons der Finsternis.

„Gerechter Himmel“, sagte Sir John undeutlich.

„Er kommt zu sich“, sagte der Alte. „Los, Batuti, hol Ben Brighton.“

Diese Stimme – die kannte Sir John doch!

Das schwarze Gesicht verschwand, dann war Sir John allein mit dem Alten. Er blinzelte ein paarmal, dann hob sich das Gesicht des Alten scharf genug über ihm ab. „Donegal Daniel O’Flynn. Zum Teufel mit dir! Wo ist mein Sohn? Und was hat der Nigger hier verloren? Wo bin ich?“

Der alte O’Flynn verzog keine Miene, als er antwortete: „Du könntest ruhig ein wenig freundlicher sein, altes Aas. Gehen wir hübsch der Reihe nach. Batuti und ich, wir haben die erste Wache an deiner Lagerstatt übernommen. Ist das nicht rührend?“

„Es bringt mich glatt um.“

„Du befindest dich in deiner Kammer im Achterkastell.“

„Wo ist John Malcolm?“ Sir John richtete sich ein wenig auf und wollte sich umschauen, aber heftiger Schmerz durchzuckte ihn. So heftig, daß er sich sofort wieder zurückfallen ließ. „Ich — ich bin schwer verletzt, Donegal. Du kannst mich hier nicht verrecken lassen. Das darfst du nicht.“

„Darf ich nicht? Wer hat mich denn an die Spanier ausgeliefert?“

„Das ist doch vergessen und gehört der Vergangenheit an.“

„Könnte dir so passen. Für mich ist es noch nicht vergessen, mein Freund.“ Donegal O’Flynn verzog die Lippen zu einem herablassenden Lächeln. „Der Kutscher hat dich von vorn bis hinten und von oben bis unten untersucht. Du hast keine ernsthafte Blessur. Batuti hat zwar kräftig hingelangt, als du dich auf Gwen und Hasard stürzen wolltest, aber leider ist dein Schädel heilgeblieben.“

„Leider?“

„Ja. Ich hätte lieber, du wärst in die Hölle abgeschrammt.“

„Das kann nicht dein Ernst sein, Donegal.“

„Denk, was du willst, der Glaube macht selig. Hör zu, John. Ich habe eine geladene Pistole im Gurt stekken, und ich werde sie rücksichtslos einsetzen, wenn du versuchst, aus dieser Kammer auszukneifen.“

„Wo steckt John Malcolm?“

„Wo er hingehört.“

Der alte O’Flynn wurde durch Ben Brighton und Batuti unterbrochen, die die Kammer betraten. Ben nahm am Fußende der Koje Aufstellung und musterte Sir John Killigrew ernst.

„Sir John“, sagte er. „Sie stehen unter Kammerarrest. Sie werden keine Gelegenheit haben, neue Schandtaten durchzuführen. Selbstverständlich ziehen sich die Wachen auf den Gang zurück. So weit, daß Sie nicht einmal mehr Herr Ihres engsten Persönlichkeitsbereiches sind, beschneide ich Ihre Freiheiten nicht.“

„Ihre Großzügigkeit wirft mich um“, sagte Sir John höhnisch.

„Ich an Ihrer Stelle würde mich nicht aufs hohe Roß setzen“, sagte Ben. „Sie haben sich des Mordversuches schuldig gemacht.“

„Wer sagt das?“

„Gwendolyn Bernice O’Flynn, Shane und Batuti.“

„Lüge ...“

Sir John brüllte es, aber dann duckte er sich unwillkürlich und schnitt eine Grimasse. Der Schmerz brandete in Wogen durch seinen Körper. In seinem Kopf tobt es, als gingen Hammerschläge darauf nieder und trachteten danach, ihn auseinanderzutreiben. Er stöhnte.

„Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht aufmucken“, sagte der alte O’Flynn schadenfroh. „Jetzt hast du dein Fett. Geschieht dir recht.“

„Wo – wo ist John Malcolm, mein Sohn?“

„Hört, hört, es spricht der treusorgende Vater“, spottete der alte O’Flynn.

Ben Brighton hob die Hand und blickte den alten Mann mit dem Holzbein nur einmal kurz an. Durch diese Gebärde bedeutete er ihm, es nicht noch weiterzutreiben. Der Alte schwieg.

„Sir“, sagte Ben frostig. „Ihr Sohn hat Shane mit dem Degen angegriffen. Shane hat ihm die Waffe aus der Hand geschlagen, aber John Malcolm wollte immer noch nicht aufgeben. Shane wehrte sich seiner Haut, und John Malcolm zog dabei den kürzeren. Er ist tot.“

„Tot?“ Sir John öffnete den Mund. Seine Augen schienen aus den Höhlen zu quellen.

„Die an Bord eines Segelschiffes gültigen Gesetze verlangen, daß jedem Toten ein ordnungsgemäßes Begräbnis zusteht“, fuhr Ben Brighton fort. „Für uns bedeutet das, daß John Malcolm Killigrew am Morgen der See übergeben wird.“

„Nein!“ schrie Sir John. Er bäumte sich in seiner Koje auf. Ihm war, als rutsche er von dem schmalen Grat ab, der das Normalsein vom Wahnsinn trennt, und stürze in rasendem Fall in die schwarzen Tiefen des Irrsinns – nicht aus Trauer um das Ende seines Sohnes, sondern wegen der großen Schmerzen. „Ihr Mörder! Ihr elenden Hunde! Ihr Teufel und Bastarde, das zahle ich euch heim! Mein allesgeliebter Sohn, mein John Malcolm ...“

„Widerlich“, sagte der alte O’Flynn verächtlich. „Ich weiß genau, daß er sich einen Dreck um seine Söhne schert. Ihre Zukunft war ihm immer völlig egal, warum dann jetzt ein solches Theater?“

„Kommt.“ Ben Brighton wandte sich zur Tür. „Wir brauchen uns nicht anzuhören, was er da von sich gibt. Ihr haltet vereinbarungsgemäß im Gang Wache, bis ihr abgelöst werdet. Ich kehre aufs Achterdeck zurück. Bald graut der Tag. Es dauert nicht mehr lange, und wir trennen uns endgültig von John Malcolm.“

Sir John Killigrew war zur Bestattung seines Sohnes auf den Beinen. Sein Gesicht war verzerrt, und niemand zweifelte daran, daß er tatsächlich noch unter erheblichem Schädelbrummen litt. Sein grenzenloser Haß trieb ihn an Deck, hielt ihn aufrecht und nährte ihn. Er stand am Steuerbordschanzkleid, in Lee der „Isabella“. Als er die Männer erblickte, die John Malcolm brachten, preßte er die Lippen zusammen, bis sie einen einzigen, blutleeren Strich bildeten.

Will Thorne hatte den Toten in Segeltuch eingenäht. Blacky, Stenmark und Buck Buchanan trugen das unerfreuliche Bündel. Die Beisetzung verlief ohne jegliches Zeremoniell. Alle Männer waren an Deck, sogar Baldwin Keymis. Er stand mittschiffs unweit der Kuhlgräting und verfolgte, wie Ben Brighton den drei Männern ein Zeichen gab, wie sie das Bündel anhoben und über das Schanzkleid schoben.

Keine Grabrede für John Malcolm Killigrew, keine Trommeln, kein Priester – zum letztenmal begab er sich auf eine Art Reise, flog außenbords an den Berghölzern vorüber, passierte dann die düstere Bordwand der Galeone und klatschte in die kabbelige See.

Sir John Killigrew beugte sich etwas über und sah, wie das Naß über dem Segeltuchpacken zusammenschlug. John Malcolm sank dem Meeresgrund entgegen. Die Räuber unter Wasser würden dafür sorgen, daß bald nicht mehr viel von ihm übrig war.

Sir John drehte sich um und richtete die Augen auf Ben Brighton, dann auf Blacky, Batuti – Shane.

„Mörder“, sagte er gepreßt. „Elende Mörder.“

„Apropos Mörder.“ Ben war tiefernst, ließ sich aber von Sir Johns Worten nicht beeindrucken. „Robert Rowe, wir brauchen dich wieder einmal.“

Rowe, der Stadtschreiber von Falmouth, trat vor.

Ben sagte: „Ich will, daß du ein Protokoll über den Vorgang des Überfalls auf Philip Hasard Killigrew anfertigst. Bist du dazu in der Lage?“

„Sicher, Sir.“

„Gut, dann beginnen wir. Shane und Batuti, stellt euch hier vor den Großmast. Ich will euch sehen, wenn ich euch verhöre. Kutscher, du rufst Gwen Killigrew und bleibst, während sie hier oben ihre Aussage zu Protokoll gibt, unten beim Seewolf. Und die Wache vor der Kapitänskammer rührt sich nicht vom Fleck, verstanden?“

„Aye, aye.“ Der Kutscher wandte sich ab.

Sir John ballte die Hände, daß das Weiße an den Knöcheln hervortrat. Er hätte sich gern auf Shane gestürzt. Aber er wurde immer noch von zwei Männern bewacht, von Nils Larsen und Sven Nyberg, den beiden Dänen. Ben Brighton hatte ihm nur für die Zeit der Bestattung und der Vernehmung erlaubt, die Kammer im Achterkastell zu verlassen. Die Posten behielten ihn jedoch unausgesetzt im Auge.

Sir John tat nur eins. Er wechselte einen Blick mit Baldwin Keymis. Keymis nickte ihm unmerklich zu. Es war ein Zeichen des stillen Einverständnisses. Was würde Keymis jedoch tun?

Gwen erschien. Sie war blaß und verwirrt. Der Morgenwind über der Biskaya zerzauste ihr rotblondes Haar. Ben Brighton stellte ihr rasch ein paar Fragen, und sie antwortete leise, jedoch mit größter Exaktheit. Sie durfte wieder gehen. Dann schilderte Big Old Shane, was sich im einzelnen zugetragen hatte. Unverblümt berichtete er über seine Auseinandersetzung mit John Malcolm.

„Batuti“, sagte Ben. „Bestätigst du Shanes Aussage?“

„Ja.“

„Hast du etwas daran auszusetzen, etwas hinzuzufügen?“

„Nein.“

„Robert Rowe“, sagte Ben. „Ich als stellvertretender Kapitän der ‚Isabella‘ werde das Protokoll unterzeichnen und bestätigen, daß es die Wahrheit und nichts als die Wahrheit enthält!“

„Nein!“

Der Schrei gellte über Deck. Baldwin Keymis war auf die Kuhlgräting gesprungen. Er stand breitbeinig und reckte empört die Faust. „Lüge, nichts als Lüge! Ich protestiere gegen diese Art der Manipulation! Brighton, Sie haben kein Recht, eine derartige Farce in Szene zu setzen und Ihr Amt zu mißbrauchen.“

„Schweig, du Laus“, brüllte der Profos.

„Nein!“ Keymis tänzelte auf der Stelle. „Ich werde es nicht tun, denn alle hier an Bord sollen wissen, was sich wirklich zugetragen hat. Männer, warum laßt ihr euch verblenden? Warum schenkt ihr nicht endlich den Leuten Glauben, die die Ordnung und Aufrichtigkeit in vorbildlicher Weise verkörpern? Es kann nicht angehen, daß ihr Heuchlern vertraut. Gebt mir wenigstens Gelegenheit, den wahren Sachverhalt darzustellen.“

„Ich reiß dir den Kopf ab“, sagte Matt Davies drohend. Er hob seine Eisenhakenprothese.

„Das Schwein will uns was vorgaukeln!“ rief Gary Andres. „Er hat keine Ahnung, wie sich die Dinge abgespielt haben. Er kann es nicht wissen, denn er hat seinen Platz im Vorschiff, und ich bringe ihn eigenhändig um, wenn er ihn verläßt.“

„Er will uns aufwiegeln“, sagte Mac Brian, einer der Handwerker aus Falmouth. „Das ist seine Taktik. Bringen wir ihn zum Schweigen.“

Keymis fuchtelte wild mit beiden Händen. „Das dürft ihr nicht. Ich bin ein Ehrenmann, ich werde es euch beweisen. Schön, ich habe nicht mit eigenen Augen verfolgt, wie das Unheil im Achterkastell letzte Nacht seinen Lauf nahm. Aber ich kenne die Hintergründe, über die bisher nicht gesprochen worden ist. Und ich appeliere an alle, die noch nicht zu tief im Pfuhl des Verbrechens stekken: Kehrt um! Schließt euch mir und Sir John an, ehe es zu spät ist!“

Sir John beobachtete, ohne eine Miene zu verziehen. Er war sich selber noch nicht im klaren, ob Baldwin Keymis’ Auftritt den geringsten Erfolg zeigen würde. Warum sollte denn der Friedensrichter etwas ausrichten, wenn nicht einmal seine, John Killigrews, Redekünste auf offene Ohren gestoßen waren, als er das Kommando an sich hatte reißen wollen?

„Lüge!“ rief Keymis noch einmal. „John Malcolm wurde hinterrücks ermordet! Es gab Erbschaftsstreitigkeiten in der Killigrew-Sippe, denn der Seewolf neidete dem älteren Bruder die Erstrechte.“

Matt Davies angelte mit seinem Eisenhaken nach Keymis’ Fußknöchel. Doch der Friedensrichter bemerkte es und balancierte auf der Gräting weiter, bevor es zu spät war. „Ben Brighton und seine engsten Vertrauten sind die Vollzugsorgane des Bastards Philip Hasard Killigrew!“ Seine Stimme war hoch und schrill und überschlug sich fast. „Er ist zwar zur Zeit bewußtlos, aber vor dem Gefecht mit den fünf spanischen Schiffen hat er die Crew aufgefordert, bei Gelegenheit John Malcolm umzubringen. Ist es nicht so, Sir John Killigrew?“

„Ja“, erwiderte Sir John. Die beiden Dänen rückten auf ihn zu und nahmen drohende Posen ein, so daß er augenblicklich wieder verstummte.

Gary Andrews hatte sich mit zwei Belegnägeln bewaffnet. Er schleuderte den ersten und verfehlte Baldwin Keymis. Doch das zweite Geschoß traf den Kerl an der Schulter. Keymis schrie, schwankte und kämpfte um sein Gleichgewicht. Mit dem linken Fuß geriet er in eine Lükke des Gitterwerkes. Plötzlich steckte er tief in der Holzgräting und konnte nicht mehr vom Fleck. Die Männer kesselten ihn ein und hieben mit den Fäusten nach ihm.

„Aufhören!“ Ben Brighton verließ seinen Platz, sprang über Deck und teilte die wimmelnde Menschentraube mit den Händen. „Seid ihr verrückt geworden?“

„Schlagt ihm die Birne weich!“ schrie Gary Andrews.

„Über Bord mit ihm!“ rief Al Conroy.

„Reißt ihm den Arsch auf!“ brüllte Matt Davies.

Und Edwin Carberry übertönte alle: „Knüpfen wir das Rübenschwein an der Rahnock auf, mal sehen, wie hübsch es baumelt!“

Ben Brighton war neben ihm, legte ihm die Hand auf den Unterarm. „Ed, das ist unverantwortlich. Wir sind keine Gesetzlosen. Willst du dich auf die Ebene eines Caligu hinabbegeben?“

„Es ist besser, den Dreckskerl in die Pfanne zu hauen.“

„Nein.“

„Du begehst einen Fehler, Ben ...“

Ben Brighton drängelte sich durch, sprang auf die Kuhlgräting und feuerte seine Pistole in die Luft ab. Der Schuß brachte die Männer zur Räson. Sie schreckten zurück und ließen Keymis los.

„Aufhören!“ rief Ben Brighton. „Solange ich dieses Schiff führe, wird keine Selbstjustiz geübt, ist das klar?“

„Aye, aye“, sagte Gary Andrews wütend. „Aber wir werden es noch bereuen, diesen Hund verschont zu haben.“

„Was er gesagt hat, ist totaler Unfug“, erklärte Karl von Hutten. „Aber er weiß sehr genau, daß die Behauptungen, einmal in die Welt gesetzt, immer und irgendwann ihre Früchte tragen werden. Ich kenne Kerle wie ihn zur Genüge. Er steckt voller Haß und wird nicht eher ruhen, bis er uns durch Hinterhältigkeiten und Ränke zu Fall gebracht hat. Er ist ein Meister der Intrige, Ben. Eben hat er die Mannschaft zur Meuterei aufwiegeln wollen. Das allein wäre Grund genug, Bordgericht über ihn zu halten.“

„Von Hutten!“ Bens Gesicht war plötzlich wie gemeißelt. „Soll das heißen, daß du dich gegen meine Befehle auflehnen willst?“

„Natürlich nicht ...“

„Dann halt den Mund. Ich dulde keine Widerworte mehr. Es ist genug Blut geflossen, genug Haß geschürt worden – Schluß damit!“ Ben beugte sich zu Keymis und half ihm aus der Gräting. „Das gilt auch für dich, Freundchen. Bilde dir nicht ein, weil ich dir aus der Patsche geholfen habe, hättest du jetzt einen Stein bei mir im Brett. Ich habe dich einmal vor dem Aufknüpfen bewahrt, aber das nächste Mal siehst du zu, wie du allein klarkommst, verstanden?“

„Ja.“

„Und jetzt ab mit dir ins Vorschiff!“ fuhr Ben ihn an.

Baldwin Keymis rutschte von der Kuhlgräting, stolperte auf die Back zu, erreichte das Schott an der Steuerbordseite und verschwand dahinter so flink und geräuschlos wie eine Ratte.

Seewölfe Paket 3

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